SCHMALZ KAMMER GUT.
Seit die Corona Beschränkungen gelockert wurden, fand unter meinen Fenstern, jedes Wochenende wieder, eine Anti Corona, Anti Hygiene, Anti System, Anti Alles und vor allem Anti Rücksichtnahme Demonstration statt. Die Barkassen im Hafen dürfen immer noch nicht auslaufen, egal wie ihr Belegungs und Hygiene Konzept ist, die Prostituierten dürfen keine Freier empfangen, egal wie gut ihr Hygiene Konzept ist, aber auf dem Schulterblatt dürfen die Massen sich tummeln, ohne Mundschutz und Mindestabstand. Anscheinend stehen die Belange einiger weniger Kioskbetreiber und Gastronomen, ganz hoch über denen der Steuer zahlenden Wohnbevölkerung und sämtlicher anderer Gewerbe. Nachvollziehbar ist das alles nicht mehr. Trotzdem geht das Ganze völlig unbeirrbar weiter, nach Einbruch der Dämmerung ist das Viertel frei von jedweden Corona Beschränkungen und die Stadtregierung, bestehend aus SPD und Grünen, lässt die Bewohner gewohnt lässig im Stich.
Ob Liebe wirklich durch den Magen geht, ist damit noch nicht bewiesen, aber wir wagten trotzdem einen neuen Versuch und ließen uns an einem Tisch des „That's Amore“ nieder. Der Blick in die hohen, alten Bäume rund um den Bunker und an beiden Seiten der Straße, war gewohnt schön, von der Kreuzung bei der Christuskirche wehten nur ein paar versprengte Fetzen des ohrenbetäubenden Verkehrslärms rüber und fast alle Tische waren schon mit einem sehr gemischten Publikum besetzt. Händchen haltende Pärchen jüngeren Alters und fortgeschrittenen Alters im eingespielten Wortwechsel, eine bereits angeheiterte Herrenrunde, die dem Essen noch einige Getränkerunden folgen ließ, typische Mittelstandsfamilien aus dem Quartier zwischen Osterstraße und Fruchtallee, mit dezenter Urlaubsbräune und zwei Kindern und eine drei Generationen Großfamilie, deren zahlreicher Nachwuchs zwischen den Gästen und auf dem breiten Bürgersteig herum tobte, oder im Kinderwagen brüllte. Die Pizza am Nachbartisch sah recht lecker aus und eine leckere Pizza zu bekommen, ist fast schon unmöglich, aber Hasy wagte es und bestellte eine Pizza, samt obligatorischem Bier. Ich entschied mich für lauwarmen Ziegenkäse mit Honigmarinade, begleitet von Salat und Rotwein. Das Bier kam schnell, der Wein brauchte länger, aber schmeckte zumindest schon mal recht gut. Wir genossen den sommerlichen Abend und den weiten Himmel, der sich in Richtung Weidenallee auftut. Auf dem Bürgersteig posierten die Kinder der Mittelstandsfamilien mit ihren Smartphones und schossen ein Selfie nach dem anderen, ein Saxophonist postierte sich im Eingang des Gartens und brachte den Gästen ein Ständchen, dessen lang gezogene Töne ein bisschen melancholisch in der dunkelblauen Dämmerung verwehten. Als er mit seinem Hut rum ging, taten wir unseern teil dazu. Dann kam das Essen und es war wirklich besser als wir erwartet hatten. Eigentlich bin ich kein Fan von musikalischen Darbietungen, denen ich zwangsweise ausgeliefert werde. Viele Jahre lang zog eine Gruppe von Sinti und / oder Roma Musikern aus dem Karoviertel, vom Publikum Zigeuner genannt, von März bis Oktober durchs Karo und über die Schanze und beglückte die Gäste der ortsansässigen Gastronomie solange mit ihrem unsäglichen Gedudel, bis sie sich frei kauften und mit Alexandras Zigeunerjungen hatte das nicht das geringste zu tun, eher schon mit Erpressung und auch in der U oder S Bahn erlebte ich immer wieder solche akustischen Überfälle. Mehr oder minder gelungen, eigneten sich die unterschiedlichsten Protagonisten gesungener und auf Instrumenten produzierter Töne den Wagon an, in dem ich mich befand, beglückten die Fahrgäste, ob sie nun wollten oder nicht und hofften auf einen angemessenen Obolus. Das ging nicht immer gut und manchmal flippen ein paar der akustisch malträtierten Fahrgäste total aus und fingen an die musikalischen Präsentationen zu über schreien, was dann wirklich nur noch, zum leider völlig unmöglichen weglaufen war. Ein angemessenes Grundeinkommen für alle könnte sehr hilfreich dabei sein, solche unhaltbaren und auch für beide Seiten etwas entwürdigenden Situationen, zu vermeiden.
Propheten brauchen keine Bärte.
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SPINN TATAREN.
Besser als vor Reisen zu warnen, wäre es wahrscheinlich Reisen erst mal komplett einzustellen. In einer Gesellschaft, in der Verzicht prinzipiell nur die anderen betrifft, ist das natürlich völlig illusorisch. Das wir an unserer eigenen Blödheit untergehen werden, steht nicht erst seit gestern fest und die ewig gestrigen, werden wahrscheinlich überleben. Ich reise also bin ich und wer eine Meise hat lebt besser. Stille Teilhaber suchen nach besseren Möglichkeiten und stille Wasser nach dunklen Kanälen. Wer sich nicht rechtzeitig am Rand des Kanals in Sicherheit bringt, hat selber Schuld und muss über Null gehen. Mit einer Null kann man sich allerdings nur in die Ecke stellen und wer wirklich weiter kommen will, hängt noch ein paar Nullen dran und geht von Null auf Hundert. So bleibt das Eisen denn im Feuer und die Nullen machen ihr eigenes Ding, bis der Mathelehrer kommt und mit Tafelkreide um sich wirft.
In Erinnerung an die Geschichten meiner Großmütter, die vom Leben ihrer Großmütter, in Stroh gedeckten Häusern hinterm Nordseedeich handelten, oder zumindest vom Leben entfernter Verwandter, fand ich mächtig Sturm dann aber immer noch schlimm genug. Wenn meine Großmutter und besonders meine Urgroßmutter väterlicherseits, ihre Lesebrille aufsetzte und anfing vorzulesen, konnte ich den Sturm heulen hören und fürchtete mich mit den Bauern, ihren Kindern, ihren Kühen und Schafen, ihren Hunden, Hühnern und Katzen, oben auf dem Dachboden, direkt unterm Strohdach, vor der Gewalt des blanken Hans, das einzige was ich nie verstand, war das mit dem beten. Wie schon die Kelten und etliche Völker vor den Kelten, belegten die Friesen das, was sie am meisten fürchteten, mit euphemistischen Benennungen, aber der blanke Hans ist kein schöner, stattlicher Mann, sondern eine Sturmflut, die den Deich brechen lässt, auf das alle die hinterm Deich wohnen, mit Mann und Maus untergehen. So war Hauke Haien, der Deichgraf in Theodor Storms „Schimmelreiter“, mit dem wir uns zwar nicht an der Schule beschäftigten, aber später dann in den Seminaren der feministischen Literaturtheorie, denn Storm schuf durchaus bemerkenswerte Frauenfiguren in seinem umfangreichen Werk, auch mindestens so faszinierend, wie einst der edle Indianer Häuptling Winnetou meiner Kinderjahre. Der Aberglauben gegen den Hauke Haien ankämpft, ist ebenfalls so alt, wie die analog magischen Vorstellungen unserer Vorfahren aus der grauen Vorzeit. Dem Leben muss Leben geopfert werden, denn nur so kann das Leben bestehen und deswegen muss etwas lebendiges sein Leben für den Deich geben. So hat das ganze verdammte Handeln und Schachern, denn seinen Ursprung schon in den Vorstellungen unserer Vorfahren aus der grauen Vorzeit. Nun war diese Zeit aber keineswegs grau, denn unsere Vorfahren hinterließen uns überaus farbenprächtige und fantastische Höhlenmalereien, Bilder die Tiere, die sie vergötterten oder jagten, oder beides darstellen. Den Tieren auf den Wänden der Höhlen, gesellen sich ein paar wenige fantastische Gestalten zu, Chimären aus Mensch und Tier, Gottheit oder Schamane. Ohne Strom und aus der Leitung fließendes Warm und Kaltwasser, ohne öffentliche Verkehrsmittel und Internet, ohne Auto oder Eisenbahn, schufen unsere Vorfahren Kunstwerke, die nicht nur bis heute bestanden haben, sondern in ihrer Schönheit und Darstellung hochaktuell sind. Es ist der Blick der Liebe, auf das was man liebt und jagt, das was ist wie man selbst, Jäger und Opfer zugleich, denn vor Mutter Erde, die uns das Leben schenkt und uns letztendlich dann wieder verdaut, sind wir letztendlich alle gleich.
Kaffee kann man nicht klatschen.
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BELLA RUFT.
Das Spaltpilze dem gesellschaftlichem Fortschritt nicht besonders zuträglich sind, ist nicht erst seit gestern bekannt. Wir wollen hier nicht länger über das Wesen von Spalten und Spaltungen philosophieren und ob der Weg das Ziel ist, oder ein notwendiges Übel, entscheiden andere. Andersrum wird aus dem Schuh auch keine schöne Elfe und schöner ist es sowieso Schuhe zu behalten, als Schuhe zu verkaufen, denn wer die Hosen an hat, muss nicht auch noch die Schuhe anhaben oder anziehen. Wir gönnen uns eine Schuhcreme, ein Antifalten Training, eine schöne Zeit und absurde Argumente, denn nur wer Wind in den Haaren hat und genug Salz in der Suppe, wird über die Fehler der Vergangenheit springen und seine eigenen machen. So ist der Fehler denn zwar nicht das Gelbe vom Ei und auch nicht das Blaue vom Himmel, aber das Tüpfelchen auf dem I.
Im ersten Jahr ihrer Ehe erfüllte Johnny Aga einen Herzenswunsch und reiste mit ihr auf die Philippinen, damit Agas riesige Familie und besonders ihre Mutter, ihn und Agas und seinen ersten Sohn kennen lernen konnte. Wie die meisten Philippinos und Philippinas war Aga sehr katholisch, die Familie entsprechend groß und selbstverständlich stand schon am ersten Wochenende ihres Aufenthalts, eine Teilnahme am Gottesdienst in der Kirche ihres Herkunftdorfes auf dem Programm. Es war das erste Mal, dass Johnny sich explizit weigerte, an einer Veranstaltung teilzunehmen, zu der Aga ihn überreden wollte und diesmal half alles reden, weinen und wütend werden nichts. Im Gegensatz zu Aga, war Johnny nicht im geringsten irgendwie gläubig, dass einzige woran er glaubte, war ein richtig guter Herd und qualitativ hochwertige Lebensmittel, die er auf eben diesem Herd und im dazugehörigen Backofen, veredeln konnte. Um Aga einen Gefallen zu tun, hatte er sie in der evangelischen Kirche am Weidenstieg geheiratet, aber damit war es dann auch des christlichen Getue genug. Aga war so klug, Johnny keine Szene zu machen und angesichts der Größe ihrer Familie, fiel es sowieso nicht besonders auf, dass Johnny nicht am Sonntagsgottesdienst teil nahm. Ganz nebenbei stellte Johnny dann auch fest, dass er nicht der einzige war, der den Gottesdiensten fern blieb, ein paar nähere und fernere Verwandte, meistens dem männlichen Geschlecht zugehörig, schafften es auch immer wieder, den tagtäglichen Kirchenbesuchen fern zu bleiben und tranken statt dessen lieber ein paar Bierchen mit Johnny. Der ganze Stolz von Agas Familie war eine Mühle, die ihnen nicht nur zu ein bisschen Wohlstand verhalf, sondern auch zu einer besonderen Stellung im Dorf. Die Mühle war so wichtig, dass Aga sogar Johnnys Familie dazu gebracht hatte, sich finanziell an der Mühle zu beteiligen, was Johnnys Vater, der ansonsten finanziell sehr erfolgreich agierte, ein wenig Bauchschmerzen bereitete. Insgesamt war es nicht nur furchtbar heiß, sondern auch furchtbar langweilig auf den Philippinen, zumindest in Agas Dorf. Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen samt ihrem zahlreichen Nachwuchs, besuchten einander, tratschten bis zum Exzess und aßen ausgiebig miteinander. Der Höhepunkt des familiären Lebens war erreicht, als Johnnys Eltern sich entschlossen, die Verwandtschaft auf den Philippinen kennen zu lernen und einen Flug nach Manila buchten. Nicht ganz uninformiert, brachten sie auch Johnnys beide Brüder samt Ehefrauen und Kindern mit und punkteten nicht nur mit Wohlstand, sondern auch mit Familie, bei der philippinischen Verwandtschaft. Agas Familie empfing sie mit offenen Armen. Die meisten Tage flossen völlig träge und völlig ereignislos dahin und als dann ein Taifun angekündigt wurde, war das, zumindest für Johnny ein echtes Highlight. Als Sturmflut erprobter Holländer, ließ er sich nicht so leicht beeindrucken, was dazu führte, dass er anderthalb Tage zusammen mit zwei von Agas Cousins in einer Bar festsaß, die nur ein paar Kilometer von Agas Heimatdorf entfernt war. Es goss wie aus Kübeln, der Wind heulte, die Palmen küssten das Erdreich, die Straßen waren unpassierbar, sie spielten Karten und tranken Bier, von dem glücklicherweise genug vorhanden war und langweilten sich keine Sekunde. Als ich Johnny fragte, wie Taifun denn so sei, meinte er nur, „mächtig Sturm“.
Wer die Bank sprengt, muss auf dem Boden sitzen.
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HOMO LABER.
Ob Hitze denn nun wirklich frei macht, bleibt angesichts der herrschenden Umstände ungeklärt und klare Sicht ist mittlerweile nicht mal mehr ein Privileg der Herrschenden. Wer die Welt aus den Angeln heben will, hat selber schuld und sollte nicht maulen, denn die fetten Jahre sind sowieso vorbei. Unübersehbar sind die erhitzten Gemüter der letzten Dekade, die immer hitziger aufeinander einschlagen. Wer nun noch ein warmes Plätzchen sucht, wird wahrscheinlich bald nach kühlen Lüftchen Ausschau halten, denn kühler wird es erst mal nicht mehr. Eiskalte Händchen kommen aus der Schmollecke und lehnen sich richtig weit aus dem Fenster, denn dort weht der Wind. Fernab jeder Grundsatzdebatte muss aber festgestellt werden, dass es besser ist Abstand zu halten, von völlig unbewiesenen Annahmen, denn was man nicht annehmen will, das muss man zurückweisen.
Langsam begann das Restaurant zu florieren, wenn es im Laden richtig brummte, half Kit natürlich im Service mit, aber sie fand nun endlich die Zeit, sich von Johnny in die höheren Kochkünste einweihen zu lassen. Aga war mittlerweile mit dem zweiten Kind schwanger und trotzdem Aga noch nebenbei putzen ging, reichte Johnnys Gehalt nicht mehr für den Unterhalt einer vierköpfigen Familie und er bat Kit darum, endlich Werbung für das Restaurant zu machen, denn was das Gästeaufkommen anging, war immer noch ordentlich Luft nach oben. Warum auch immer, Kit weigerte sich beharrlich in ein vernünftiges Werbekonzept zu investieren und bestand darauf, dass die Mundpropaganda der zufriedenen Kundschaft ausreichend sein müsste. So wurde Johnnys Gehalt denn nicht angehoben und da es immer mal wieder zu Engpässen kam, in denen es an Kundschaft mangelte, musste Johnny auch immer wieder auf seinen monatlichen Lohn warten. Die angespannte Finanzsituation war nicht der einzige Knackpunkt in der Beziehung zwischen Johnny und Aga, denn Johnny der seinen Beruf liebte und obendrein gerne feierte, kam immer wieder erst im Morgengrauen nach hause. Kits Küche blieb lange geöffnet und danach saßen Kit und Johnny, ein paar auserwählte Freunde und Christian, der Vater von Kits zweiter Tochter Lin, gerne noch bei ein paar Gläsern Bier und Wein und dem neusten Klatsch und Tratsch aus dem Viertel zusammen. Wenn dann das Licht bei „Madame Hu“ endgültig ausging und Johnny sich auf den Weg nach Hause machte, war da immer noch die Stolperfalle der „Astra Stube“, unter der Sternbrücke an der Kreuzung Stresemannstraße / Max-Brauer-Allee, zu umschiffen. Natürlich legte Johnny in der „Astra Stube“ an und ließ sich von Stefan, dem Tresenmann, mit den er schon seit einigen Jahren das kalte Büfett der alljährlichen „Hör Bar“ Barkassenfahrt organisierte, mit Bier versorgen. Die Nacht wurde dann noch richtig lang, Johnny ließ sein Fahrrad stehen, das dann meistens geklaut wurde und versuchte regelmäßig die Tür der Nachbarin, im Stockwerk über seiner Wohnung, mit einem völlig unpassenden Schlüssel zu öffnen. Am nächsten Vormittag kam die Nachbarin dann runter, Johnny lag noch im Tiefschlaf und beschwerte sich bei Aga, die gar nicht amüsiert reagierte. Letztendlich war Johnny das aber doch ziemlich egal, er liebte die Nächte bei Kit und in der „Astra Stube“ und Kit organisierte ihm immer wieder ein neues Fahrrad. Johnny wäre sicherlich lieber bei Kit geblieben und hätte bis ans Ende aller Zeiten fantastisch in ihrer Küche gekocht und die Nächte im Freundeskreis der chinesischen Prinzessin genossen, aber als sein zweiter Sohn geboren wurde, kamen Aga und seine Familie ihm so dermaßen aufs Haupt, dass er sich von Team des „Hatari“ für einen besseren und sicheren Monatslohn abwerben ließ und auf die andere Seite der Kreuzung rüber wechselte. Die Schnitzel, Burger und Buletten, die unter Johnnys Aufsicht im „Hate Harry“ veredelt wurden, schmeckten dann auch wirklich ein paar Nummern besser als anderwo, aber Johnny war komplett unterfordert. Wenn die Küche des „Hate Harry“ schloss, wechselte er gerne wieder über die Kreuzung rüber und ließ sich bei „Madame Hu“ nieder. Zu besonderen Anlässen kochten Kit und Johnny dann auch immer mal wieder zusammen, aber Johnnys Traum, auf wirklich hohem Niveau bei Kit zu kochen, ging nicht in Erfüllung.
Land kann man sich nicht nehmen, Land kann man nur bewohnen.
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HIRSCH TOMATEN.
Wer den Salat nicht haben will, ist gut beraten, ihn mit oder ohne Zigeunersoße, recht schnell zu verspeisen. Angesichts der mittlerweile immer deutlicher werdenden Klimakatastrophe, ist es mir ein Rätsel, warum die Soße nicht einfach weiter so heißen kann, wahrscheinlich handelt es sich um die hohe Kunst des Nebelschauplatzes, die von allem ablenkt, was wirklich wichtig ist. Irgendwie sind Partys doch echt von gestern, denn unsere wenigen, verbleibenden Mitbewohner, aus dem einst so großen Reich der Tiere, brauchen keine Partys mehr. Es wird öde, heiß und hässlich auf Gaia, wenn unsere Geschwister aussterben, weil wir feiern müssen und unser Müll kommt immer wieder auf uns zurück. Rückendeckung gibt es nicht mal mehr von den Rückversicherungen, den irgendwann sind alle Rücklagen aufgebraucht, da hilft auch kein Rückgrat.
In den ersten Jahren seiner Ehe fiel es Johnny recht schwer seine Angewohnheiten zu ändern. Er stand weiterhin bei „Madame Hu“ in der Küche und kochte was die ökonomischen Möglichkeiten des Lokals und Kits Ambitionen zu ließen. Die Nächte eines Kochs, der nicht in einer Kantine, oder einem Restaurant arbeitet, dessen Küche spätestens um zweiundzwanzig Uhr ihre Türen schließt, können leicht sehr lang werden und außerdem waren Kit und Johnny, was die Küche betraf, für einander geschaffen. Johnny kochte fast wie ein Sterne Koch und Kit hatte sich immer ein Sternelokal mit alternativem, Ambiente gewünscht. Aufgewachsen war sie im Chinalokal ihrer Eltern, mitten im Herzen des Schlachthofviertels, das heute nur noch als Schanzenviertel bekannt ist. Schön wie eine chinesische Märchenprinzessin, charmant wie Scheherazade und schlagfertig wie ein Mädchen von St. Pauli, hatte sie frühzeitig angefangen, sehr erfolgreich im Service des Lokals ihrer Eltern zu arbeiten. Besonders das männliche Publikum lag ihr zu Füssen, ließ sich völlig verzückt von ihr zum Trinken animieren und war dann aus Gründen des Prestige auch nicht mit dem Trinkgeld kleinlich. Als Kits Eltern sich zur Ruhe setzten und das China Restaurant aufgaben, machte Kit unter dem Namen „Madame Hu“ ihr eigenes Lokal, mit einer Liaison aus asiatischer und französischer Küche auf. Im Service lief wie immer alles bestens, aber mit den Küchenchefs klappte es nicht so gut, bis Kit Johnny einstellte. Auch wenn es immer mal wieder Probleme gab, weil nicht alle Gerichte auf der recht schlanken, aber monatlich wechselnden Speisekarte, vorhanden waren, bügelten Kits Charme und Johnnys kulinarische Kreationen, diese kleinen Irritationen schnell wieder glatt. Schwieriger wurde es, als Kit nicht mehr im Service arbeiten wollte und den Ehrgeiz entwickelte selber richtig gut zu kochen. Natürlich war Johnny bereit ihr beizubringen, was ihr Talent zuließ, aber im Service lief es gar nicht mehr so gut. Seit ihrer Kindheit umfassend in der alternativen Szene St. Paulis vernetzt, stellte Kit konsequent Leute aus ihrem riesigen Freundeskreis ein, die sie mochte und die es dringend nötig hatten Geld zu verdienen, die Qualifikation für den Service stand dabei nicht an erster Stelle. Die Gäste reagierten zunehmend irritiert, als sie von völligen Dilettanten mit ein paar Versatzstücken der höheren Servicekunst konfrontiert wurden und es war gar nicht mehr so leicht, darüber hinweg zusehen, dass mindestens ein Viertel der Gerichte auf der Speisekarte momentan nicht im Angebot waren. Dann schaute der glückliche Zufall um die Ecke und einer von Kits schwulen Freunden fing in Service an. Manus Eltern waren vor vielen Jahren aus Portugal nach Hamburg gekommen und Manu war im Portugiesenviertel an den Landungsbrücken aufgewachsen. Er hätte ohne weiteres als Dirk Bach Imitator auftreten können, aber mit seiner Familie lag er mittlerweile ziemlich über Kreuz, denn er machte keinerlei Hehl aus seiner Leidenschaft für Männer und seinem extrem tuntigem Gehabe. Er war nicht besonders groß und nicht besonders schlank und pflegte ein Faible für quietsch bunte Kleidung. Mit seinen riesigen, braunen, von langen Wimpern umrahmten Augen und seinem exaltierten Benehmen, bezirzte und hypnotisierte er die Gäste genauso wie Kit. Er war einfach umwerfend.
Besser Brücken bauen, als Brücken schlagen.
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RÄSON ARBEITER.
Letztendlich wird es der Tourismusbranche nicht anders ergehen, als den Webern zu Beginn der Industrialisierung, zum Aussterben verurteilt, von der Zeit überrollt. Ganz abgesehen von Corona, ist da ja auch immer noch die Klimakrise, die sich mittlerweile im unwiderruflichen Abschmelzen des Grönland Eisschild manifestiert. All inklusive ist vorbei und wo lebt ihr überhaupt. Muss Reisen, muss Party, muss Kotzen, muss Denken wäre eine Alternative und im übrigen ist es völlig sinnlos die Schuld bei den anderen zu suchen, denn solange man noch handeln kann, hat man selbst Schuld. So vergeben wir uns denn unsere Schuld und unseren Schuldnern auch, denn frei von Schuld sind nur die Kontostände der Engel, aber der Himmel über der Stadt bleibt bleigrau. Unterm Strich kommunizieren rote Linien mit grünen Streifen, denn viele kleine Schritte sind letztendlich mehr, als wenige große Schritte, solange die Richtung stimmt.
Dort in der Kirche heirateten vor über fünfzehn Jahren Johnny und Aga. Kit Hu, die bis heute ungemein zauberhafte Inhaberin von „Madame Hu“, hatte sich sehr bemüht, ihren Freund und Koch Johnny, mit einer für ihn passenden Frau bekannt zu machen. Irgendwann klappe es dann und als Aga schwanger wurde, wurde in der evangelisch-lutherischen Kirche an der Kreuzung Fruchtallee / Weidenallee / Weidenstieg / Hohe Weide geheiratet. Nach der kirchlichen Trauung gab es einen kleinen, eher bescheidenen Imbiss in den Räumlichkeiten der evangelischen Kirche und dann ging das Fest bei „Madame Hu“ weiter. Draußen auf der Grünfläche zwischen Pferdemarkt, Polizeiburg und „Madame Hu“, wurden Spanferkel gegrillt und drinnen hatten Johnny und Kit alles aufgefahren, was die Küche und Johnnys Kochkünste hergaben. Während wir uns an den ausgewählten Speisen und am Spanferkel, am Wein und am Kiff delektierten, unterhielt Johnnys Familie uns mit Sketchen aus Johnnys Leben. Im Gegensatz zu Johnny, der seiner Leidenschaft fürs Kochen gefolgt war, waren seine Brüder in die Fußstapfen ihres Vaters getreten und seiner Leidenschaft fürs Geld gefolgt. Johnnys Hochzeit mit Aga war eines der schönsten Feste, zu denen ich eingeladen war. Als Aga zum zweiten Mal schwanger wurde, konnte Johnny es sich nicht mehr leisten, auf seinen Lohn zu warten, bis bei „Madame Hu“ wieder mehr los war. Er ließ sich von den Betreibern des „Hatari“ abwerben und kochte Jahre lang weit unter seinem Niveau. Da er wirklich Koch aus Leidenschaft war, ertrug er das auf die Dauer überhaupt nicht und suchte sich immer wieder Örtlichkeiten mit einer entsprechenden Küche, wo er dann endlich mal wieder richtig kochen konnte. Der Lohn und das Publikum waren ihm mittlerweile ziemlich egal, er wollte einfach nur gut kochen. Seine Freunde wussten das zu schätzen und kamen gerne, aber Johnnys Kunst wirklich angemessen zu bezahlen, überstieg ihre finanziellen Möglichkeiten. Das Angebot des Golfplatz Besitzers war dann eine echte Erlösung, endlich konnte Johnny wieder auf seinem Niveau kochen, wenn auch nicht unbedingt für seine Freunde und seine Familie ernähren. An der Kirche und ihrem Insektenschutzareal vorbei, geht es weiter zum „That's Amore“, einem Gartenlokal mit italienischer Küche. Bevor das „That's Amore“ in die Räumlichkeiten beim alten Bunker an der Ecke Weidenstieg / Eschenstieg / Bismarckstraße einzog, residierte dort viele Jahre lang sehr erfolgreich, ein Restaurant mit gemischt mediterraner Küche. Die Photos an den Wänden zeigten die Betreiber mit der gesamten, lokalen Politikprominenz des roten und grünen Stadtteilspektrums. Sie pflegten den Garten überaus liebevoll, aber dann wurde direkt vor ihrem Lokal ein riesiges Loch in die Straße gegraben und gigantische Baumaschinen und Fahrzeuge lärmten fast rund um die Uhr. Das dauerte fast zwei Jahre und der Laden ging ein. Stattliche Hilfen gibt es ja erst seit Corona. Was ich auch nicht verstehe ist, warum wurde eigentlich all den Einzelhandels und Fachgeschäften vorm Ausbruch der Coronakrise keine Hilfe gewährt. Was unterscheidet den Tsunami eines biologischen Virus von einer technologischen Veränderung?
Die Vögel sind schon lange nicht mehr frei.
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MÜCKEN MASSAGE.
Seit ungefähr einer Woche residiert der Saft Hippie aus Süddeutschland nun mit seinem Bus in der Lerchenstraße. Ganz und gar unalternativ hat er sich in Biggis Kiosk anheuern lassen und hilft dem Betreiber dabei, die ganze Ecke Schanzenstraße / Schulterblatt / Pferdemarkt zu terrorisieren. Laut rufend stellt er sich jedem Passanten und jeder Passantin in den Weg und preist seine frisch gepressten Obstsäfte, als super gesund und super lecker an. Wer nicht schnell genug weg sieht oder explizit unfreundlich ist, wird verhaftet und muss Saft trinken. Ein Festival ist das hier an der Ecke aber ja nicht und erst recht nicht in Zeiten von Corona. Unverdrossen stellt der Saft Hippie sein Äquickment, bestehend aus ein paar gefolterten Topfpflanzen und hipen Barhockern, vor seinen Saftausschank und sorgt für Verkehrsengpässe. Wahrscheinlich taugte sein Konzept für Festivals, aber Festivals sind nun mal abgesagt. Der Bus, mehr Kleintransporter als komfortables Wohnmobil, steht immer noch in der Lerchenstraße und seine vier Bewohner, entspannen sich nach zwei Uhr Nachts auf dem Dach. Am Meer wäre das bestimmt schöner.
An der Ecke Vereinsstraße / Bellealliancestraße kann man dann in „Mareas Tapasbar“, ganz zauberhaft draußen sitzen und sich beim Anblick der Jugendstilfassaden und der alten Bäume, ganz weit weg träumen. Das der Wein wirklich gut schmeckt, ist dabei ganz bestimmt hilfreich und Mareas Tapas sind auch zu empfehlen. Fast zwei Jahre lang hing im einem der Fenster des Lokals ein Aushang, auf dem die Inhaberin Mitarbeiter im Service suchte. Seit der Corona Krise ist der Aushang verschwunden und in „Mareas Tapasbar“ herrscht kein Mangel mehr an Servicekräften. Auf der gegenüber liegenden Ecke befand sich mindestens dreißig Jahre lang ein griechisches Lokal, dass überwiegend von Mitgliedern sehr links ausgerichteter politischer Gruppierungen besucht wurde. Wer dort griechische Speisen und Getränke verzehrte, konnte sich den lautstarken Diskussionen am Nachbartisch nicht wirklich entziehen, die von der unmittelbar bevorstehenden Erhebung der Arbeiterschaft gegen das Kapital kündeten. Nun blieb die Revolution bisher aus und in die Räumlichkeiten des revolutionären Griechen, zog ein mehr kapitalistisch orientierter Japaner, der allerdings schon vor der Corona Krise pleite ging. Die Wohngegend rund um die Belle ist schon seit Jahrzehnten nicht gerade billig und wer dort wohnt zieht nicht mehr weg, was auch eine nicht unerhebliche Fraktion, eher links autonom ausgerichteter Bürger so gehalten hat. Wer im Quarree zwischen der Belle und der Altonaer Straße spazieren geht und ein wenig Aufmerksamkeit auf die an Hauswände, Laternen und Ampelmasten geklebten Flyer verschwendet, wir immer wieder überrascht werden, von den umfassenden. sozialistischen Forderungen für eine bessere und gerechtere Welt. Von der Ecke Bellealliancestraße / Vereinsstraße geht es weiter bis zur Ecke Bellealliancestraße / Fetstraße. Im dem an der Ecke gelegenen „Bacana“, konnten die Fußball begeisterten Bewohner des Viertels, viele Jahre den Spielen der Bundesliga und der Champions League zusehen, was den Betreiber des „Bacana“ beliebt und wohlhabend machte. Vor ungefähr anderthalb Jahren verkaufte er die Bar an einen Griechen, der den Laden in „Bacana-Kos“ umbenannte, das SKY Abo kündigte, dem Publikum dafür Flammkuchen und Burger anbot und mittlerweile kurz vor der Pleite steht. Etwa fünfzig Meter weiter in der Fettstraße, residiert die „Schwarze Katze“, einer der letzten links autonomen Vereinsläden, die sogar völlig konsequent ihr W-Lan fürs Publikum geöffnet haben. Gewöhnlicherweise machen wir uns über die Fettstraße zurück auf den Weg ins Schanzenviertel, aber es gibt auch die Möglichkeit, der Belle vorbei am Spielplatz und Budni, bis zur Kreuzung Fruchtallee / Weidenallee / Weidenstieg / Hohe Weide, bei der U-Bahn Station Christuskirche zu folgen. Auf der anderen Seite des Ufers, dieses gigantischen Verkehrsflusses, nehmen wir den Weidenstieg und bewundern die prachtvolle, riesige Trauerulme vor der evangelischen Kirche. Die Kirchengemeinde engagiert sich mittlerweile auch für Artenschutz und hat auf den Grünflächen vorm Gotteshaus, ein Areal für wilde Pflanzen eingezäunt.
Seit reisen nicht mehr bildet, macht es krank.
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VEILCHEN BESCHLEUNIGER.
Schnell passte das Ballermannvolk sich dem Verbot des Alkohol außer Haus Verkauf, zwischen acht Uhr abends und sechs Uhr morgens an und brachte seine eigenen Vorräte mit. Es dauerte nur ein Wochenende und anders zu erwarten war das auch nicht, aber die Ignoranz unserer Stadtregierung kennt keine Grenzen. Alle Abstandsregeln sind wieder außer Kraft gesetzt, die Anwohner werden bis zum Morgengrauen terrorisiert und das Viertel bleib Müll übersät zurück. Mit einem Hund auf die Straße zu gehen, ist so gut wie unmöglich, denn Flaschen zerschmettern ist neben hysterischen Schreien, eine der beliebtesten Disziplinen der Ballermänner und Ballerfrauen. Unser Senat weigert sich standhaft, wirkungsvolle Maßnahmen umzusetzen und den Verzehr von Alkohol auf der Straße, außerhalb des Außenbereichs von Bars und Restaurants zu verbieten. Wir werden verarscht und nicht nur hier, sondern auch in Bussen und Bahnen, denn solange Maskenverweigerung nicht mit schmerzhaften Bußgeldern belegt wird, wird sich nichts ändern.
Dann wurde das alte Eckhaus, von dem der Krieg nur noch das Erdgeschoss und den ersten Stock übrig gelassen hatte, abgerissen und mittlerweile steht dort, wo einst das „Hatari“ stand, ein in Rekordzeit hochgezogener, schmuckloser Neubau mit Eigentumswohnungen. Die Betreiber des „Hatari“ aber waren mit ihren Konzept so erfolgreich gewesen, dass sie gleich mehrere neue Restaurants aufzogen, deren kulinarisches Angebot und die Inneneinrichtung, dem Konzept im ehemaligen Chinalokal treu blieben. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs übernahmen sie sogar den Laden an der Ecke Pferdemarkt / Grüner Jäger, in dem seit über dreißig Jahren kein Geschäft mehr hatte Fuß fassen können, wahrscheinlich hatte ein enttäuschter Kunde, die ehemaligen Räumlichkeiten des Kreditinstitus, nachhaltig verflucht. Das Glück blieb ihnen treu, sie nannten das Restaurant „Hate Harry“ und verwandelten es in eine Goldgrube. Als dann allerdings Johnny, der ungemein begabte Koch von „Madame Hu“, auf der gegenüber liegenden Seite der Kreuzung, denn sie dort abgeworben hatten, mit einem großzügigen finanziellen Angebot, vom Betreiber eines Golfplatzes, ihnen abgeworben wurde, ging es kontinuierlich mit dem „Hate Harry“ bergab. Der Laden steht nun schon wieder seit längerem leer. Beim ehemaligen „Hatari“ wird die Waterloostraße zur Bellealliancestraße, von den Einheimischen nur Belle genannt. Dem Neubau gegenüber liegt, von etlichen Bäumen gut beschattet, die „Pfeil“ Apotheke, im Erdgeschoss eines ziemlich hässlichen, schon etwas älterem, viergeschossigen Wohnblocks, dessen Dachwohnungen dafür aber über großzügige, ebenfalls gut beschattete Dachterrassen verfügen. Bis zur Ecke Marthastraße / Bellealliancestraße, flankieren zwei Spielplätze die Bürgersteige, die ihnen folgenden Häuser werden dem Namen der Belle noch nicht so ganz gerecht, aber ab der Ecke Lindenallee / Bellealliancestraße, macht die Belle ihrem Namen dann alle Ehre. Hinter hohen, alten Bäumen stehen nicht minder alte Häuser, nicht immer saniert, aber dafür bunt gestrichen, die Fassaden mit Ornamenten reich verziert, die Hausportale eingefasst von allegorischen Figuren, die Balkone ebenfalls gestützt von solchen mythischen Wesen und die schmiedeeisernen Gitter der Balkon sind mit üppig wuchernden Blumenkästen behangen. Die Reise in die Vergangenheit beginnt an der Ecke Lindenallee / Bellealliancestraße mit den „Gloria“. Das „Gloria“, wo man ganz wunderbar draußen sitzen kann, ist weder ein Cafe, noch eine Bar, noch ein Restaurant, aber es gibt Kaffee und Kuchen, diverse mediterran angehauchte Gerichte, alle möglichen Getränke, Longdrinks und Sonntagsbrunch. Dem „Gloria“ gegenüber liegt der „Aydin Markt“, ein kleiner Supermarkt mit Schwerpunkt auf Gemüse und türkischen Gerichten zum Mitnehmen. Dem „Aydin Markt“ folgt eine Kerzenwerkstatt und ein paar andere, eher in ökonomischen Nischen ansässige Gewerbe, die sich anscheinend in der Belle halten können. Der obligatorische Kiosk, nennt sich „Belle Bakery“ und so vermählt sich denn die schöne Prinzessin des Jugendstil mit den unumgänglichen Anglizismen der Postmoderne.
Lieber beim Wort nehmen, als beim Wickel packen.
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AKTEN LEICHEN.
Mit der steigenden Temperatur, werden wahrscheinlich auch die Corona Infektionen ansteigen. Inkonsequent und unbeweglich, wie unsere Stadtregierung es ist, haben sie es natürlich bis heute vermieden, dass Alkoholverkaufsverbot auf die gesamte Woche auszudehnen, einer der wenigen Hebel, der ihnen zur Verfügung steht. Wohlgesinnte nennen es Balzen, aber Balzen ist in den Zeiten von Corona total kontrapunktiv. Obwohl dieses Virus keine Geschlechtskrankheit auslöst, so wirkt es doch über das, was schon immer am wirkungsvollsten war, den Geschlechtstrieb junger Menschen, die deswegen keinen Abstand halten können. Über Trieb hemmende Mittel braucht man ja nicht mal zu spekulieren und Verzicht ist angesichts der Klimakatastrophe auch immer noch keine Option. Ich ficke also bin ich und wer nicht fickt, vermehrt sich nicht, was wirklich besser wäre.
Auch auf dem Stück zwischen der Ecke Waterloostraße / Waterloo Hain und Ecke Waterloostraße / Heinrichstraße, könnte mit ein paar kleinen, optischen Tricks wahrscheinlich jeder Zeit ein Film gedreht werden, dessen Handlung im neunzehnten Jahrhundert angesiedelt ist. Ein paar Häuser auf der linken Straßenseite könnten ohne weiteres als englische Stadthäuser durchgehen und nur die Ecke Waterloostraße / Heinrichstraße, wird von einem Rotklinker Neubau beherrscht. Unten im Haus befindet sich eine Lokalität, bei der ich mir nie sicher bin, ob es sich um ein Wettbüro oder eine Tagesstätte für ältere Herren handelt, die dann auch gerne davor sitzen und den spärlichen Spaziergängern hinterher glotzen. Die beiden wunderschönen Bäume, rechts ein von Blüten übersäter kleiner Baum und links ein mächtiger, alter Baum, lassen die Irritation sofort verschwinden und der Blick in die Heinrichstraße mit ihren mehr als großzügigen Vorgärten und zauberhaften Stadtvillen, ebenfalls recht englisch angehaucht, lässt mich dann weiter vom romantischen Wohnen im Herzen der Stadt träumen. Ein paar Schritte weiter öffnet sich der Blick in einen begrünten, aber etwas verwahrlosten Hinterhof, der vier Garagen, wahrscheinlich noch aus den sechziger Jahren beherbergt. Vor den Garagen liegt ein kleiner, gepflasterter und von wilden Pflanzen überwucherter Platz, der sich ideal zum Grillen eignet. Ob die Garagen noch als Garagen genutzt werden, konnte ich bisher nicht feststellen, aber auf jedes Garagentor ist ein großer, lindgrüner Buchstabe gesprayt worden und zusammen ergibt sich daraus der Name ERIC. Ob besagter Eric der Besitzer der Garagen ist, oder nur irgendwie anders auffällig geworden, verraten die Buchstaben nicht. Kurz dahinter ist ein ehemaliger Blumenladen in ein Gemeinschaftsbüro mit Gartennutzung verwandelt worden, dessen Büroplätze schon seit längerem an einem Ampelmasten, an der Kreuzung Waterloostraße / Eimsbüttler Chaussee / Bellealliancestraße, beworben werden. Dort an der Kreuzung endet denn auch das nostalgische Groß Britannien und das moderne England beginnt. Wo einst das „Froggys“, sein Stammpublikum aus Kurierfahren und Anwohnern, mit Speisen aus der Mikrowelle, Bier und Dart bei Laune hielt, residiert nun „The Pub“, mit einem Angebot, das nicht wesentlich von dem des „Froggys“ abweicht. Ob man schon zu Zeiten des „Froggys“, die Bundesliga und die Champignons League verfolgen konnte, weiß ich nicht, aber mittlerweile stehen auf dem recht großzügig bemessenem Bürgersteig, etliche gut besetzte Tische mit halbwegs genügend Abstand und der Ball rollt. Schräg gegenüber auf der anderen Seite der Kreuzung, versorgte noch vor einigen Jahren, dass überaus angesagte „Hatari“, seine Kundschaft mit Flammkuchen, Pizzen, Burgerimitaten, Salaten und fertigen Soßen in Plastikflaschen. In den Räumlichkeiten eines ehemaligen Chinalokals, das zur Mittagszeit professionelle Fahrer mit einer erschwinglichen Tageskarte versorgte und am Abend Anwohner, verdienten die Betreiber des „Hatari“ sich, mit ihrem pseudo alternativen Konzept eine goldene Nase. Sie ließen fast die gesamte, sehr falsch vergoldete und extrem künstliche Dekoration des Chinalokals an den Wänden, streuten ein paar ausgestopfte Tiere dazwischen und waren, trotz des miesen Essens, das serviert wurde, extrem hip.
Nur die Welt hat alle Zeit der Welt.
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WOLKEN TÜRMER.
Wie fühlt es sich eigentlich an, die Tatsachen ganz bewusst zu verfälschen, um irgendetwas zu erreichen. Im Buch der Lügen wird nicht gelogen, im Buch der Lügen werden Lügen enttarnt und wer lügt muss selber dafür gerade stehen. Ich lüge nicht weil ich bin, sondern weil ich sterben muss und das verleugnen will, aber es nützt nichts. So gehen die Lügen denn ganz still und leise zu Bett, weil sie unendlich müde sind und nicht mehr lügen wollen. Besser ist es sowieso, in den Wind zu spucken und zu lachen, denn alles Glück dieser Verse liegt auf dem Rücken der Wolkenkäme, die nur von wahren Versemenschen geritten werden können.Wohin der Wind weht, wissen nur Windrosen und Windvögel, aber wer Wind machen will, sollte nicht mit dem Wind jammern, sondern Wind mahlen. Ob die Inseln vor, hinter oder unter dem Wind liegen, spielt dabei keine Rolle.
Kurz hinter der Ecke Arnkielstraße / Langenfelder Straße, befindet sich das Restaurant „Taverna Ägäis“. Wie der Name schon vermuten lässt, wird dort griechische Küche serviert. Außer der „Taverna Ägäis“ gibt es zwischen Duschweg und Alsenstraße, ausgenommen davon sind die Hinterhöfe mit ihren alternativen Kunst und Pflegeeinrichtungen, kein weiteres, irgendwie kommerziell ausgerichtetes Gewerbe an der Straße. Der einzige Kiosk liegt nicht in der Langenfelder Straße, sondern in der Arnkielstraße, kurz vor der Ecke Arnkielstraße / Langenfelder Straße und ist auch nach seinem Standort, als „Arnkiel Kiosk“ benannt. „Taverna Ägäis“ punktet mit einem ganz zauberhaften und liebevoll gepflegten Garten, auf dem Grünstreifen zwischen Bürgersteig und Straßenrand. Die Gäste der Taverna können dort unter einem Dach aus Weinreben, umgeben von Kübeln voller bunt blühender Blumen speisen. Leider sind die Betreiber momentan im Urlaub, aber wir haben uns ganz fest vorgenommen, dort einen Tisch reservieren zu lassen, sobald die Taverna wieder geöffnet wird. Still und ruhig geht es unterm Kronendach der hohen Bäume, flankiert von alten Häusern, deren stimmige Art Deco und Jugendstil Fassaden, nur ab und an von den Bausünden der Nachkriegszeit und der Postmoderne unterbrochen werden, bis zu einem kleinen, Verkehrsberuhigten Kreisel, kurz vor der Alsenstraße, Teil des Ring Zwei mit seinem, fast rund um die Uhr tobenden Verkehrsfluss. Wir gehen gegen den Uhrzeigersinn weiter und nehmen die Abzweigung zur Waterloostraße, direkt vorbei an der „Alsen Oase“ einer Kombination aus Imbiss, Lebensmittelgeschäft und Kiosk, die sich etwas hochtrabend Salatbar nennt. Von der Ecke Waterloostraße am Kreisel, bis zur Ecke Waterloostraße / Eimsbüttler Straße, ist es nur ein wenig mehr als ein Katzensprung. Die alten Jugendstilhäuser sind besonders schön, die Balkone bepflanzt und mit romantisch verschnörkelten Gittern versehen und die Vorgärten großzügig. Irgendetwas muss hier anders sein, denn sonst könnte das „Black Hole“ Tattoo Studio, in so einer Wohnlage bestimmt nicht überleben. Auch die Ecke Waterloostraße / Eimsbüttler Straße besticht mit ihrer Großzügigkeit. Der riesige, von Bäumen beschattete Bürgersteig, lädt eigentlich ein zum Verweilen, aber es gibt kein Angebot sich niederzulassen. Nur die Holstenbackstube auf der gegenüber liegenden und erheblich viel schmaleren Straßenseite, bietet am Vormittag ein paar Stühle und winzige Tische an. Zwischen der Ecke Eimsbüttler Straße und Waterloo Hain, fallen besonders die auf der linken Straßenseite gelegenen Jugendstil Häuser auf. Die Straße ist hier ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, mit ihren etwas baufälligen, hübsch in Pastellfarben gestrichen Fassaden und den super großzügigen Balkonen, auf den Dächern der Vorbauten ehemaliger Einzelhandelsgeschäfte im Erdgeschoss. Ich komme jedes Mal ins Träumen, wenn ich diese überaus großzügig bemessenen Balkone sehe und stelle mir vor, wie es wohl ist, so einen Balkon zu haben. Ansonsten ist Waterloo ja ein bisschen fragwürdig und eher mit historischen Niederlagen verbunden, aber davon ist hier wenig zu spüren.
Ein halbes Huhn hat noch nicht mal ein halbes Leben.
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