RETTICH HÄNDLER.
Trotzdem die Fastenzeit nun bald zu Ende geht, es naht die Verkündung der frohen Botschaft, herrscht anscheinend nicht nur Fastenzeit in der Börse, sondern auch an der Börse. Börsengurus wiederholen ihre Mantras und wer kein Geld mehr im Portemonnaie hat, hat vielleicht noch ein Guthaben auf dem Smartphone. Smart soll es ja sowieso zugehen im Smart Home, beim Haushaltsstrom und beim Industriestrom, der üppig subventioniert wird und immer noch zahlt, wer mehr verbraucht, für die Kilowattstunde Strom und den Kubikmeter Gas, weniger als die Sparsamen. Sparfüchse suchen sich ein neues Biotop und Sparschweine wussten schon immer, dass nur Bares Wahres ist. Sparbücher helfen auch nicht weiter, ihr Appetit ist unstillbar geworden und Lieferschwierigkeiten machen den Smarties schwer zu schaffen. Wie Insider wissen, kann man selbst mit vielen, vielen, bunten Smarties keine Kryptopokemon fangen, aber mit Kryptogeld kann man ganz wunderbar Anleger und Anlegerinnen fangen. Richtig durchblicken tut kaum jemand, außer natürlich Elon Musk, denn die ganze Angelegenheit ist mindestens so kryptisch, wie sie heißt. So ist Nomen denn immer Omen, außer natürlich Elon Musk, der ist was er ist. Zurück aus der Stratosphäre der Möglichkeiten, bleibt erst mal nur einfach weiter machen, denn weiter sollte es schon gehen. Dafür kann man sogar weiter gehen, als bisher gedacht und die Energieerzeugung verstaatlichen. In den modernen Gesellschaften ist Energie ein Gut von hoher Wichtigkeit, zu dem alle Mitglieder der Gesellschaft Zugang haben müssen und deswegen sollte ihre Erzeugung und Verteilung in der Hand der Allgemeinheit liegen. Nicht der Gewinn steht an erster Stelle, an erster Stelle steht die Energiesicherheit und solange die nicht gewährleistet ist, gibt es nichts zu gewinnen.
Einfühlsam tröstete HaHe Moni, fuhr sie nach Hause und nutzte die Situation nicht aus. Ab und an meldete der Portugiese sich bei Moni, erst aus Portugal, dann aus Italien, dann wieder aus Portugal und dann aus Paris. Anscheinend kam er ganz schön rum und angeblich war er dabei Geld für seine und Monis Zukunft zu organisieren. Ich glaubte kein Wort davon. HaHe lief mit Moni um die Alster, er ging mit ihr Kaffee trinken, führte lange, nächtliche Telefonate mit ihr, wenn sie nicht gerade auf einen Anruf des Portugiesen wartete und immer wieder saß Moni bei uns am Tisch in der Küche und redete über den abwesenden Portugiesen, als könnte sie ihn herbei reden, bis HaHe sie zurück nach Eppendorf fuhr. Als HaHe eines Tages erst am späten Vormittag wieder im Schulterblatt auftauchte, war klar, dass er Moni diesmal wohl recht umfassend getröstet hatte, aber die Tröstungsaktion ging voll nach hinten los, Moni hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen und HaHe wurde die Angelegenheit langsam zu anstrengend. Als der Portugiese dann endlich in Hamburg auftauchte, schwebte Moni im siebenten Himmel und HaHe war froh, dass Moni nicht mehr getröstet werden musste, weder über die Abwesenheit des Portugiesen, noch über ihre eigene Untreue. Als ich Moni gefragt hatte, ob sie sich denn sicher sei, dass der Portugiese ihr treu sei, reagierte Moni völlig empört und wir hätten uns fast ernsthaft gestritten. Ich hätte mich allerdings nicht gewundert, wenn der Kerl vor seinen Unterhaltspflichten, oder anderweitigen Zahlungsverpflichtungen geflüchtet wäre, aber über diese Vermutungen hielt ich lieber die Klappe. Ein paar Tage lang hörten wir nichts von Moni, aber dann meldete sie sich bei uns und schlug vor gemeinsam im O-Feuer essen zu gehen, fast wie in Griechenland. Mit Müh und Not ergatterten wir vier Plätze, hinten im Schlauch, an einem der beiden langen Tische und wie in Griechenland gab es erst mal Ouzo vorweg. Ab einem viertel Liter wurde der Ouzo im O-Feuer originalgetreu in bunten Kannen aus Aluminium serviert und wir stießen an, auf Agia Ana, auf Mikis, Ian und den Ouzo Hippie und natürlich auf Moni und den Portugiesen, aber die Stimmung war nicht im entferntesten so entspannt wie in Agia Ana. Glücklicherweise boten die, mit den Plakaten musikalischer Größen tapezierten Wände des Schlauches, erst mal genug unverfänglichen Gesprächsstoff, bis das Essen kam. Bei Tzaziki, Souvlaki, Gyros, Salat und Brot, erfuhren wir dann endlich, wie der Portugiese sich seine und Monis Zukunft vorstellte.
Wer Energie sparen will, hält den Ball flach.
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MATSCH SCHEIBE.
Es ist ein Paradox, der Stadtteil in dem ich wohne, gehört zu denen mit einem sehr hohen Anteil grüner Wählerschaft, aber trotzdem sind die acht Parteien, des weit über hundert Jahre alten Hauses, nicht in der Lage oder Willens, ihren Müll halbwegs richtig zu trennen. Komplett versagt wird vor der komplexen Aufgabe, einen etwas größeren Pappkarton so zusammen zu falten, dass er Platz sparend in der Papiertonne entsorgt werden kann. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Verwandten des Paradox, das etliche Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Freitagsdemonstrationen für die Zukunft daran hindert, auf Flüge und die Benutzung privater Automobile zu verzichten. Um zu erkennen, dass das so alles nichts werden kann, braucht man keinen Hochschulabschluss, ein Quentchen Logik reicht völlig aus. Woher nur ist die wahnwitzige Idee gekommen, dass Verzicht nur für die anderen ist. Wahrscheinlich will deswegen kaum noch jemand anders sein oder aus der Reihe tanzen, beim Schuhwerk ist es besonders deutlich, weiße Turnschuhe dominieren den Bürgersteig. Die Diagnose, selbst schuld zu sein, rangiert unter Missbrauch und wird umgehend gecancelt, denn Schuld können nur die anderen sein. Wahre Artisten wechseln den Kanal, sobald er zu voll ist und machen ihr eigenes Programm, aber impertinente Störprogramme, bahnen sich immer wieder ihren Weg in die Wahrnehmung. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass nur Bares Wahres ist, mittlerweile ergänzt durch Kryptogeld, aber zu diesem Wunderding haben noch weniger Menschen Zugang, als zu Bargeld. Wenn das alles zu viel wird, hält sich an die legendären „Doors“, deren legendärer Sänger ganz bestimmt anders war und macht sich schleunigst auf den Weg zur nächsten Bar, es muss auch nicht immer Whiskey sein.
Am liebsten hätte ich weiter und immer weiter, am Strand von Agia Ana verweilt, aber irgendwann waren die Semesterferien zu Ende und wir mussten zurück. In Hamburg sahen wir Moni wieder und erfuhren als erstes, dass der Portugiese sie bald besuchen würde. Zu HaHes großem Missfallen, war Moni immer noch total verliebt. Die Zimmer ihrer Wohngemeinschaft in Eppendorf, waren im Schnitt doppelt so groß, wie die Zimmer unserer Räumlichkeiten am Schulterblatt. An den hohen Decken wucherte prächtiger Stuck, die Heizkörper waren dekorativ mit Holz verkleidet und der Fußboden bestand nicht aus Holzbohlen, sondern aus Parkett. Monis Mitbewohner waren entweder betuchte Studenten oder schon berufstätig, wie Moni auch. Die Mitteilung, dass Moni demnächst ihren neuen Freund aus Portugal aufnehmen würde, hatte in ihrer Wohngemeinschaft keine Begeisterungsstürme ausgelöst und Moni spielte mit dem Gedanken, sich eine eigene Wohnung zu suchen. HaHe gefiel die Idee auch nicht, aber nicht weil er etwas dagegen gehabt hätte, dass der Portugiese mit in Monis Zimmer zog, ihm gefiel der Portugiese nicht und außerdem hatte er immer noch Interesse an Moni, schließlich führten wir ja eine offene Beziehung. Das Moni sich in ihrer Wohngemeinschaft nicht mehr richtig wohlfühlte, konnte ich gut verstehen, die grundsätzlich ablehnende Haltung eines längeren Besuchs, zumal es sich auch noch, zumindest für Moni, um ihre große Liebe handelte, fand ich ein bisschen kleinlich, obwohl mich längere Aufenthalte, der Liebschaften meiner Mitbewohner und Mitbewohnerinnen, schon mächtig genervt hatten. Andererseits wohnte Moni in einem wunderbaren Zimmer, kostengünstig, sehr zentral und in einer angenehmen Gegend, deswegen riet ich ihr erst mal abzuwarten und zu schauen, wie sich die Dinge entwickeln würden, wenn der Portugiese in Hamburg angekommen wäre. Da ich den Portugiesen genauso wenig mochte wie HaHe, hoffte ich, dass er sich in der Kulisse einer großen Stadt nicht mehr so faszinierend präsentieren würde, wie am Strand von Agia Ana. Der Portugiese ließ auf sich warten, Moni kam zum Essen in unsere Wohngemeinschaft und weinte sich aus. Sie träumte von einem neuen Leben an der Seite des Portugiesen, abenteuerlich und ganz anders als ihr bisheriges Leben.
Verantwortung trägt nicht, man muss sie tragen.
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WAHN HOF.
Von unseren Führungskräften erwarte ich Besonnenheit und Vernunft und nicht aufpeitschende Rhetorik. Theaterdonner und Formulierungen wie, bis zum letzten Blutstropfen oder bis zum letzten Mann, sollen grundsätzlich vermieden werden, denn sie sind dem Frieden nicht dienlich und machen alles nur noch schwieriger. Es ist ja schon schlimm genug, dass wir das Klima unseres Heimatplaneten gefährlich aufgeheizt haben, mit dem gesellschaftlichen Klima müssen wir das nun nicht auch noch tun. Vorschnelle und meistens unbewiesene Beschuldigungen, sollten ebenfalls vermieden werden, denn sie schüren nur den Hass, der auch nichts besser macht und Mütter, für die angeblichen Taten ihrer Kinder, zu verdammen, gehört nun wirklich in die Mottenkiste Blut und Boden behafteter Nationalstaatlichkeit. Zurück zur Sippenhaft und zur Blutrache wollen wir nicht, wir wollen Frieden und nicht noch mehr gewalttätige Auseinandersetzungen und wie wir helfen, bestimmen wir hoffentlich selbst. Die Wurzeln der Konflikte im Osten, reichen weit in die Vergangenheit zurück und werden nicht dadurch behoben, dass immer mehr Länder in diese Konflikte hinein gezogen werden. Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte, unser Wirtschaftssystem zu ruinieren, kann auch nicht der Weg sein, denn was wir nicht kaufen, kaufen dann andere, die die ganze Angelegenheit völlig anders sehen. Die allgemein grassierende Eindimensionalität der Ansichten führte dazu, dass etwas sehr wichtiges in Vergessenheit geriet, insbesondere Konflikte haben meistens weit mehr als zwei Seiten und jede Seite fühlt sich im Recht. Frieden ist immer ein Kompromiss und ohne Kompromisse wird es keinen Frieden geben.
Friedlich plätscherte das Meer an den Strand, auf Mikis Terrasse wartete der Ouzo Hippie auf meine Rückkehr an den Kartentisch, denn das war Blatt unvollständig geblieben, die beiden letzten Karten des keltischen Kreuz fehlten noch. Mit hoch erhobenen Gläsern tanzten die verbliebenen Gäste und machten der Herz Drei alle Ehre, wenn auch nicht annähernd so graziös, wie auf der Abbildung. Moni tanzte enthusiastisch mit, HaHe und der Portugiese schauten nicht mehr ganz so begeistert aus der Wäsche und Ian grinste mich an. Bevor er die Karten nochmal mischte, stärkte der Ouzo Hippie sich mit einem weiteren Ouzo und dann fächerte er das Blatt vor mir auf dem Tisch aus und ich zog die Vier der Stäbe aus dem Halbrund. Auf der Abbildung wird zwar nicht mit hoch erhobenen Tassen getanzt, aber dafür winkt ein Pärchen, mit hoch erhobenen Blumensträußen. Sie stehen auf einer Mauer, unter einer Blumengirlande, die von vier Stäben gehalten wird, im Hintergrund wird vor der Kulisse einer mittelalterlichen Stadtanlage getanzt. Schon wieder eine Party, auf dem Tisch und um mich herum. Da das meiste zu diesem Thema schon gesagt worden war, zog ich schnell die letzte Karte und es war der Stern, die Siebzehn der großen Arkana. Das gefiel mir wirklich gut, denn ich bin an einem siebzehnten Tag des Monat März geboren worden. Für die Interpretation der Karte war das zwar nicht weiter wichtig, aber ich fand es passend. Das Bild mit der nackten Frau, die mit einem Bein im Wasser steht und mit dem anderen am Land, bildete einen schönen Abschluss für das keltische Kreuz. Ein großer, achtzackiger Stern, der von acht kleinen, achtzackigen Sternen flankiert wird, schwebt über dem Kopf der Frau, die in jeder Hand einen Krug mit Wasser hält. Das Wasser fließt aus den Krügen ins Wasser und auf das Land und es sieht so aus, als wenn es ewig fließen würde. Im Hintergrund sitzt ein Vogel mit erhobenen Flügeln auf einem Baum und das Land ist grün. Keine Party ohne Kater, zu guter Letzt entdeckte der Ouzo Hippie dann doch noch einen kleinen Mangel in meinem Blatt, das keine einzige Karte der Münzen enthielt. Die Münzen entsprechen den Pik Karten eines normalen Kartenspiels und im Tarot symbolisieren sie die Erde, das Materielle, sind sie das, was sie sind, Münzen, Spielgeld.
Über Stock und Stein fliegen Stockenten.
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WÜRGER WEHR.
Da in der Ruhe ja nun die Kraft liegen soll, wünsche ich mir eine etwas maßvollere Berichterstattung. Ständige Forderungen nach Sanktionen machen die Sache nicht besser und schaden der Sache wahrscheinlich mehr, als das sie ihr nützen. So vergiftet die hochtourige Hysterie der sozialen Medien jede vernünftige Diskussion und wirklich verifizierte Fakten werden zur Mangelware. Energie ist ein Mittel zum Zweck und um so schnell wie möglich Energieautarkie zu erreichen, werden wir noch ganz viel Energie brauchen. Schaden und Nutzen eines Heilmittels müssen immer gegeneinander abgewogen werden und ohne Energie kommen wir nun mal nicht zur Energieautonomie. Sparen ist ja schön und gut, beim Geld mittlerweile allerdings komplett sinnlos geworden und mit Energie sparen kommen wir auch ganz bestimmt nicht zu mehr erneuerbarer Energie. Mindestens genauso hinderlich wie die Hysterie der sozialen Medien, ist die bis ins kleinste durchorganisierte Bürokratie unseres Beamtenstaates, die schnelles und effizientes Handeln fast unmöglich macht. Windräder müssen nicht zwingend gigantisch sein, auch kleine und ganz kleine erzeugen Energie, die dann anderwo eingespart werden kann. Gebt den genialen Bastlern endlich mehr Freiraum, damit kreative Energie für mehr Energie sorgt. Schon vor über dreißig Jahren erzeugte einer meiner handwerklich begabteren Freunde, den Strom für den Fernseher in seinem Wohnmobil, mit einem winzig kleinen Windrad, wie man sie auf dem Jahrmarkt kaufen kann. Wer mit dem Wind segelt kann nur gewinnen, denn lang vergangen sind die Zeiten, als der Strom einfach aus der Dose kam. Wind und Wassermühlen, angetrieben von Energie, die nicht erst aus der Dose kommen muss. Energieautarkie nicht nur für Staaten, sondern auch für Dörfer und Städte, für Häuser, Werkstätten und Fabriken, denn Dezentralisierung stärkt die Autonomie und wer mit dem Strom und nicht dagegen schwimmen will, holt die Energie da ab, wo sie ist.
Meine Stiefmutter stand wenige Wochen vor ihrer Niederkunft und ihr gigantischer Bauch stand ihr schon mächtig im Wege, als sie von einem unwiderstehlichen Putzwahn befallen wurde. Sie und unsere Reinmachefrau kehrten im gesamten Haus das Unterste zu Oberst und ganz zum Schluss wanden sie sich dem Wohnzimmer zu, denn im Wohnzimmer waren die besonders Schmutz intensiven Papageien meines Vaters untergebracht. Lora, der bunte, langschwänzige und sprachbegabte Ara, hockte brav auf der Stange, seines extra großen, extra stabilen Käfigs, aber Edgar der Dritte, ein zart rosa gefärbter, sehr schmusiger, riesiger Molukkenkakadu, saß unangekettet auf seiner Vogelstange. Edgar der Dritte hatte sich nicht einknasten lassen, er hatte alle seine Käfige zerstört und die Kette, mit der er an die Vogelstange gekettet worden war, hatte er am Karabinerhaken durch gebissen. Um das Wohnzimmer gründlich zu säubern, mussten die Papageien evakuiert werden. Die Perle trug Lora im Käfig nach oben ins Gästezimmer und meine Stiefmutter griff sich die Vogelstange mit Edgar dem Dritten. Auf halber Höhe der Treppe kam ihnen die Miezi, meine Katze entgegen. Zuerst erstarrte die Miezi, dann Edgar der Dritte und dann meine hochschwangere Stiefmutter. Die Miezi duckte sich und fing leise an zu zischen, Edgar der Dritte hüpfte von der Vogelstange, direkt vor die samtweichen Pfoten der Miezi, stellte seine Kopffedern hoch und begann ebenfalls leise zu zischen. Schlagartig erwachte meine Stiefmutter aus ihrer Schockstarre, setzte die Vogelstange ab und griff beherzt nach Edgar dem Dritten, um ihn vor den Avancen der Miezi zu retten. Seiner Freiheit beraubt, kreischte der Papagei gellend und biss völlig panisch, bis auf den Knochen des Zeigefingers meiner Stiefmutter. Vom Schmerz überwältigt ließ meine Stiefmutter Edgar den Dritten fallen, er purzelte die halbe Treppe hinunter und fiel in den antiken Schirmständer am Fuß der Treppe. Als meine Stiefmutter, mit heftig blutendem Zeigefinger die Treppe hinunter gewankt war, hatte Edgar der Dritte sich schon aus den antiken Schirmständer befreit und kletterte die Treppe wieder hoch, an deren oberen Ende immer noch die Miezi saß und von dieser Seite des Szenarios betrat nun auch unsere Perle die Stätte der Handlung. Sie hatte Lora im Gästezimmer abgesetzt und war alarmiert durch die Schreie meiner Stiefmutter herbei geeilt. Die Miezi hatte mittlerweile ihre Position am oberen Treppenabsatz aufgegeben und sich auf samtweichen Pfoten, an Edgar den Dritten heran gepirscht, der ihr völlig unbeirrt auf der Treppe entgegen kletterte. Beherzt sprintete die Perle die Treppe hinunter und packte Edgar den Dritten, um ihn abermals vor der Miezi zu retten. Schon wieder seiner Freiheit beraubt, biss der Papagei hysterisch kreischend zu und die ebenfalls schmerzhaft am Zeigefinger verwundete Perle, ließ ihn abrupt fallen. Edgar der Dritte purzelte zurück in den antiken Schirmständer an Fuß der Treppe und die Perle schloss sich, mit blutendem Zeigefinger, meiner Stiefmutter an. Die Beiden leckten ihre Wunden. Wer meinen Vater informierte weiß ich nicht mehr, er kam sehr schnell aus der Firma herbei geeilt und fuhr mit den Frauen zum Arzt, wo ihre Finger verbunden wurden und sie eine Tetanusspritze bekamen. Seltsamerweise befreite Edgar der Dritte sich ganz allein aus dem antiken Schirmständer, kletterte nochmal die Treppe hoch und fand selbstständig im Gästezimmer seine Vogelstange, auf der wir ihn dann, wie immer unangekettet und völlig unversehrt entdeckten. Die Miezi schlief derweil schon lange selig schnurrend in ihrem Katzenkorb, sie war ja nicht ganz blöd.
Lieber stiften, als stiften gehen.
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ZWERG RETTER.
Das die Macht mit dir oder mir oder sonst wem sein möge, ist nun doch ein bisschen überholt, denn die Macht hat mittlerweile ein gewaltiges Imageproblem. Da ist die Macht des Geldes, die es bisher nicht geschafft hat, die Welt auch nur geringfügig besser zu machen, ganz im Gegenteil, die Regentschaft des Geldes zerstört die Welt und dann ist da noch die Macht des Stärkeren. Nicht weniger destruktiv, als die Macht des Geldes, bahnt die, vor allem militärische Macht des Stärkeren, sich ihren Weg und zieht eine Schneise brutaler Vernichtung hinter sich her. Dieser völlig unsinnige Krieg entzieht sich jeder vernünftigen Betrachtung, denn er macht nichts besser, sondern alles schlechter. Mal ganz abgesehen davon, wie es weiter gehen wird, die Klimakatastrophe lässt sich davon nicht beeindrucken und findet sowieso statt. Medial komplett überfordert, von Nachrichten im Sekundentakt, driften immer mehr Bewohner und Bewohnerinnen unseres Planeten in Nischenprogramme ab. Nun kann so eine ökologische Nische ja durchaus ein Treffer im Evolutionsprogramm sein, im gesellschaftlichen Konsens wirken ideologische Nischenprogramme allerdings eher zersetzend. An die zweihundert Millionen Jahre, waren Dinosaurier die dominierende Lebensform auf unserem Heimatplaneten, aber unsereinen hat es in weniger als zweihunderttausend Jahren geschafft, dass blaue Juwel zu ruinieren. Wer hat sich das ausgedacht und wie finden wir aus dieser Sackgasse wieder heraus. Es ist ein Traum und solange wir nicht gemeinsam träumen, sind wir zum Untergang verurteilt. Das soll aber nicht heißen, dass kleinkariert besser ist als großkariert, wahrscheinlich ist das alles noch karierter, als Kraut und Rüben und von Kraut Rock und Krautwickeln schweigen wir an dieser Stelle lieber. So gehört die Zukunft denn dem Gemüse, den Blumen, den Gräsern, der Sonne, dem Wind und den Träumen und nicht der Macht.
Eigentlich war es alles ganz einfach, es ging nur darum die Schwäche, der zu erobernden Person zu erkennen, diese Lücke zu füllen und zum Ziel zu kommen. Romantisch war das gar nicht und darum gefiel es mir nicht. Ich fand Tillmann viel zu alt, aber trotzdem anziehend, denn er war intelligent und unterhaltsam und mit seinem braun gebrannten, völlig durch trainierten Körper, mindestens so perfekt, wie der Gott Apollon. Die Karten waren nur Mittel zum Zweck, bevor er die Karten anschaute, schaute Tillmann sich an, wer den Rat der Karten hören wollte und das war ein überwiegend weibliches Publikum. Frauen, die noch etwas anderes vom Leben wollten, als beruflichen Erfolg, Kinder und einen netten Ehemann und Tillmann erzählte ihnen, was sie hören wollten, denn die Karten lügen nicht. Aber dann wendete sich das Blatt und aus Eindimensionalität wurde Zweidimensionalität und die Karten entwickelten ein unvorhergesehenes Eigenleben. Tillmann wusste das und machte eine Volte. Er erzählte mir, wie er als Kunststudent mit Anfang Zwanzig, in Wien angekommen war und dann doch nicht angekommen. Wie er sich nicht nur arm, sondern auch hässlich gefühlt hatte und wie er diesen unakzeptablen Zustand überwand. Er verbarg seinen Körper, zu dem er ein sehr zwiespältiges Verhältnis hatte, nicht mehr, ging ins Fitnessstudio, damals noch Muckibude genannt und in die Badeanstalt und mutierte langsam aber sicher, zu einem braun gebrannten Adonis. Dann musste er auch gar nicht mehr verklemmt sein, oder ein Loser, denn die Herzen der Frauen flogen ihm zu. Sie wollten explizit ihn, körperlich und geistig. Er ging nicht immer gut damit um, aber es trieb ihn um und letztendlich war ihm seine Anziehungskraft, im Laufe der Jahre, schon ein bisschen suspekt geworden. Die schlichte Erkenntnis, dass er den Frauen zwar gab, was sie von ihm erwarteten, aber dann doch nicht, machte ihn schon lange schwer zu schaffen, er wollte mehr und dieses mehr war schwer zu greifen. All die schönen Frauen, mit ihren perfekten Körpern, ihrem Charme, ihrer sprühenden Intelligenz, waren letztendlich auch nicht amüsanter als France, mit ihrer, von vier Geburten und hartem, körperlichen Einsatz, total demolierten Figur, aber mit France war er total vertraut.
Was man in der Börse hat, ist nicht was man an der Börse hat.
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