FELL KARTOFFELN.
Die Party als Politikum, willkommen in Neu Rom. Ich feier also bin ich, denken war gestern und die Klimakatastrophe kommt sowieso, weswegen wir sie erst mal vergessen. Was ist das eigentlich für eine Wirtschaftskrise, in der ein nicht unerheblicher Teil der Jugend sich mit nichts anderem beschäftigt, als der nächsten Party. Unter meinen Fenstern wird die Party aggressiv eingefordert, von Menschen, die dieses Viertel nicht bewohnen, sondern nur terrorisieren. Niemand vermisst euch, verpisst euch und bitte nicht in die Hauseingänge. Langsam wirken diese ganzen hohlgenährten Hohlstandskinder mit ihren schmähweißen Sneakers schon ein bisschen versstörend, denn sie sind aus dem Versmaß des Gleichgewichts gefallen. So endet Gefallsucht dann letztendlich immer in einer Fallgrube und wer nicht zu Fall kommen will, studiert Fallmanagement und zieht aufs Land.
Nur durch Zufall, denn Killmasters sehr protestantische und tief in ihrem Glauben verwurzelte Ehefrau, hatte sich alle Mühe gegeben, sämtliche Briefe und Fotografien zu vernichten, die Einblicke in das Treiben ihres Gatten während der mehrjährigen Expedition in der Südsee gaben, war heraus gekommen, dass Killmaster in der Südsee eine zweite Familie gegründet hatte. Wie etliche andere vor ihm, war er dem Charme einer Polynesierin, angeblich Tochter eines Häuptlings, erlegen und hatte sie nach einheimischem Ritus geehelicht. Die Verbindung war nicht ohne Folgen geblieben und HaHe erging sich immer wieder gerne in der Vorstellung, irgendwo in der Südsee Verwandte zu haben. Seinen Spitznamen Killmaster, verdankte der Urgroßvater angeblich seinem langen Zimmermannsmesser, wobei nie weiter thematisiert wurde, was Killmaster wohl so alles mit dem Messer getrieben hatte.
Die Existenz dieses Zweiges der Familie war allerdings erst lange nach dem Tod der Urgroßmutter, die ihren Killmaster viele Jahre überlebt hatte, heraus gekommen. Ein paar Briefe und Fotos waren der Urgroßmutter denn doch entgangen und der alte, festschließende Schiffsaschenbecher von der Sonne, ein Erbstück des Urgroßvaters, reiste natürlich auf dem Molch mit. Inzwischen war es dunkel geworden und HaHes Vater dazu über gegangen, uns mit weitschweifigen Erläuterungen, der nur teilweise am recht wolkigem Nachthimmel sichtbaren Sternbilder zu unterhalten, in der christlichen Seefahrt ebenfalls ein Thema von hoher Relevanz. Navigieren nach den Sternen, sofern sie denn sichtbar sind, zu Killmasters Zeiten, die Längen und Breitengrade waren gesetzt, Kompasse und Sextanten geeicht und funktionsfähig, nicht unbedingt mehr die einzige und sicherste Methode. Viele Jahre später, hörte ich im Rahmen eines Bali Seminar, einen Vortrag über die Entdeckung und Eroberung des Pazifik. Nicht etwa durch die Europäer, sondern durch die Vorfahren der Polynesier, die von Asiens Ostküste mit Auslegerbooten und Doppelkanus aufbrachen, einen Ozean zu erobern, der über ein Drittel unseres Planeten bedeckt. Sie nahmen ihre Schweine und Hühner mit und sie navigierten tatsächlich nach den Sternbildern des nächtlichen Himmels, den Strömungen des Meeres, dem Flug der Vögel und den Zügen der Fischschwärme und obwohl sie Nadeln in einem Heuhaufen gleichen, fanden die prähistorischen Seefahrer und Seefahrerinnen alle Inseln des pazifischen Ozeans und besiedelten sie. Trotz Killmasters Abenteuern, waren wir weit weg von der Südsee, die Nacht auf der Ostsee kalt und feucht, der Himmel Wolken verhangen, ich kämpfte immer noch mit stetig wieder kehrenden Übelkeitsanfällen und hoffte, dass wir bald in Sonderburg auf der dänischen Seite ankommen würden. Da reagierte HaHes Vater mit einmal wie elektrisiert, angeblich hatte er am dunklen Nachthimmel eine Leuchtrakete gesehen, ein Notrufsignal. Sofort wurde der Kurs des Molch geändert, der Motor auf Vollbetrieb umgestellt und wir durchpflügten die Wellen der Ostsee in Richtung des Notrufsignals. Der Molch fing an bedenklich zu schwanken, immer wieder änderte HaHes Vater den Kurs, denn er sah neue Notrufsignale. Trotzdem der Seefunk, den er er natürlich die ganze Zeit abhörte, keine einzige Meldung über einen Notruf brachte, kreuzten wir mehrere Stunden auf dem Meer herum, immer auf der Suche nach einem havarierten Segelboot. Irgendwann gab HaHes Vater auf und wir nahmen wieder Kurs auf Sonderburg. Als wir im Morgengrauen im Hafen von Sonderburg anlegten, konnte ich endlich unter Deck gehen, ohne das mir übel wurde und ich legte mich in der Röhre, die mir als Schlafplatz zur Verfügung stand ab und schlief sofort ein.
Den Kurs kann man stürzen, aber die Kurve muss man kriegen.
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TUGEND WAHN.
Schluss mit lustig, schluss mit Lügen, schluss mit den alten Geschäftsmodellen und schluss mit der Verantwortung der Anderen. Alles muss anders werden und alle haben selber Schuld, denn für Schuld braucht es kein Bewusstsein, sondern nur eine Festanstellung. Festanstellungen gibt es nun aber nicht mehr, nur noch Home Office und Zeitverträge. Die Zeit tangiert das nicht wirklich, weil sie sowieso alle Zeit der Welt hat und sich ganz bestimmt nicht befristen lässt. So arbeiten denn Zeitarbeiter auch nicht mit der Zeit, sondern dagegen, aber Zeit haben sie deswegen noch lange nicht. Unter der Zeitlupe werden Zeitsprünge sichtbar und Zeitfresser enden in einem schwarzen Loch.Trotzdem sollte man auf einem Schwarzmarkt nicht schwarz sehen und Schwarzmaler werden häusliche Besuche beenden. Wer der Zeit ein Zeichen setzen will, nimmt den übrig gebliebenen Bau der Hornissen und hat wieder Zeit.
Unter einem strahlend blauem Himmel starteten wir am späten Nachmittag, nicht unterm Segel des Molch, sondern mit Motorkraft. Kaum das wir den Hafen unfallfrei verlassen hatten, setzten HaHe und sein Vater das Segel des Molch und wir glitten, nur von den Geräuschen des Wind im Segel des Molch und den Schreien der Möwen am Himmel begleitet, an den grünen Ufern der Schlei vorbei. Rabelsund, Flintholm, der große Jachthafen von Maasholm und dann wurde die Schlei richtig breit. Die Möwendichte am Himmel nahm zu, immer im durch die Bojen gekennzeichneten, schmalen Fahrwasser, wir steuerten auf den Leuchtturm von Schleimünde zu und ich fühlte mich schon fast wohl. HaHes Vater setzte zu einem ausführlichen Vortrag in Bojenkunde an, ein Thema, das mich nicht unbedingt elektrisierte und ich verschwand unter Deck, um in der winzigen Kajüte des Molch für ein wenig Ordnung zu sorgen. Mein Schlafplatz, eine Art Röhre, es gab zwei davon, sagte mir nicht besonders zu, aber es gab nur diese zwei Schlafplätze und die dritte Person musste sowieso Ruderwache halten. Die Röhre war so eng, dass ich mich ernsthaft fragte, wie HaHes Vater mit seiner Kapitän Blaubeerfigur, überhaupt dort hinein passen sollte. Dann fing der Molch an zu schlingern und schlingerte immer mehr und eh ich mich versah, wurde mir furchtbar übel. Mit Müh und Not hangelte ich über die kleine Treppe wieder an Deck hoch, wo HaHe und sein Vater mich mit den Worten, „Oh Scheiße, wir hatten ganz vergessen dir zu sagen, dass man während des Schwell nicht unter Deck sein sollte.“. Vom Schwell hatte ich noch nie gehört und so erfuhr ich denn, dass da wo er Fluss ins Meer mündet und erst recht an so einem Nadelöhr, wie beim Leuchtturm von Schleimünde, der Schwell einsetzt. Am Schwell treffen unterschiedliche Strömungen, Wassertemperaturen und Wasserdichten, denn Süßwasser ist nicht gleich Salzwasser, aufeinander und erzeugen allerhand Turbulenzen. Der Schwell vertrieb jeden Anflug von Seefahrtsromantik und mir ging es gar nicht gut. Ich klammerte mich so gut es ging, am wenig komfortablen Deck des Molch fest und unterdrückte den immer wieder aufsteigenden Brechreiz. So steuerten wir denn auf die Ostsee hinaus, unserm Ziel Sonderburg, auf der dänischen Seite der Ostsee entgegen. Wir wollten die Nacht durch segeln und am nächsten Morgen in Sonderburg ankommen und zollfrei einkaufen. Mittlerweile hatte sich das Meer wieder beruhigt, im Westen versank die Sonne tiefrot in den Wellen und HaHe und sein Vater machten sich systematisch daran, die Alkoholvorräte zu vernichten. Mir war immer noch schlecht und einzig und allein der salzige Fahrtwind, hinderte mich daran zu erbrechen. Wie ich aus dem kompetenten Mund meiner beiden Segelkumpane erfuhr, waren die christliche Seefahrt und der Alkohol seit ewigen Zeiten untrennbar miteinander verbunden und dazu gab es Würstchen aus Dosen, Gürkchen aus Gläsern und Stangenweise Weißbrot. Mir war immer noch schlecht. Eingehüllt in mehrere warme Decken, hatte ich mich am Deck des Molch fest verhakt und trank ganz vorsichtig Wasser in kleinen Schlückchen. HaHe und sein Vater waren mittlerweile bei den Sweeties angelangt und Alkohol gab es immer noch genug. Ein bisschen ungeheuerlich fand ich sie schon, wie sie sich da so völlig ungehemmt voll fraßen und voll laufen ließen und das alles unter dem Deckmantel der Seefahrt, ob nun christlich oder auch nicht. Dann wurde HaHes Vater sentimental und erinnerte sich an seinen Urgroßvater „Killmaster“, der als Bootszimmermann mit der „Sonne“, einem Forschungsschiff des Kaiserreich, in die Südsee aufgebrochen war.
Im Schatten boxt sich besser.
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ZANK WIRTSCHAFT.
Das man Schwanenhälse nicht zu lange in den Wind halten sollte, versteht sich eigentlich von selbst, aber Schwanengesänge werden vom Wind bis in die letzte Ecke getragen. Ob Eckensteher davon einen Hals bekommen, ist bisher nicht bewiesen und wie viele Ecken der Hut hat, aus dem die weißen Kaninchen gezaubert werden, weiß nur, wer um die Ecke denken kann. Anecken ist auch nicht jedermanns Sache und unter einer Decke kann man nicht umdenken. Für die Denkpause gibt es Wackeldackel und für die Blaupause Brause. Was heute nicht stimmt, kann morgen durchaus richtig sein, obwohl es noch lange nicht stimmt. Tief im Stimmbruch werden die Tasten gehauen und Engelsstimmen fliegen hoch hinaus. Trotzdem kann man das Gewitter nicht in eine Zelle sperren, denn Zellkulturen leben nach ihrem eigenen Gesetz und gönnen sich eine Frischzellenkur, bis die Schwarte kracht und ein Blitzlicht geboren wird.
All dies geschah unter den neugierigen Blicken der anderen Segler. Im Jachthafen von Kappeln lagen jede Menge Segelschiffe aller mögliche Größen vor Anker, von kleinen Booten ohne Kajüte, bis zu protzigen Zweimastern war alles vertreten. Die Segler gaben sich ziemlich elitär, größtenteils stilecht gekleidet mit weißen Segelhosen, den dazu passenden Oberteilen und natürlich ebenfalls weißen Segelschuhen, die Herren gern mit Prinz Heinrich Mütze auf dem Haupt, die Damen mit großen Sonnenbrillen im Gesicht oder im Haar. Lässig drapiert auf den Oberdecks ihrer Jachten, beobachteten sie die ein und auslaufenden Boote und uns, den wir fielen deutlich aus dem Rahmen. Zwar schmückte HaHes Vater sein Haupt auch mit einer Prinz Heinrich Mütze, aber damit hatte es sich dann auch schon. Von weißen Hosen und Schuhen hielt er überhaupt nichts und er fand den Kleidungskodex der Seglercommunity sowieso total albern. Mit seinen langen Haaren und der schiefen Adlernase fiel HaHe nicht nur im Jachthafen auf, sondern eigentlich überall und auch meine bunten Hippieklamotten entsprachen in keinster Weise den Vorstellungen der Seglergemeinschaft vom Äußeren zünftiger Segler. Nachdem wir die Vorräte an Bord des Molch verstaut hatten, fuhr HaHes Vater, seinen neuen Gebrauchtwagen, passenderweise ein Opel Admiral Kombi, zum Parkplatz des Jachthafens und außerdem musste er uns noch beim Hafenmeister anmelden. Das Oberdeck des Molch war nicht so geräumig, als das man dort lässig an einem, noch so kleinen Tisch hätte sitzen können und unter Deck war es eher klaustrophobisch eng. Da die Anmeldung beim Hafenmeister wahrscheinlich etwas länger dauern würde, HaHes Vater war ein notorischer Querulant, vertraten wir uns unter einem strahlend blauen, Möwen verziertem Himmel, die Beine im Jachthafen. Ständig liefen Schiffe ein und aus, immer unter den Argusaugen der anderen Segler und einmal gab es sogar Applaus für ein anlegendes Segelschiff. Ich erfuhr, dass die große Kunst darin bestehen würde, nicht mit Motorkraft, sondern mit der Kraft des Windes, unter Segeln anzulegen. Die meisten Segler beherrschten zwar den Kleiderkodex perfekt, aber diese Kunst nicht. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir eine Pause auf der Sonnenterrasse des Jachthafenlokals gemacht, um dort auf HaHes Vater zu warten, der immer noch im Clinch mit dem Hafenmeister lag und uns mit Fisch und Bratkartoffeln für die bevorstehende Reise gestärkt, aber weder HaHe noch sein Vater hatten auch nur den geringsten Sinn für solche Art von Komfort. Ganz im Gegensatz zu meinem Vater, der niemals eine Gelegenheit ausgelassen hätte, Essen zu gehen. Wahrscheinlich gab es kaum ein halbwegs akzeptables Restaurant zwischen Pinneberg und Husum, in dem er nicht schon mal gespeist hatte. Seine Tätigkeit als Verlagsleiter der regionalen Tageszeitung, führte ihn in sämtliche Kleinstädte der Region und war mit regelmäßigen Geschäftsessen verbunden. Am Wochenende kam die Familie dann in den Genuss seiner kulinarischen Kenntnisse und ob wir nun nach Büsum, Husum oder St. Peter Ording fuhren, der Besuch eines Lokals auf der Strecke, gehörte unabdingbar dazu. Am liebsten bestellte er sich ein Krabbenbrot mit frisch gepulten Krabben, flankiert von Spiegelei und Gürkchen. Seitdem ich mich im zarten Alter von vier Jahren, mit frisch von meiner Oma und meiner Mutter gepulten Krabben, komplett überfressen hatte und die kaum verdauten Krabben alle wieder ausgespien hatte, pflege ich ein recht distanziertes Verhältnis zu Krabben. Wo es frische Krabben gibt, gibt es eigentlich auch immer rote Grütze mit Vanillesoße und die gab es dann für mich.
Wahnsinn hat keine Methode.
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BRATEN SCHUTZ.
In der guten, alten Zeit konnte man ja noch so allerhand Dinge auf die lange Bank schieben und sichere Bänke gab es auch. Bankautomaten gibt es immer noch, aber die Bank hat mittlerweile komplett ausgedient, denn weder auf der Bank, noch in der Bank, ist es sicher. Ob Holzwürmer in der Holzklasse wirklich glücklich werden, ist hiermit nicht beantwortet und auf dem Holzweg kann man sich immer befinden. In der Holzklasse machen sie die Augen ganz fest zu und wer das kürzeste Streichholz zieht, muss Holz holen, denn des toten Manns Kiste ist aus Holz. Wo gehobelt wird fallen Späne und wo gesungen wird steigen Töne zum Himmel. Jeder Klang hat einen Körper und wo das Fass keinen Boden hat, fallen die Töne in die Unendlichkeit, oder springen durch den eisernen Fassreifen. So wird wer nicht Holzfäller werden will, Fassmacher oder Geigenbauer, lässt das Fass über laufen und hängt den Himmel zu, denn die Zeit ist sowieso nicht zu fassen.
Die misshandelten Kunstwerke wurden nach Itzehoe, in des führende Geschäft für Kunsthandwerk, Kunstgegenstände, antike Möbel und andere antike Einrichtungsgegenstände, antike Gläser, antikes Silber und antikes Porzellan gebracht. Ausgewählte, alte Schmuckstücke befanden sich ebenfalls im Angebot und Bilder, außerdem gehörte Bilderrahmung zum Service des Ladens. Selbstverständlich waren die Umgangsformen der Chefin und ihre Garderobe genauso nobel, wie ihre Waren und der Chef besaß den nötigen Kunstverstand. Er schätze die Bilder, restaurierte sie so gut es ging und rahmte sie neu. Meine Mutter liebte den Laden in der Breiten Straße und auch ich stöberte dort gerne herum, obwohl die meisten angebotenen Gegenstände viel zu teuer für mich waren. Während der Sprachferien in Brighton, die ich noch vor meiner Bekanntschaft mit HaHe gemacht hatte, entdeckte ich zu meiner großen Begeisterung, etliche solcher Läden, die nicht ganz so nobel zurecht gemacht waren und auch nicht so teuer. Die restaurierten Bilder wanderten zurück in HaHes Elternhaus und mittlerweile, zwar nicht von ihren Motiven, aber von ihrem materiellen Wert überzeugt, hängten HaHes Eltern sie auch dort auf. Der Schuppen diente aber nicht nur als Werkstatt, sondern auch als Winterquartier für das Segelboot von HaHes Vater. Es handelte sich dabei um das kleinste Modell eines Segelbootes mit geschlossener Kajüte, getauft auf den Namen Molch. Der Molch war die große Liebe von HaHes Vater und seine Mutter Erika hasste den Molch. Wenn HaHes Vater nicht an seinen Autos herum schraubte, widmete er seine gesamte Freizeit der Pflege des Molch. Sobald das Wetter es wieder zuließ, wurde der Molch auf einem Bootsanhänger nach Schleimünde an seinem Liegeplatz geschleppt und zusollte, für notwendig erachteten. Am imposantesten war der alkoholische Teil des Proviants. Gegen Mittag kamen wir in Kappeln an und beluden den Molch mit unseren Einkäufen. Wasser gelassen. Mittlerweile musste Erika nicht mehr an dieser Aktion teilnehmen, trotz all ihrer Differenzen, half HaHe seinem Vater tatkräftig bei der Wasserlassung des Molch, denn er segelte genauso leidenschaftlich gerne, wie sein Vater. Nachdem der Molch wieder Wasser unterm Kiel hatte, bahnte sich schon das nächste Drama an, die Planung und Gestaltung der Sommerferien, denn Erika hasste nicht nur den Molch, sondern auch Segeltouren. Letztendlich wäre es ihr aber niemals in den Sinn gekommen, einfach Nein zu sagen und sich der alljährlichen Segeltour im Sommer zu verweigern. HaHe nahm ihr die Bürde ab und bot seinem Vater, der uns ja auch großzügig das schwarzbunte Ufo überlassen hatte an, ihn auf seiner ersten Tour im Sommer zu begleiten und ich sollte mit kommen. Nicht nur Erika war glücklich, zu hause bleiben zu können, anstatt den Hilfsmatrosen spielen zu müssen, auch HaHes drei Geschwister freuten sich, nicht unterm Kommando des Kaptän vom Molch zu stehen. So richtig begeistert war ich nicht von der Vorstellung, mit HaHe und seinem Vater, in einer Nussschale mit Kajüte, von Schleimünde nach Dänemark rüber zu segeln, aber HaHe überzeugte mich. Wir starteten frühmorgens und kauften erst mal ordentlich Vorräte ein. Ich staunte nicht schlecht darüber, was für Mengen an fester und flüssiger Nahrung, HaHe und sein Vater für so einen Ostseetrip, der ja nicht länger als zwei Tage dauern sollte, für notwendig erachteten. Am imposantesten war der alkoholische Teil des Proviants. Gegen Mittag kamen wir in Kappeln an und beluden den Molch mit unseren Einkäufen.
Wer die Bohne nicht ehrt, ist der Banane nicht wert.
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FASEL CREM.
Was meine alte, meerumschlungene Heimat nun eingeführt hat, wünsche ich mir auch für mein Stadtviertel und alle anderen Amüsierviertel, eine Begrenzung der Besucherzahlen, damit die Clubsituation, am Strand auch Sardinenbüchse genannt, vermieden wird. Sinnvoll wäre für die gesamte Zeit der Coronabedrohung, sowieso eine starke Reduzierung des Städtetourismus. Warum nur ist der Drang, das Virus durch die Gegend zu tragen und möglichst dahin, wo es sich am effektivsten ausbreiten kann, nur so stark ausgeprägt. Mittlerweile drängt sich immer mehr der Verdacht auf, dass noch ein anderes, bisher unerkanntes Virus, mit schwer Intelligenz mindernder Wirkung, am Werk ist. So zerstören Masse und Mobilität, die großen Plagen unserer Zeit, denn uns und unsere Umwelt, vernichten die Artenvielfalt, fruchtbare Böden, sauberes Wasser und saubere Atemluft. Das weniger wirklich mehr ist, wird erst dann wahrgenommen werden, wenn wirklich alles weniger ist.
Nachdem HaHes Vater uns seinen ausrangierten und TÜV fälligen Ford Kombi überlassen hatte, machte HaHe sich im Schuppen ans Werk, um den Wagen nochmal über den TÜV zu bringen. In den bevorstehenden Sommerferien wollten wir dann mit dem Kombi nach Frankreich und Spanien reisen. Als erstes kümmerte HaHe sich um den nicht unwesentlichen Rostbefall an der Karosserie. Er der schliff den Rost so gut es ging weg und spachtelte, die mit brauner Rostfarbe behandelten Löcher wieder zu, was dazu führte, dass die Karosserie aussah, als wäre sie von einer schweren Hautkrankheit befallen worden, was nicht gerade Vertrauens erweckend aussah. Während HaHe sich, mit Unterstützung eines „Wie helfe ich mir selbst“, Ratgebers, um den Motor kümmerte, verhalf ich dem Kombi mit viel weißem Lack zu einem neuen Kleid, aber auch nachdem ich den ganzen Wagen lackiert hatte, schimmerten die verspachtelten Stellen immer noch deutlich durch. Das gefiel mir überhaupt nicht und ich ließ mich von den schwarzbunten Bewohnern der umliegenden Wiesen inspirieren und übermalte die verspachtelten Stellen großzügig im Stil ihrer Fellflecken mit schwarzem Lack. Das sah dann zwar nicht mehr so krank aus und entsprach dem psychedelisch angehauchtem Stil der Zeit, aber dafür war das Auto mindestens genauso auffällig, wie vorher mit der Rostkrankheit und sollte uns im Laufe der „Reise mit dem schwarzbunten Ufo“*, noch allerhand unerwünschte Aufmerksamkeit bescheren. Die Restaurierung des Motors erwies sich als ziemlich anspruchsvoll, HaHe musste die Kolbenringe auswechseln und nachdem ich mein Kunstwerk vollendet hatte, begann ich neugierig im Schuppen herum zu stöbern. Das Sammelsurium aus alten Möbeln, ausrangierten Küchengeräten, Motorenteilen, Werkzeugen, Schrauben jeder Größe, Schläuchen und allen möglichen anderen Ersatzteilen faszinierte mich. Der Schuppen war ziemlich groß, keineswegs vollständig beleuchtet und mit einer Taschenlampe bewaffnet, präsentierten sich mir im Lichtkegel der Lampe immer wieder neue Überraschungen. Irgendwann stieß ich auf einen ganzen Stapel alter Bilder, deren teilweise aufwendig verschnörkelte und vergoldete Rahmen mich interessierten. Immer sorgfältig darauf achtend, nicht mit einer Spinne zusammen zu stoßen, denn der Schuppen war auch ein wahres Spinnenparadies, schleppte ich die Bilder nach draußen. Zum größten Teil handelte es sich um Radierungen, die einsame Moorlandschaften zeigten, immer wieder Schafe, düstere Kanäle, ärmliche und schiefe Strohdachkaten, vom Wind gebeugte Bäume und Menschen. Einige Bilder waren während ihres Aufenthalts im Schuppen feucht geworden und hatten Wasserflecken. HaHes Eltern hatten nichts dagegen, dass ich die Bilder mitnahm, sie waren nicht im geringsten an dem alten Kram interessiert, der aus den enteigneten Villen des Großvaters stammte. Ich trocknete die Bilder ein paar Tage und bei näherem betrachten der Motive wurde ich stutzig, denn sie waren allesamt signiert und außerdem hatte ich schon ähnliche Werke im Haus meiner Tante Bärbel in Bremen gesehen, wobei es sich allerdings nicht um Originale, sondern Reproduktionen handelte. Tante Bärbel war glühender Fan, der gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts gegründeten Künstlerkolonie in Worpswede und hatte auch meine Mutter mit ihrer Begeisterung angesteckt. Wie sich dann herausstellte, handelte es sich bei meinen Funden tatsächlich um Originale aus Worpswede.
Wer glaubt wird selig und wer nicht glaubt bleibt gesund.
* Nachzulesen ab dem 21.09. 2013
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FEE PULT.
Das Abstand halten im Vergnügungsviertel ein Widerspruch in sich ist, kann ich seit der Lockerung der Corona Beschränkungen, jeden Tag wieder beobachten und es ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Letztendlich ist so ein Vergnügungsviertel auch nichts anderes, als ein gigantischer Club unter freiem Himmel. Folgerichtig müssten Vergnügungsviertel für die Dauer der Corona Krise eigentlich geschlossen werden, aber der Konflikt wird wie immer, zu Lasten der Wohnbevölkerung gelöst. Wer nach hause will, oder das Haus verlassen, wird gezwungen sich durch ein stehendes Festival zu kämpfen. Wo jedes Viertel seine eigenen Clubs und Kneipen, Bars und Diskotheken hat, wird so ein stehendes Festival vermieden, die Verdienstmöglichkeiten gleichmäßiger verteilt und die Wohnbevölkerung gerechter belastet. Weite Wege fallen weg und Infektionsketten werden überschaubar. Nicht nur regional kaufen, auch regional feiern, den regional ist das neue Öko.
Auch wenn er nicht so aussah, war Onkel Karl doch viel fürsorglicher, als Tante Frauke. Ihre Gäste überließ Tante Frauke größtenteils sich selbst, wenn sie nicht gerade dringend wieder zum Reiten musste, setzte sie sich auch dazu, aber damit hatte es sich dann schon. Es war Onkel Karl, der den Gästen Getränke anbot, in der Küche verschwand, Tee und Kaffee kochte, sich entschuldigte und zum Bäcker fuhr und Kuchen besorgte, wobei er sich nicht lumpen ließ. Zurück mit einem üppig beladenen Kuchentablett, umsorgte und unterhielt Onkel Karl die Gäste dann wieder und Tante Frauke verabschiedete sich und fuhr zu ihren Pferden. Das Geschäft mit den Ölöfen auf Rädern lief nach wie vor gut, nicht nur bei Oma Fanny in der Dürrstraße standen Onkel Karls rollende Öfen, auch bei meinen Großeltern in Wrohm. Die Öfen konnten dort eingesetzt werden, wo sie gerade benötigt wurden, Heizöl war billig und noch lange nicht jeder Haushalt, war mit einer Zentralheizung ausgestattet. Selbst im Haus von HaHes Eltern, in Lägerdorf am Rand der gewaltigen Kreidegruben, stieß ich noch auf einen von Onkel Karls rollenden Ölöfen und da war Onkel Karl schon seit einigen Jahren tot. Das alte Kreidefabrikantenhaus war ziemlich herunter gekommen, die meisten Zimmer wurden mit Öl und Kohleöfen beheizt, nur ein paar privilegierte Räume waren an eine Zentralheizung angeschlossen. Überall standen einstmals prächtige Intarsienmöbel, die grässlich misshandelt wurden, was man den Intarsien dann auch ansah. Auf dem großen, verwilderten Grundstück befand sich auch ein riesiger Schuppen, den HaHes Vater als Werkstatt und Garage für seine Autos nutzte. Er kaufte, obwohl er es wirklich nicht nötig hatte, prinzipiell nur ein bis zweijährige Gebrauchtwagen, weil er der Meinung war, dass Neuwagen viel zu teuer seien und nur einem Angeber Bedürfnis dienen würden. Das Preisleistungsverhältnis würde erst stimmen, wenn der Wagen nicht mehr ganz neu sei und der Preis entsprechend gefallen. Seine Fahrzeuge reparierte er zum Leidwesen seiner Frau Erika, die nach dem zweiten Kind ihre Karriere als Studienrätin am Gymnasium aufgegeben hatte, dann auch noch am liebsten selbst. Was Erika nun nicht mehr ihren Schülern angedeihen lassen konnte, ließ sie ihren vier Kindern zukommen, die gar nicht davon begeistert waren. Sie war der Schrecken aller Lehrer und Lehrerinnen an den Itzehoer Gymnasien und ganz besonders an der KKS. Im Schuppen wurden aber nicht nur Autos geparkt und repariert, der Schuppen war auch mit ausrangierten, alten Möbeln aus dem Bestand des Kreidefabrikanten voll gestellt. HaHes Großvater, ein sehr wohlhabender Tafelkreidefabrikant und Jurist, war von den Nationalsozialisten in großen Teilen enteignet worden und außerdem hatten sie die Tafelkreidefabrik lahm gelegt, indem sie die Arbeiter der Tafelkreidefabrik für andere, kriegswichtige Arbeiten abzogen. Auch die schönen Herrschaftsvillen in der Talstraße und am Breitenburgerweg, sowie Grundbesitz überall in der Stadt, hatten die Nazis enteignet. Das Haus an den Kreidegruben war keine Villa, sondern ein ehemaliges Verwalterhaus. Als der Krieg zu Ende war, erhielt der Großvater einen Teil seines geraubten Besitzes wieder zurück, darunter viele alte Möbel. Das Angebot der Alliierten, als Richter am Landgericht zu arbeiten, denn er gehörte zu den wenigen, unbelasteten Juristen, lehnte er allerdings, mit dem Argument, er hätte sich mittlerweile daran gewöhnt auszuschlafen, dankend ab. Die schönen, alten Möbel aber wurden im Schuppen feucht und verstaubten.
Auf den Punkt kann man kochen, aber nicht essen.
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SCHUMMEL BUCH.
Im Schulterblatt ist Corona Vergangenheit und deswegen Zukunft. Abstand wird nicht gehalten, auf dem Bürgersteig ein stehendes Festival und Müllberge. Die Tauben freut es, sie mussten lange genug darben und die Anwohner wurden sowieso schon seit längerem verraten und verkauft. Neu Rom ist ein Geschäftsmodell, das auf Umweltzerstörung basiert und gefeiert wird nicht für den Frieden, sondern für die Zerstörung der Artenvielfalt. Das alles mit dem unseligen und übermächtigen Walten der Hormone zu entschuldigen, erscheint mir selbst für junge Menschen etwas schäbig, auch wenn man nur einmal jung ist. Alt ist man im übrigen auch nur einmal und Alter schützt noch nicht mal vor Dummheit. Ob alte Schuhe wirklich alt machen, oder nur alt aussehen, kann hier nicht beantwortet werden, aber alter Käse schmeckt aromatischer, als junger Käse, selbst wenn das alles Käse ist.
Nachdem die Pferde versorgt waren, fuhren wir keineswegs zurück nach Niendorf, denn Tante Frauke hatte nicht vor zu kochen. Onkel Karl war klug genug, seine Frau mit solchen Ansinnen zu verschonen, er legt Wert auf gutes Essen in gepflegter Atmosphäre und ging deswegen meistens mit seinen Geschäftsfreunden essen und Tante Frauke ließ sich ebenfalls lieber bekochen. Zusammen mit zwei perfekt angezogenen Reiterinnen in Tante Fraukes Alter, gingen wir ins Vereinshaus des Reiterhofes. Das erste, was mir ins Auge fiel, war die Wand mit den Turnierschleifen. Ein paar davon hatte ich schon in Cousine Karins Zimmer gesehen, aber das waren Peanuts, gegen diese Wand voller bunter Turnierschleifen. Cousine Karin hatte mir die Bedeutung der Farben erklärt, Blau für den ersten Platz, Rot für den zweiten Platz Gelb für den dritten Platz, Weiß für den vierten Platz, Rosa für den fünften Platz, Grün für den sechsten Platz, Lila für den siebenten Platz; Braun für den achten Platz, Dunkelgrün für den neunten Platz und Hellblau für den zehnten Platz. Abgesehen von den drei ersten Schleifen, in Blau, Rot und Gelb, dienten die anderen Schleifen eigentlich nur der Dokumentation über die Teilnahme an einem Turnier. Die Wand im Vereinshaus wurde von blauen und roten Schleifen dominiert, dazwischen ein bisschen Gelb. Tante Frauke und ihre Freundinnen bestellten sich als erstes Martinis mit einer Olive im Glas, Cousine Karin bekam eine große, eisgekühlte Coca Cola und ich Orangensaft. Es gab Salat und zu meiner Begeisterung Königinnenpastete, Höhepunkt der Einkaufstouren mit meiner Mutter nach Hamburg. Hochbeladen mit Tüten landeten irgendwann am Nachmittag in Alsterpavillon und dort gab es nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch Königinnenpastete. Wenn alles gut ging, gab es nach der Königinnenpastete noch ein Eis und keineswegs etwa den drei Kugel Standard aus Vanille, Erdbeere und Schokolade mit mit Waffel und Sahne. Im Alsterpavillon wurden die ersten Banana Splits serviert, Höhepunkte der Exotik. Mir reichte aber auch die ganz normale drei Kugel, Vanille, Erdbeere und Schokolade Version mit Sahne und die gab es auch im Vereinshaus des Reiterhofes. Tante Frauke und ihre Freundinnen waren sehr beschäftigt, denn in zwei Wochen sollte der alljährliche Reiterball statt finden. Tante Frauke war Vorsitzende des Organisationskomitee und nachdem sich auch noch zwei Reitlehrer mit an unseren Tisch gesetzt hatten, liefen Tante Frauke und ihre Freundinnen zu Hochform auf. Am Tisch wurde die nächste Runde Martins serviert. Tante Frauke war tausendmal freundlicher und charmanter, als ich sie je erbebt hatte und sie lachte über die Witze der Reitlehrer. Ich fühlte ich mich ziemlich überflüssig, Cousine Karin ging es genauso und wir verabschiedeten uns vom Tisch, ohne das es irgendwie aufgefallen wäre. Zurück im Stall machten wir es uns bei Karins Pferd in der Box gemütlich und mehrere Stallkatzen leistete uns Gesellschaft. Pferde sind ganz wunderbar warm und groß und nicht nur Katzen lieben das. Außer zum Zerfetzen, sind Turnierschleifen Katzen auch total egal und Cousine Karin erzählte mir, dass ihre Mutter alle Turnierschleifen, die sie nach Hause gebracht hatte und die nicht Blau, Rot oder Gelb waren, sofort vernichtet hatte. Als Tante Frauke uns aus der Box holte, war es schon lange dunkel geworden. Bevor wir ins Bett gingen kochte Onkel Karl uns noch einen Kakao.
Der Zwerg ruft.
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