BIBEL SALAT.
Das Wochenende naht und mit ihm die spanende Frage, ob es gut gehen wird oder nicht. Die Seuche ist wieder auf dem Vormarsch und leider hat die Vernunft immer noch nicht gesiegt. Es geht nicht nur um den Kampf gegen überflüssige Pfunde, vielmehr noch geht es um den Kampf gegen überholte Verhaltensweisen und die sind völlig altersunabhängig. Wahrscheinlich hat ein großer Teil der empörten Jungmenschen schon erheblich viel mehr Flugmeilen angehäuft und damit reichlich Schaden an der Atmosphäre verursacht, als etliche, bitterarme Rentner, die ihr gesamtes Arbeitsleben hart ran geklotzt sind und auch noch Steuern bezahlt haben. Das nennt sich dann ganz frech Generationengerechtigkeit und ist leider überhaupt nicht gerecht. Dummerweise geht es in der Demokratie ohne Gerechtigkeit und dünne Beine, auf die Dauer nicht und wer Diktator werden will, sucht sich besser eine Diktatur, oder gründet eine Ratingagentur.
Es gab keinen Schrank in der Wohnung, egal wie hoch, auf dem Fidel nicht gesessen hätte und selbst die Gastherme in der Küche, mit ihrem höchstens zwei Zentimeter breiten, oberen Rand, war nicht sicher vor ihm. Er liebte es seine Spring und Kletterkünste, dem staunenden Publikum vorzuführen und wenn wir mit unseren Gästen in der Küche saßen, ließ er nichts unversucht, oben auf die Gastherme zu springen. Ich schätzte das nicht besonders und saß deswegen oft auf der Arbeitsfläche unterhalb der Therme, um Fidels artistische Einlagen zu verhindern, was er mit lautstarken Missfallens Kundgebungen kommentierte. Karl war viel fauler, aber wenn Fidel es in meinem Zimmer all zu wild trieb und oben auf den Schränken herum hüpfte, kam Karl irgendwann hinterher und dämpfte Fidel ein wenig in seinem Übermut. Das Sicherungsnetz auf dem Balkon, dass wir wohl weißlich, ohne eine Lücke zu lassen, am Balkon der Nachbarn über uns befestigt hatten, erklomm Fidel fast bis nach ganz oben, aber das Netz erwies sich als außerordentlich stabil und hielt Fidels Attacken ohne weiteres stand. Außer für Butter, die dann immer mit sehr schön geriffelter Oberfläche zurück blieb, interessierten sich weder Karl noch Fidel für essbare Dinge, die auf dem Tisch standen, mit einer einzigen Ausnahme, Kuchen aus dem „Cafe Stenzel“. Wann immer irgendjemand Kuchen von Stenzel mitbrachte, standen beide Kater nach kürzester Zeit auf der Matte und machten so richtig Alarm. Es war ein bisschen bizarr, denn wirklich essen taten sie den Kuchen nicht, aber die Show ging weiter. Ich habe mich immer gefragt, was für Lockstoffe sie bei Stenzel wohl in den Teig gegeben haben, lange war Vanille mein Favorit, manche Katzen sind ganz verrückt danach und einmal erwischte ich Fidel auch dabei, wie er die Reste des Vanillejoghurts aus einem Schälchen auf meinem Schreibtisch leckte, aber wirklich dahinter gekommen bin ich nicht. Jeder Besuch beim Tierarzt gestaltete sich dramatisch, Fidel schrie wie am Spieß und wütete in seinem Katzentransportkorb herum, einmal brach er sogar die Tür des Transportkorbs aus ihrer Verankerung, was glücklicherweise noch in der Wohnung passierte. Während Fidel wie ein Irrer tobte, saß Karl still in seinem Transportkorb und ließ nur ab und an ein abgrundtiefes Mioooh aus den Tiefen seines Inneren an die Oberfläche steigen. Sobald wir dann allerdings die Tierarzt Praxis betraten, gab Fidel keinen Ton mehr von sich und im Behandlungszimmer wollte er den, sonst so verhassten Korb auch nicht mehr verlassen. Im Gegensatz dazu, besann sich Karl recht schnell auf seine Chefrolle und knurrte die Tierärztin an. Er war dann gar nicht mehr lieb. Als wir wegen einer sehr großen Baustelle länger als gewöhnlich, nach einem Parkplatz bei der Tierarztpraxis suchen mussten, hatte Karl eine riesige Schaumblase vorm Mund. Danach ließen wir uns nur noch mit einem Taxis zur Tierarztpraxis fahren, aber irgendwann war es dann unmöglich, Fidel einzufangen und in seinem Transportkorb zu verstauen, denn sobald er den Transportkorb sah, haute er blitzschnell ab und versteckte sich. Es half auch nicht, dass ich den Korb wie ein ständiges Möbelstück in meinem Zimmer unterbrachte, Fidel roch den Braten immer und ließ sich nicht täuschen. Wir baten die Tierärztin um einen Hausbesuch und Karl wurde ordnungsgemäß auf dem großen Esstisch geimpft, aber Fidel, der sich unter Hasy Bett versteckt hatte, erhielt seine Spritze, nachdem wir die Matratze zur Seite geschoben hatten, durch das Lattenrost des Bettes.
Lieber in Schale werfen, als aus der Rolle fallen.
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ZORN BLUMEN.
Kleine Fluchten gibt es nicht mehr, sondern nur noch große Lügen und selbst die geraten mittlerweile immer mehr in die Defensive. Auch wenn der Himmel niemanden mehr auf den Kopf fallen wird, fallen doch allerhand liebgewonnene Annahmen einfach in sich zusammen. Wer wirklich weiter kommen will, steht zusammen und stellt keine dummen Fragen nach dem wieso und warum. Wirkliche Reisefreiheit gibt es sowieso nur für wirklich reiche Menschen und wer das nicht begreifen will, geht in Quarantäne, aber wer weinen will findet immer eine Grund und wer lachen will bleibt gesund. Die Welt ist sowieso nicht heil und wer das Heil suchen will, geht besser ins Kloster oder den Ashram, oder auf eine Insel am Ende der Welt. Wahre Weltenbummler schauen ganz entspannt auf die Weltkarte der wundersamen Warenströme und schwimmen auf keinen Fall mit, denn Kreide muss man nicht fressen, weil sie nicht schmeckt. Der Kreide folgte das Unglück, das bis heute die Welt zerstört.
Karl war der kleinste vom Wurf und der einzige mit deutlich erkennbarem Langhaareinschlag. Natürlich entschieden wir uns für Karl und für ein weiteres schwarzes Katerchen, das wir Fidel nannten. Als die Katzenkinder dann zwölf Wochen alt waren, besuchten wir Frankie wieder, diesmal mit einem Katzentransportkorb. Zwei der Geschwister hatten schon ein neues Zuhause gefunden, ein weiterer schwarzer Kater und die einzige Katze vom Wurf. Karl ließ sich ohne Probleme in den Transportkorb setzten, aber sein Bruder Fidel ließ sich gar nicht so einfach einfangen. Schon mit zwölf Wochen führte Fidel uns vor, wie schnell er sein konnte und wie hoch er klettern konnte. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Frankie Fidel eingefangen hatte und wir machten uns mit unseren neuen Mitbewohnern auf den Weg in ihr neues Heim. Im Flur hatten wir einen Kratzbaum, mit mehreren Plattformen und einer komfortablen Liegefläche, kurz unterhalb der dreieinhalb Meter hohen Decke, einbauen lassen. In der ersten Nacht ließen wir die Türen zu den Wohn und Schlafzimmern noch zu, denn unsere Wohnung ist um einiges größer, als das, was Karl und Fidel bisher gewohnt waren. Sie fanden sich schnell zurecht, das Essen und die Toilette und den Kratzbaum kletterten sie auch sofort hoch, um dort die Nacht zu verbringen. Am nächsten Morgen machten wir alle Türen auf und sofort zeigte sich, wer der Chef war. Obwohl er deutlich kleiner war als Fidel und auch nicht so schnell, ging Karl bei der Erforschung der Wohnung voran und Fidel hinterher. Es dauerte fast vier Jahre, bis Karl genauso groß war wie Fidel, aber von Anfang an entschied er, wer aus welcher Schüssel fressen durfte und wenn er dort liegen wollte, wo Fidel lag, stieg er einfach auf in drauf und kniff ihn. Fidel quiekte empört, aber auf eine Auseinandersetzung mit Karl ließ er es nicht ankommen und stand auf. Nur beim jagen von Nachtfaltern, die sich tragisch in die Wohnung verirrt hatten, kannte Fidel keinerlei Respekt, wenn Karl vor ihm war, sprang er einfach über ihn rüber und erlegte den Falter. Dicke Brummer fing er im Flug, verschluckte sie noch brummend blitzschnell und leicht gruselnd stellte ich mir vor, wie die fetten Fliegen wahrscheinlich noch eine Zeit lang in Fidels Magen weiter brummten. Seine ganz besondere Leidenschaft galt der Jagd auf Hummeln und obwohl sich die Hummeln als durchaus wehrhaft erwiesen und ihn immer wieder bissen, konnte er es nicht lassen. Schweren Herzens verzichtete ich auf den wunderschönen Fingerhut und alle anderen Blumen, die irgendwie Hummeln anlocken konnten, denn ich mag Hummeln wirklich gern und ließ nur noch Blumen auf dem Balkon blühen, die von möglichst unauffälligen, kleinen Insekten bestäubt werden, am besten im Schutz der Nacht. Eines Nachmittags fand ich Fidel, mit dicker Backe und ziemlich geknickt, auf seinem Lieblingssessel, ganz offensichtlich hatte ihn eine Hummel in die Backe gebissen. Karl, der selbstverständlich sofort zur Stelle war, wenn Fidel ein Insekt gefangen hatte, das ihm dann erst mal zustand, war dann doch lernfähiger, nachdem er einmal eine dicke Pfote eingefangen hatte, ließ er seine Pfoten von den Hummeln. Die Hummeln fand ich dann meistens auch, total eingespeichelt, aber lebendig und ich fand schnell heraus, dass sie nur lange genug trocknen mussten, um wieder los zu fliegen. Hummeln sind erstaunlich zäh. So blieb der Balkon denn manchen Nachmittag gesperrt, damit von Katern eingespeichelte Hummeln in Ruhe trocknen konnten, um wieder in die Welt zu fliegen.
Ich klicke also bin ich.
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SCHAMANEN REPUBLIK.
Das Äquivalent der jungfräulichen Zeugung, ist die freiwillige Selbstverpflichtung, beides ist eine schöne Legende und funktioniert nicht, denn wenn nichts mehr hilft, hilft nur noch Zwang. Ausgenommen davon sind Zwangsneurotiker und falsche Freunde, die man erst mal entlarven muss. Wir treten auf der Stelle, was immer noch besser ist, als hinter die eigenen Ansprüche zurück zu fallen. Dummerweise sind die meisten Fehler keine Schönheitsfehler, sondern liegen im System und da liegt das Problem. Wer weiter kommen will, lässt die Sinnfrage hinter sich und fängt an zu singen, bis das Blaue vom Himmel fällt und Tränen nicht nach, sondern vor geweint werden. Ob wer vorausdenkt, dann wirklich nicht mehr nachdenken muss, steht in den Sternen und fällt nicht vom Himmel. Himmelstürmer schießen deswegen noch lange kein Tor, so wenig wie Kometen der Erde nahe kommen müssen und wer im Tor steht, steht manchmal auch davor, das ist gilt aber noch lange nicht als Abseits.
Linkerhand stehen seit etlichen Jahren die Räumlichkeiten des „Luxor“ leer. Wo einst gepflegt gespeist und getrunken wurde, fällt der Blick nun durch eine staubige Scheibe auf staubige Tische und Stühle, die bis zur Decke gestapelt sind. Auf der rechten Seite werden in „Schücky's Salon“ Haare gewaschen, geföhnt und geschnitten und seit die Corona Beschränkungen gelockert worden sind, wird dieses Angebot auch wieder in Anspruch genommen. Bis zur Ecke Duschweg, der die Langenfelder Straße mit der Eimsbüttler Straße verbindet, sind es nur ein paar Schritte, aber die nahe liegende Annahme, dass sich hier einst ein Badehaus befunden haben könnte täuscht. Der Duschweg wurde nach dem Dichter Johann Jacob Dusch benannt, der von 1725 bis 1787 lebte und seit dem Jahre 1766 bis zu seinem Tod, die Leitung des Gymnasiums Christianeum in Altona inne hatte. Zwischen Duschweg und Oelkersallee ist die Langenfelder Straße nur auf der linken Seite bebaut, auf der rechten Seite befindet sich eine kleine Grünanlage samt integriertem Spielplatz. Seit ein paar Wochen wird dort am Straßenrand ein alter Ford Transporter, von einem jüngeren Pärchen zum Wohnmobil umgebaut. Besonders weit sind sie noch nicht, den Innenraum haben sie mittlerweile komplett entkernt und blau lackiert, aber wenn sie so weiter machen, können sie nicht vorm nächsten Jahr mit ihrem fahrbaren Hotel auf Reisen gehen. Hinter der Kreuzung Oelkersallee wird es immer ruhiger, außer ein paar Einheimischen ist kaum noch jemand unterwegs und Touristen verirren sich eher selten in diese Gegend. Im Schatten der schmalen, beidseitig von hohen, alten Bäumen bestandenen Kopfsteinpflaster Straße, rückt die Hektik der Großstadt immer weiter weg, Torwege gewähren Einblick in lauschige Hinterhöfe und manchmal stehen ein paar Einheimische zusammen und plaudern ganz entspannt. Der Oelkersallee folgen auf der linken Straßenseite die Sommerhuder Straße und die Arnkiel Straße, die beide in der einem sehr schmalen und sehr langgezogenem U ähnelnden Missundestraße münden. Beide Arme des U der Missundestraße reichen von der Ecke Langenfelder Straße / Alsenstraße bis zur Stresemannstraße, aber es gibt keine Verbindung zur Alsenstraße oder zur Langenfelderr Straße und nur eine zur Stresemannstraße. In dieser extravaganten Straße wurden Karl und Fidel, unsere beiden schwarzen Kater geboren. Frankie wohnte in der Missundestraße und seine Katze hatte, über eine sehr komplizierte Konstruktion Freigang, der ihr sehr schnell zu ihrer ersten Schwangerschaft verhalf. Ihre vier Babys waren genauso schwarz wie sie selbst und Heidrun, die genau wusste, dass es nach Goethes tragischem Tod, langsam wieder Zeit für Hasy und mich wurde, unser Leben mit ein oder zwei Katzen zu teilen, vermittelte zwei dieser Katzenkinder an uns, indem sie Hasy auf einer Party in der Astrastube anquatschte. Hasy sagte sofort ja. Ein paar Tage später besuchten wir Frankie in der Missundestraße und brachten schon mal eine Decke mit, damit die Kleinen, wenn wir sie denn in ein paar Wochen abholen würden, ein wenig Heimatgeruch mitnehmen konnten. In Frankies Zweizimmerwohnung herrschte Katzenkinderalarm, er bugsierte uns in die Küche und ich ließ mich auf dem einzigen Stuhl, dessen Beine auf ungefähr dreißig Zentimeter gekürzt waren, nieder. Die kleinen schwarzen Trolle tollten um mich herum und irgendwann zog jemand an meinem Zopf, was ich gar nicht schätze. Als ich mich umdrehte, kletterte ein kleines schwarzes Katerchen an meinem Zopf hoch und ob dieser Unverfrorenheit nannte ich ihn Karl den Kühnen.
Wer Wind in den Segeln hat, braucht keine Wut im Bauch.
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HUMMER SPECK.
Statt der Schuldenbremse, gibt es jetzt eine Schuldenbeschleunigung und das soll der Kit von Neudopa sein. Vielleicht klappt es ja und da die Angst vorm Abgrund zur Grundlage der Staatenunion geworden ist, rettet sie uns vor der Gleichgültigkeit. Leichter wird es jedenfalls nicht, nur immer wärmer, aber nicht ums Herz. So folgt der, der Zivilisation freundlichen Kaltzeit, denn eine sehr viel schwierigere Warmzeit und ob am Ende der Warmzeit eine Heißzeit steht, ist noch nicht ausgemacht, aber durchaus vorstellbar. Wichtig ist momentan allerdings nur, dass die Party weiter geht, denn weiter können all die Partymenschen leider nicht denken. Ich bin eine Party oder ich bin tot. Totalitäre Systeme schwimmen auf der Partywelle und setzen an, zur Herrschaft über die Wellnesswelt. Dann doch lieber mit Little Nemo, in die phantastischen Weiten von Slumberland reisen und jede Großmachtphantasie ins Reich der Träume verbannen.
Seit Beginn der Corona Pandemie und den damit verbundenen Verhaltensänderungen, haben wir uns neue Wege für unsere Spaziergänge gesucht. Im Schulterblatt, der Susannenstraße und der Schanzenstraße, war es selbst auf dem Höhepunkt der Kontaktbeschränkungen, nicht immer möglich den nötigen Abstand zu halten und mittlerweile ist es, bis auf den Zeitraum zwischen fünf Uhr Morgens und neun Uhr Vormittags, völlig unmöglich geworden. So verlassen wir denn das Haus und überqueren sofort die Straße, um durch die Lerchenstraße bis zur Ecke Lippmannstraße zu gehen, wo wir rechts in die Lippmannstraße einbiegen und uns parallel zum Schulterblatt Richtung Florapark bewegen. In den Ballermannnächten ist dort zwar auch Party, wovon der liegen gebliebene Müll, die Essensreste, das Erbrochene und die Scherben der zerschlagen Flaschen auf dem Bürgersteig deutlich Zeugnis ablegen, aber am späten Nachmittag ist es noch ruhig. In den kleinen, gut eingezäunten Vorgärten blühen liebevoll gepflegte Blumen, an der Ecke Juliusstraße sitzen wieder Einheimische und Touristen beim „Berliner Betrüger“ und im „Cafe unter den Linden“, aber ganz so voll, wie vorm Ausbruch der Pandemie, ist es angenehmerweise noch nicht. Beim Hintereingang zum Florapark befindet sich im Souterrain, des auf der linken Seite gelegenen Eckhauses, dass „Hanse Strumpf Kontor“, ein Geschäft, dem ich schon seit Jahren einen Besuch abstatten möchte. Leider sind die Öffnungszeiten des „Hanse Strumpf Kontor“ sehr beschränkt, mit meinem Lebensrhythmus nicht ganz kompatibel und ich komme immer wieder zu spät. Im Souterrain des Eckhauses auf der rechten Seite, wohnte viele Jahre lang Harald, ein sehr exzentrischer Hippie, mit seinen fünf Hunden, den ich auf Pauls Schrottplatz, anlässlich der „Anrufung der heiligen Pilze“, kennen gelernt hatte. In den Jahren danach begegnete er mir manchmal im Florapark und wir plauderten ein bisschen. Harald war mit einem mittelgroßen Lieferwagen unterwegs und wie auch Paul, handelte er mit allen möglichen Dingen, die er beim Sperrmüll abgriff. Handwerklich war es sehr begabt, er konnte sogar recht gut nähen und reparierte etliche seiner Sperrmüllfunde, für den Eigenbedarf oder zum Verkauf. Obwohl er fürchterlich ungewaschen war und meistens mit seinen Hunden in einem Bett schlief, bezauberte er mit seinen ungewöhnlich grünen Augen immer wieder vom Helfersyndrom befallene Frauen, was nie besonders lange gut ging. Wenn wir uns im Florapark begegneten, setzte ich mich stets mit etwas Abstand neben ihn, weil ich begründete Befürchtungen hegte, mir ein paar Hundeflöhe bei ihm einzufangen. Rhetorisch war er eher unbeholfen, aber komplett widerständig und eigensinnig und deswegen mochte ich ihn. aber irgendwann musste auch Harald der Gentrifizierung weichen, dass Souterrain des Eckhauses steht seit dem leer. Zwischen dem „Hanse Strumpf Kontor“ und der Ecke Eifflerstraße sind die Vorgärten nicht mehr ganz so gepflegt, aber besonders die wunderbar altmodischen Stockrosen, die sich in den letzten Jahren erfolgreich wild vermehrt haben, trotzen jeder Vernachlässigung und schmücken völlig unbetreut die Wände der Häuser. Vor der Eisenbahnbrücke prunkt die Feuerwehrwache der freiwilligen Feuerwehr Altona mit knallbunten Graffitos und hinter der Brücke liegt rechts „Zomia“, einer der letzten innerstädtischen Bauwagenplätze, der bis zur Max-Brauer-Alle reicht. Auf der anderen Seite der Kreuzung Max-Brauer-Allee, wird die Lippmannstraße dann zur Langenfelder Straße und die Schanze zu Eimsbüttel.
Lieber Mäuse auf dem Tisch, als Ratten am Sack.
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JAMMER ZOFE.
So wie es sich mittlerweile darstellt, muss schon vor Corona ein Virus gewütet haben, das direkt das Gehirn befällt, denn anders lässt sich das völlig hirnlose Treiben der Massen im Viertel nicht mehr erklären. Nacht für Nacht wird in den Straßen des Schanzenviertels, sobald die Witterung es einigermaßen zulässt, ein unangemeldetes Festival gefeiert. Die Massen schieben sich laut gröhlend und exzessiv saufend durch die Straßen, Müll wir in die Gegend geworfen, Flaschen zertrümmert, Abstand ist ein Fremdwort und die Bewohner sind von der Politik komplett im Stich gelassen worden, die sich stur weigert, endlich den Verzehr alkoholischer Getränke auf den Straßen eines Vergnügungsviertels komplett zu untersagen und cornern verbietet. Alldieweil cornert das Virus fröhlich mit, bis zur nächsten Ausgangs und Kontaktsperre.
Die beste Ktimiserie ist allerdings immer noch „The Wire“, dessen fünf Staffeln von 2002 bis 2008 in Baltimore gedreht wurden. „The Wire“ als Krimi zu bezeichnen greift ein wenig zu kurz, auch wenn eine Reihe von Morden im Drogenmilieu für die Handlung sehr wichtig sind und in Laufe der Staffeln munter weiter gemordet wird. „The Wire“ ist ein faszinierendes Sittengemälde, dass Geschehen wird aus der Perspektive der Polizei, der Drogenhändler und der Stadtverwaltung von Baltimore beleuchtet und auf allen Seiten finden sich sympathische und unsympathische Chraktere und solche, die beides sind. Die Serie beruht auf zwei außerordentlich dicken Büchern in der tausend Seiten Liga. Das erste Buch ist „Homicide; Ein Jahr auf mörderischen Straßen“ von 1991. Der Reporter David Simon begleitete die Mordkommission von Baltimore ein Jahr lang jeden Tag und „Homicide“ ist ein Report über die Geschehnisse dieses Jahres. David Simon wurde für die Dauer seiner Recherchen ein Polizeiausweis zu Verfügung gestellt und er schreibt, dass die ermittelnden Polizisten irgendwann anfingen ihn wie einen der ihren zu behandeln. Er befreundete sich mit dem Polizisten Ed Burns, der später den Polizeidienst quittierte und zusammen mit David Simon ein Jahr unter den Junkies von Baltimore verbrachte. Die Erfahrungen dieses Jahres wurden dann zum zweiten Buch „The Corner“, auf dem die Serie „The Wire“ beruht. Der Titel des Buches spielt auf die Straßenecken an, an denen mit Drogen gehandelt wird und die sich fest in der Hand konkurrierender Gangs befinden. Die Oberherrschaft über diese Ecken führt immer wieder zu tödlichen Auseinandersetzungen und die Gangs scheuen sich nicht, sogar Kinder für ihre Morde einzusetzen. Zwei der am meisten faszinierenden Charaktere sind die farbigen Drogenhändler Stringer Bell, verkörpert von dem britischen Schauspieler Idris Elba und der homosexuelle Omar Little, gespielt von dem Amerikaner Michael K. Williams. Stringer Bell ist der geniale Geschäftsführer von Avon Barksdale, dem Drogenpaten im Westen von Baltimore. Avon Barksdale ist ungebildet, völlig skrupellos, brutal, aber Bauernschlau, im Gegensatz zu Stringer Bell, der gebildet ist und sich alle Mühe gibt das Drogengeld zu waschen und in legale Unternehmen zu investieren, um damit die Zukunft zu sichern. Omar Little, dessen Homosexualität in der Macho Kultur der Drogengangs, auf viele irritierend wirkt, führt einen Rachefeldzug gegen die Mörder seines Geliebten, der von einer Drogengang erst gefoltert und dann ermordet wurde. Er hat sich darauf spezialisiert andere Gangs zu überfallen und deren Geld und die Drogen zu rauben, mit dem Erlös dieser Raubzüge ist er gerne so großzügig wie Robin Hood. Stringer Bell und Omar Little sterben im Laufe der Serie, Avon Barksdale überlebt und man hätte es sich wirklich anders gewünscht. Sowenig wie die Gangster völlig schlecht sind und sogar sympathisch, sind die Ermittler völlig redlich und auch unter ihnen finden sich ebenso ambivalente wie faszinierende Charaktere. Der irischstämmige Mordermittler Jimmy Mac'Nulty, dargestellt von dem Briten Dminic West, ist in seinem Beruf mindestens so genial wie Stringer Bell, als Geschäftsführer eines Drogenimperiums, aber Mac'Nulty ist auch der geborene Querulant, er säuft und sein Privatleben ist so desaströs, wie seine wechselnden Liebschaften. Die temperamentvolle Drogenfahnderin Shakima „Kima“ Greggs, gespielt von der Amerikanerin Sonja Sohn, ist homosexuell, was unter ihren Berufskollegen zumindest etwas besser akzeptiert wird, als Omar Littles Homosexualität unter den Drogengangs. Insgesamt schneiden die Ermittler erheblich viel besser ab, als die ranghohen Polizeibeamten der Führungsebene, die sich überwiegend nur noch für ihre Karrieren interessieren.
Was in Serie geht, muss nicht Serien reif sein.
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PO ENTE.
Den Ballermann haben sie nun erst mal dicht gemacht und angesichts der Dichte vollkommen dichter Personen, ist das wahrscheinlich auch angebracht. Da die Vizebürgermeisterin meiner schönen Reimartstadt, sich tatsächlich dazu hinreißen ließ, von der Ballermannisierung des Schulterblatts zu sprechen, eine überaus wahre Feststellung, würde ich es sehr begrüßen, wenn unter meinen Fenstern auch etwas konsequenter durchgegriffen werden würde. Im Schanzenviertel sind die Abstandsregeln dauerhaft und durchgehend außer Kraft gesetzt und wo die Kioske keinen Alkohol mehr verkaufen dürfen, übernehmen die Imbisse. Das ist eigentlich untragbar und schön war es nie und wer die vermüllten Straßen und Bürgersteige wirklich zur Kenntnis nimmt, kann sich nur angeekelt abwenden. Nun sind Junkies, Touristen oder Partyvolk keine Naturgewalt, wie ein Hurrikan, ein Taifun, ein Vulkanausbruch oder ein Tsunami, die sich nicht aufhalten lassen, sondern von der Stadtpolitik gelenkte und tolerierte Zustände, die von der Vizebürgermeisterin durchaus beeinflusst werden können.
Wahrscheinlich ist „Ulysses“ von James Joyce auch so ein Meisterwerk, weil der auf über tausend Seiten erzählte Tag, im Leben der Hauptfigur Leopold Bloom, niemals Langeweile aufkommen lässt. Leopold Bloom ist Anzeigenrequisiteur einer Tageszeitung in Dublin und seit vielen Jahren mit seiner Frau Molly verheiratet, ein völlig normaler Mensch, ohne schwerwiegende Probleme mit einem völlig durchschnittlichen Leben, was allerdings keinesfalls durchschnittlich ist, ist die Sprache des Romans. Ansonsten gilt wohl weiter, Sport, Spiel Spannung, Abenteuer, Abwechslung, Aktion. Wer will schon langweilige Geschichten über das tugendsame Leben braver Bürger im Film sehen oder im Roman lesen, dann doch lieber aufregende Geschichten über Ausbrecherkönige, Bank und Casinoräuber, kriminelle Clanchefs, vornehm Paten genannt und andere Gesetzesbrecher, oder tollkühne Abenteurer und Entdecker, auch wenn es am Ende lange nicht immer gut aus geht. Auf der anderen Seite boomt schon seit vielen Jahren der Krimi, im Buch und im Film und das Publikum folgt den Kommissaren und Kommissarinnen, meistens auf den Spuren von Mördern. Nun ist Mord natürlich in keinster Weise so nobel und glamourös, wie ein Bank oder Kasinoraub, jedenfalls solange es keine tödlichen Kollateralschäden gibt. Gewöhnlicherweise wird am Ende die Ordnung wieder hergestellt, der Mörder oder die Mörderin sind gefasst worden und das Publikum kann beruhigt zu Bett gehen, allerdings haben sich in den letzten Jahren, selbst im öffentlich rechtlichen Fernsehen, durchaus Irritation in dieses Muster eingeschlichen. Nicht immer werden die Schuldigen wirklich dingfest gemacht und manchen Mörder oder mancher Mörderin würde man es durchaus gönnen, ungeschoren davon zu kommen. Die Kommissare und Kommissarinnen haben mittlerweile nicht mehr besonders viel Ähnlichkeit mit Erik Ode, der von 1969 bis 1976 den leitenden Ermittler in der Serie „Der Kommissar“ spielte und dessen Angetraute, dargestellt von Rosemarie Fendel, ihn nach getaner Arbeit im trauten Heim ein Essen servierte. Sein Assistent Harry Klein, gespielt von Fritz Wepper, blieb ihm nicht so treu, sondern wechselte später zu Derrick, wo er dem Kommissar gerne schon mal den Wagen holte. Im modernen Krimi sind die Polizeibeamten und Beamtinnen oft ziemlich gebrochene Persönlichkeiten und ihr Privatleben beeinflusst die Ermittlungen nicht immer positiv. Das schöne an einem Krimi ist, dass er alles mögliche sein kann, eine Liebesgeschichte, ein Psychodrama, ein Sittengemälde, Hauptsache es gibt ein Verbrechen, dass aufgeklärt werden soll. Krimis können überall handeln, vom hohen Norden bis in den tiefen Süden, in der Weltstadt oder in der Provinz. Malerische Hintergründe erhöhen den Reiz der Geschichte, weswegen Donna Leon ihren Commissario Brunetti, publikumswirksam über etliche Folgen vorm Hintergrund der schönen Stadt Venedig ermitteln ließ. Aktuell laufen im Programm der öffentlich rechtlichen Sender, der Zürichkrimi, der Bodensee Krimi, der Bozenkrimi, der Kroatien Krimi und die Mordkommission Istambul punktet mit dem besonders attraktivem Kommissar Özakin, dargestellt von Erol Sander. Mein persönliches Faible gilt Krimis aus dem tiefen Süden der USA, aus Louisiana, die mit einer Prise Voodoo Zauber gewürzt sind, wie „The Big Easy“ von 1987, mit Dennis Quaid und Ellen Barkin in den Hauptrollen. Ganz besonders gelungen ist auch die erste Staffel der Serie „True Detective“ von 2014, die Detective Rustin Cohle und Detective Martin Hart, auf den Spuren eines Serienmörders, tief in ihre eigenen Abgründe und tief in die Sümpfe von Louisiana führt.
Wer sein Mäntelchen nach dem Wind dreht, sollte segeln können.
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FURZ FALTER.
Seit wieder gecornert wird, müssen die Möwen nicht mehr hungern. Im Morgengrauen, wenn das amüsierwütige Partyvolk dann endlich ins Bett gefunden hat, fallen sie in Scharen im Viertel ein und delektieren sich an den essbaren Überresten des großen Eckenstehens. Lieber wäre es mir ja um die Ecke zu denken, Lieder über Nussecken zu singen, oder wenigstens Hüte mit Ecken, aber wer an der Ecke steht, steht nicht in der Ecke, sondern gehört dazu und darum geht es ja. Was man allerdings um die Ecke bringen kann, steht nicht mehr an der Ecke und eckt auch nicht an. In der Schmollecke sollte man aber nicht stehen bleiben, denn echte Profis spezialisieren sich auf Eckbälle, spielen über die Bande und gewinnen das Spiel. Da kriegt die Ecke dann die Kurve, wird stromlinienförmig und überwindet den Widerstand. Letztendlich hat der Hut aber doch mehr Ecken als man zählen kann und auch eine Nussecke ist ein Stück vom Kuchen.
Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle, der unsterbliche und leider viel zu früh verstorbene Steve McQueen, der 1968 den überaus smarten und genialen Bankräuber Thomas Crown in „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ verkörperte. Thomas Crown geht es keinesfalls nur um das erbeutete Geld, ihm geht es mehr um die Perfektion und Eleganz des Bankraubes. Als Faye Dunaway, in der Rolle der schönen und überaus intelligenten Versicherungsagentin Vicky Anderson, ihm den Bankraub nachweisen will, kommt es zu einem intellektuellen Wettstreit zwischen den beiden, der sich schließlich zu einer Liebesaffäre auswächst. 1999 wurde eine Remake des Films, mit Pierce Brosman in der Titel gebenden Hauptrolle und Rene Russo, als Versicherungsagentin Catherine Banning gedreht. Diesmal wird allerdings keine Bank überfallen, sondern ein 100 Millionen Gemälde von Claude Monet, aus dem „Metropolitan Museum of Art“, in New York geraubt. Für Thomas Crown ist der Bankraub eher ein Spiel, ein intellektuelles Vergnügen, mit dem er sich beweist, was er kann. In dieser Hinsicht ähnelt er ein wenig dem von Robert Redford verkörpertem Forrest Tucker, der nicht nur aus finanzieller Not Banken überfiel, sondern noch mehr aus Leidenschaft. Erstaunlicherweise ist die Versicherungsagentin Catherine Bannig, einunddreißig Jahre später lange nicht so cool, wie Vicky Anderson 1968, denn in der Annahme, Thomas Crown verloren zu haben, bricht Catherine Banning in Tränen aus. In der Verfilmung von 1968 bleibt am Ende offen, ob Vicky Anderson den Wagen nimmt, oder Thomas Crown folgt. Nach der Jahrtausendwende erlebte das Gauner Genre einen neuen Höhepunkt, mit „Ocean's Eleven“ vom 2001. Die Rolle des genialen Ganoven Danny Ocean spielt George Cloony, der es immerhin zweimal, 1997 und 2006, zum „Sexiest Man Alive“ brachte, genauso wie Brad Pitt, der in „Ocean's Eleven“, Danny Oceans besten Freund Rusty spielt und 1995 und 2000 zum „Sexiest Man Alive“ gewählt wurde. Auch Mat Damon, der die Rolle des Taschendieb Linus Caldwell spielt, wurde 2007 zum „Sexiest Man Alive“ gewählt. Diesmal soll keine Bank ausgeraubt werden, sondern ein Kasino, im Zeitalter des Kasinokapitalismus durchaus folgerichtig und außerdem geht es darum, dass Danny Ocean seine Exfrau Tess, die mit dem Besitzer des aus zu raubenden Kasinos liiert ist, zurück erobern will. Die Rolle der Tess spielt Julia Roberts. Der Film war kommerziell so außerordentlich erfolgreich, dass zwei Fortsetzungen gedreht wurden, 2004 erschien „Ocean's 12“ und 2007 „Ocean's 13“, immer unter Mitwirkung dreier Träger des „Sexiest Man Alive“ Titels. Das glamouröse Ansehen von Räubern und insbesondere Bankräubern, ist schon bemerkenswert, anscheinend verlieren die moralischen und gesetzlichen Spielregeln der realen Welt, insbesondere wenn es um Geld geht, in der fiktiven Filmwelt ihre Bedeutung, oder aber das Publikum hält es mit Berthold Brecht, von dem das Zitat stammt, „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank“. Letztendlich alles Räuber. Dem gegenüber steht das Genre des Problemfilms, das meistens von ganz normalen Menschen, mit ganz normalen Berufen und ganz normalen Familien handelt und wahrscheinlich ist das, dass Problem. Wer denn keine Banken oder Kasinos überfällt, neue Welten entdeckt und erobert, Ruhm und Ansehen und schöne Frauen gewinnt, mit den Wölfen tanzt und den Kranichen auf die Reise geht, muss das Abenteuer in sich selbst und seiner nächsten Umgebung entdecken und das kann ganz schnell nach hinten losgehen.
In der Ecke ist nicht an der Ecke.
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SCHMU PLATTLER.
Im Zuge der Klimaveränderung ändern sich auch die globalen Windströmungen und eine Folge davon ist, dass in Nord und Mitteleuropa, besonders in den Sommermonaten, sehr stabile Wetterlagen entstehen, die oft wochenlang unverändert bleiben. So kommt es denn zu Hitze und Dürre Sommern, aber auch zu kühlen, verregneten Sommern, die unserem bisher üblichen Wetter erheblich viel näher sind. Das trieb uns dann in den Süden, denn zu Hause war der Sommer ja oft kein richtiger Sommer und wir reisten, zu Land, zu Wasser und auf dem Luftweg, unter unablässigem Ausstoß von Klimagasen, so ausdauernd in den Süden, bis der Süden zu uns kam und seine Tigermücken gleich mitbrachte. Nun blühen hier zu Lande zwar immer noch keine Zitronen, aber mancherorts wurde das Wasser schon knapp, was dazu führte, dass nicht jeder Zierrasen mehr ausreichend gewässert werden konnte. Für ein wirkliches Umdenken reichte das meistens allerdings noch nicht.
Wer es im Film nicht bis zum Musketier, Indianer oder Piraten bringt, kann auch als Räuber, im dunklen Wald von Sherwood Forest oder dem etwas biederem Spessart glänzen. So verkörperte Errol Flyn, 1938 in „König der Vagabunden“, denn Robin Hood. Die Legende vom edlen und adligen Räuber, der seines Erbes beraubt wurde und mit den Outlaws in die Wälder ging, um fortan die Reichen zu berauben und die Armen zu beschenkten, ist einfach zu schön und wurde etliche Male verfilmt. Schon zu Stummfilmzeiten spielte Douglas Fairbanks senior, 1922 in „Robin Hood“ den Outlaw aus Sherwood Forest. Auf dem Filmplakat sitzt Robin Hood, die Beine bekleidet mit einer grünen Strumpfhose und flotten Stulpenstiefeln, die langen Haare gekrönt von einem roten, Feder geschmückten Hütchen und mit bewaffnet mit Pfeil und Bogen, in einem Baum. Ein wenig erinnert er an Elben Legolas aus dem Herrn der Ringe, oder umgekehrt. Nach Errol Flyn, gaben sich 1991 Kewin Kostner in „König der Diebe“ und 2010 Russell Crowe in „Robin Hood“, die Ehre, als edler Räuber auf der Leinwand zu erscheinen. Dazu kommt eine wahre Flut weiterer Filme und Serien über das Leben des legendären Räubers. Als es nicht mehr ganz zeitgemäß war, im dunklen Wald zu lauern und auf Reisende zu warten, oder Kutschen, insbesondere Postkutschen zu überfallen, verlegten die edlen Outlaws ihre Aktivitäten auf Bankhäuser, was wahrscheinlich sowieso lukrativer ist. Eine ganz besonders schöne Hommage an die smarten Bankräuber, ist der Western „Butch Cassidy and the Sundance Kid“, von 1969 mit Robert Redford in der Rolle des Sundance Kid und Paul Newmann als Butch Cassidy. Der Film beruht auf einer wahren Geschichte und es ist bis heute nicht bewiesen, das die beiden glorreichen Banditen tatsächlich im Kugelhagel der bolivianischen Arme ums Leben kamen. Robert Redford wurde durch den Film zum Superstar. Fast fünfzig Jahre später, 2018 verkörperte Robert Redford noch einmal einen Bankräuber und Ausbrecherkönig. „Ein Gauner und Gentleman“ beruht auf einer wahren Geschichte und erzählt das Leben von Forrest Tucker, Tucker überfiel unzählige Banken, brach achtzehn Mal erfolgreich aus dem Gefängnis aus, zwölf weitere Fluchtversuche wurden verhindert. Auch dieser Film ist eine Hommage an das Leben eines Outlaws. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch Überfalle auf Züge, den Nachfolgern der Postkutsche und nicht ohne Grund wurde das Leben von Ronald Arthur Biggs, dem führenden Kopf des Postzugsraub von 1963 mehrfach verfilmt. Der Wert der Beute des Überfalls auf den Postzug, betrug umgerechnet in heutige Währung ungefähr 61 Millionen Euro, von denen Biggs angeblich 3,3 Millionen Euro bekommen haben soll. Die Postzugräuber wurden nach kurzer Zeit verhaftet und zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt, aber 1965 gelang es Biggs und drei anderen Gefangenen, mit Hilfe einer Strickleitern aus der Strafanstalt von Wandsworth, wo er inhaftiert war, zu fliehen. Biggs ging mit seiner Familie erst nach Paris und ließ sein Gesicht durch eine kosmetische Operation verändern, dann mit der Familie weiter nach Australien und 1974 alleine nach Rio de Janeiro in Brasilien. Dort schlug er sich mit allerhand ominösen Tätigkeiten durch, die allesamt auf seinen Ruhm als Postzugräuber beruhten und nahm 1978 mit den Sex Pistols, im Rahmen ihres Albums, „The Great Rock ?n? Roll Swindle“, den Song „No One Is Innocent“ auf. Aber Biggs Faszinatíon endete damit noch lange nicht, 1991 setzten die deutsche Punkband, „Die Toten Hosen“ dem Postzugräuber ein neues Denkmal und nahm für ihr Album „Learnig English Lessons One“, zusammen mit Biggs den Song, „Carnival In Rio“ auf.
Nicht jedes Foul tut weh.
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NACHT SCHALTER.
Nun wo es besser geworden ist und immer weniger Menschen sich mit dem auf Missstände aufmerksam mach Virus, hier nur noch AMAMV genannt, infizieren, muss natürlich dringend dafür gesorgt werden, dass das nicht so bleibt. Wie sonst sind die völlig hirnrissigen Vorschläge, zur Abschaffung des Mundschutzes in geschlossen, öffentlichen Räumen sonst zu verstehen. Damit Einkaufen wieder mehr Spaß macht und sämtliche Klimaanlagen der Einkaufsparadiese nur darauf warten, das ANANV ungehindert durch die Räume zu blasen, blöder geht es nicht mehr. Anstatt die mühselig errungene Eindämmung des AMAMV sorgfältig zu bewahren, wird nach Lockerungen verlangt und wohin das führt, zeigt ein Blick über den Tellerrand des Einkaufsvergnügens. Israel und Korea machten es vor und schon rollt die zweite Welle an. Das AMAMV ist nicht aus der Welt, es schickt sich immer noch an, die Welt zu erobern.
Trotzdem ich Schiffe jeder Art als Fortbewegungsmittel überhaupt nicht schätze, fand ich Piratenfilme schon als kleines Mädchen ganz und gar großartig. Obwohl der „Herr der sieben Meere“ schon siebzehn Jahre alt war, als ich geboren wurde, beeindruckte mich Errol Flyn in seiner Rolle als Freibeuter Kapitän Geoffrey Thorpe und später auch als Robin Hood, schwer. Die Seeschlachten, für die extra zwei Segelschiffe in Originalgröße gebaut wurden, wirkten auf der Leinwand völlig realistisch, nicht ohne Grund gehörte der Film zu den aufwendigsten Seeabenteuerproduktionen seiner Zeit. Die Figur des Geoffrey Thorpe, an die Biografie des historischen Freibeuters Francis Drake angelehnt, galant und mutig, treu gegenüber seiner Königin, entsprach in etwa meinen Vorstellungen eines Musketiers zur See. Super klasse natürlich auch und zwölf Jahre später gedreht, „Der rote Korsar“ mit Burt Lancaster als Piratenkapitän Vallo. Zwar tritt Kapitän Vallo recht häufig mit freiem Oberkörper auf, er ist mehr Bauernschlau als gebildet, seine Motive sind meistens ziemlich eigennützig und sein Charme doch recht viel ungehobelter, als der des Freibeuters Geoffrey Thorpe, aber letztendlich zeigt er dann doch ein Herz aus Gold und schlägt sich auf die richtige Seite. Als Kapitän Vallo und zwei seiner Mitstreiter nach ihrer Gefangennahme, ohne Wasser, Nahrung und Ruder in einem Boot auf dem Meer ausgesetzt werden, gelingt ihnen die Flucht, indem sie das Boot kentern lassen, umdrehen und mit den Köpfen, in der im Innern des Bootskörpers entstanden Luftblase, auf dem Meeresgrund zur nächsten Insel marschieren. Diese Szene findet sich auch im ersten Teil von „Fluch der Karibik“ wieder, mit Johnny Depp als Captain Jack Sparrow. Über das was ein Schiff ist, sein Schiff, die Sagen umwobene „Black Pearl“, lässt Captain Sparrow sich ausführlich aus, als er mal wieder, bar jeden Schiffes, auf einer einsamen Insel ausgesetzt wurde und noch nicht mal ein Boot zur Verfügung hat, das er hätte umdrehen könnenn um mit dem Kopf in der Luftblase über den Meeresboden zu fliehen. Dafür befindet er sich diesmal in angenehmer, wenn auch sehr eigenwilliger Gesellschaft und so wird Elizabeth Swann denn Adressatin eines leidenschaftlichen Vortrags über das Wesen von Schiffen. Ein Schiff bedeutet die Freiheit dorthin zu segeln, wohin der Wind es trägt und die Kunstfertigkeit seines Kapitäns es steuert, die Freiheit der Mobilität. Fatalerweise ist Elizabeth Swann nicht so sehr an den metaphysischen Eigenschaften von Schiffen interessiert, sondern mehr daran, ihren Geliebten William Turner aus den Fängen des diabolischen Captain Hector Barbossa zu befreien. Als Jack Sparrow im alkoholisierten Tiefschlaf liegt, setzt sie das riesige Rumdepot der Schmuggler in Brand und erzeugt ein unübersehbares Signal, das Captain Sparrow und sie sehr schnell wieder auf das Deck eines Schiffes befördert, allerdings nicht unter Captain Sparrows Befehl. Was den Piraten ihres Schiffe waren, waren den Musketieren, den Indianern und Cowboys ihre Pferde. Erst mit der Ankunft der Pferde auf dem Rücken von Schiffen, begann die Eroberung des mittleren Westen durch Menschen auf dem Rücken von Pferden. Die gigantischen Grasozeane der Prärien Amerikas waren zu Fuß kaum überwindbar, ein freies Land unter freiem Himmel, ein Paradies. Die Indianer, noch erheblich mehr ihrer Umwelt verbunden, erschlossen sich mit der neu gewonnenen Mobilität zwar mehr Lebensräume, aber sie respektierten und schonten ihre Umwelt weiterhin, ganz anders als die europäischen Eroberer. Den Schiffen und Pferden folgte die Eisenbahn und mit jedem Mobilitätsgewinn, nahm die Spirale der Umweltzerstörung, der Unterdrückung und Vernichtung aller anderen Lebensformen.
Die dümmsten schreien am lautesten.
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SEKUNDEN JÄGER.
Das wer den Vogel abschießt, nicht unbedingt von den Göttern geküsst ist, wird schon seit längerem vermutet, aber Mutbürger sterben hoffentlich nicht aus. Nirgendwo sind Außenverteidiger so gut angesehen wie im Fußball und auch die Innenverteidigung steht über allen Zweifeln, denn Sportkanonen sind eben keine Kanonen, sondern Sportbomben. Besser noch fährt man mit einer Sexbombe, die nun ja gar nichts dafür kann. Dafür oder dagegen halten, auf die Dauer bleibt es sich gleich, weil alle dafür sind, oder dagegen. Nun können Gegenlichtaufnahmen ja durchaus gut gelingen, auch ohne unter Strom zu stehen, aber wer Gegenwind bekommt, geht besser in Deckung und wartet den Sturm ab, denn gegen den Strom zu schwimmen, ist auf die Dauer doch recht anstrengend. Ob der Strom wirklich Trassen braucht, kann hier nicht entschieden werden, aber vielleicht reicht ja auch eine einfache Leitung ins nächste Dorf.
Die Rückfahrt nach Kappeln verlief ohne irgendwelche Zwischenfälle, mir wurde nur ein kleines bisschen flau auf dem Magen und obwohl HaHes Vater den gesamten Seefunk abhörte, fand sich kein einziger Hinweis auf eine Havarie in der vergangenen Nacht. Am späten Abend liefen wir, mit Hilfe des Motors, im Jachthafen von Kappeln ein, stiegen um in den Opel Kapitän und fuhren sofort weiter nach Hause, denn HaHes Vater musste am Montag Morgen wieder im Amt für Land und Wasserbau, auf seinem Arbeitsplatz präsent sein. Mittlerweile verstand ich die Aversionen, die Erika, HaHes Mutter, gegen Segelreisen mit dem Molch hegte gut und egal was HaHe mir versprach, ich war nicht mehr bereit, sogar ohne seinen Vater, mit HaHe auf Segeltour zu gehen. Ein paar Jahre später fand HaHe eine Freundin, die genauso segelbegeistert war wie er selber und in den Sommersemseter Ferien segelten HaHe und Gaby über die Ostsee bis nach Bornholm. Die einzigen Schiffe die ich in den folgenden Jahren betrat, waren die Fähren, die von Piräus nach Naxos und von Naxos nach Ios, der Hippieinsel, von Ios nach Santorin und Kreta fuhren. Natürlich machte HaHe mich darauf aufmerksam, dass all diese Fähren schon etliche Jahre auf dem Buckel hatten, die sie im Fährverkehr auf der Ostsee verbracht hatten und nach ihrer Ausrangierung, frisch gestrichen verkauft worden waren, um bis ans Ende ihrer Tage in der griechischen Ägäis Dienst zu tun. Das man Rost gut überpinseln kann, wusste ich seit wir mit den schwarzbunten Ufo zu unserer ersten, größeren Reise aufgebrochen waren. Mehr noch als die übermalten Rostschäden, beunruhigten mich die unverzichtbaren, orthodoxen Kapellen an Bord jeder Fähre. Schiffe mochte und mag ich einfach nur im Museum und im Hafen und nicht als Transport oder Sportgerät. Ohne den Weg über das Wasser, ohne Schiffe und ihre Vorgängermodelle, angefangen mit dicken Baumstämmen, weiter mit Flößen, Kanus und Doppelkanus, bis hin zu Ausleger und Segelbooten, hätte die Menschheit sich wahrscheinlich niemals so erfogreich über den gesamten Globus verbreitet. Kein Weg war so schnell, wie der über das Wasser und so reisten Wissen und Waren denn von Anbeginn mit den Flusslauf und alles ist im Fluss. Wasser ist das Element des Fortschritts und auch wenn wir Luft atmen, so bestehen wir doch zu neunzig Prozent aus Wasser, das wir mit Leidenschaft verseuchen. Wo kein Wasser ist und sei es auch nur ein Tröpfchen, ist kein Leben, denn wir sind Wasserwesen und dies ist ein aquarischer Planet. Jede Erdscholle wird angebohrt, bis zum Grundwasser und der Krug geht ja sowieso bis zum Brunnen, bis er bricht. Lange bevor der Strom durch die Stromleitung floss, floss Wasser durch Aquädukte und beflügelte die Zivilisation. Gar nicht so lang vergangen die Zeiten, da der Wasserturm der höchste Turm am Ort war und höher hinaus, als das Wasser, unsere Lebensgrundlage, sollten wir wahrscheinlich sowieso nicht streben. Im Wassermannzeitalter gelten diese Probleme ja eigentlich als gelöst, aber das Gegenteil ist der Fall. Lange schon ist trinkbares Wasser zur teuer verkauften Handelsware internationaler Nahrungsmittelkonzerne geworden und wer kein sauberes Wasser zum trinken hat, stirbt qualvoll. So kommt das Leben denn mit dem Regen und jede Regenzeit ist der Beginn einer neuen Lebenszeit. Der Maler und Philosoph Friedensreich Hundertwasser nannte sein Schiff Regentag, weil die Farben der Welt nach jedem Regenguss ganz besonders prächtig leuchten.
Schaum kann man nicht wirklich schlagen.
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BLONDER REIM SATZ TRUPPE.
Mittlerweile feiert das, auf Missstände aufmerksam mach Virus erste Erfolge. Die unsäglichen, einzig und allein nur der totalen Ökonomisierung und den Interessen der Kapitalanleger, sowie einer rücksichtslosen und das Leben verachtenden, verpflichteten Fleischverarbeitungsindustrie, stehen im grellen Scheinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit. Wer im Umfeld einer solchen Virusfabrik lebt, wird gnadenlos stigmatisiert und muss zu Hause bleiben. Das Virus ist nicht Massen tauglich, weder in der Produktion, noch in der Freizeitgestaltung, denn die Masse ist eben gar nicht klasse, sondern ein Missstand. Misswahlen sind wahrscheinlich ebenfalls davon betroffen, wenn auch nur am Rande, aber an den Rändern entscheidet sich das Schicksal der Mitte sowieso. Ab durch die Mitte, über den goldenen Mittelweg und der Zweck heiligt zwar noch die Mitte, aber nicht mehr die Mittel.
Als ich am späten Vormittag aufwachte, waren meine Beschwerden verflogen, HaHe und sein Vater lagen im komatösen Tiefschlaf und ich stärkte mich erst mal mit einem Becher Beuteltee und ein paar Leibniz Keksen, außer Alkohol so ziemlich das einzige, was sich noch an essbarem an Bord des Molch befand. Gegen Mittag kamen HaHe und sein Vater ziemlich zerknittert und schwer verkatert wieder zu sich. HaHe besorgte Brötchen, Erdbeermarmelade, Eier und Schinken und ich frühstückte ganz alleine mit gutem Appetit, denn außer Kaffee bekamen HaHe und sein Vater nichts runter, was ich ihnen nach der Fress und Sauf Orgie der vergangenen Nacht durchaus gönnte. Großartig Zeit für Besichtigungen blieb uns nicht, denn wir mussten noch am selben Tag wieder zurück nach Kappeln segeln und das nächtliche Seenotrettungsabenteuer hatte dazu geführt, dass wir viel später als geplant im Hafen von Sonderburg angekommen waren. So verzichteten wir denn auf den eigentlich vorgesehenen Besuch des Museums im Schloss von Sonderburg. Um der Reise trotzdem einen Sinn zu geben, machte HaHes Vater sich auf, Zigaretten, Alkohol, Schokolade und Butter zollfrei einzukaufen. HaHe und ich nutzten die verbleibende Zeit für einen Spaziergang im Hafen von Sonderburg. Die wechselhafte Geschichte der Stadt, mal unter dänischer Flagge, mal unter deutscher Flagge und das auf ewig ungeteilte Schleswig Holstein hatten dazu geführt, dass Sonderburg immer noch Heimat einer stattlichen, deutschsprachigen Minderheit war und so war es dann auch nicht schwer, sich auf deutsch zu verständigen. Im Tourismusbüro des Jachthafens lag eine zweisprachige, hübsch bebilderte Broschüre mit Informationen zur Geschichte der Stadt und ihren Sehenswürdigkeiten aus, die ich mitnahm. So erfuhr ich denn, dass zum Inventar von Schloss Sonderburg auch das Gespenst einer unglücklichen Prinzessin gehören würde. Die spukende Prinzessin hatte sich zu ihren Lebzeiten im sechzehnten Jahrhundert, ganz und gar unstandesgemäß, unsterblich in einen Knappen verliebt, der im Gefolge ihres Vaters, des Herzogs diente. Die beiden fingen eine heimliche Liebschaft an und wurden natürlich erwischt. Der erboste Herzog ließ den Knappen ob dieses Frevels zum Tode verurteilen, aber die verliebten jungen Leute hatten sich ewige Treue geschworen und die Prinzessin war bereit ihrem Liebhaber in den Tod zu folgen, wenn er nicht begnadigt werden würde. Von den Fenstern ihrer Gemächer im Schloss, hatte sie die Hinrichtungsstätte gut im Blick und am Tage der Hinrichtung saß sie dort am Fenster, mit einem scharfen Dolch auf dem Tisch neben sich. Mit ihrem Geliebten hatte sie abgemacht, dass er im Falle seiner Begnadigung ein rotes Tusch in die Luft werfen würde, denn Rot ist die Farbe der Liebe und noch bei Ingeborg Bachmann, die auch eine Neigung zu schwierigen Liebschaften hatte, sind die Blumen des Geliebten roter als Rot. Für den Fall, dass der Geliebte der Prinzessin nicht begnadigt werden sollte, war der Wurf eines weißen Tuches vorgesehen, denn weder Weiß noch Schwarz sind Farben. Der junge Mann wurde tatsächlich in letzter Sekunde begnadigt und vor lauter Freude über sein Glück, warf er aus Versehen das weiße Tuch in die Luft. In der Annahme, dass ihr Geliebter unweigerlich sterben würde, versenkte die Prinzessin den scharfen Dolch in ihrem Herzen und war auf der Stelle tot. Als ihr begnadigter Geliebter vom Tod der Prinzessin erfuhr, erdolchte er sich ebenfalls und folgte ihr in den Tod. Seitdem soll in den ehemaligen Gemächern der unglücklichen Prinzessin manchmal Weinen und Seufzen zu hören sein und manchmal sitzt das Gespenst der Prinzessin auch am Kamin und kämmt sich die schönen, langen Haare.
Wer auf dem Rasen bleibt, braucht keinen Teppich.
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