STUSS
     MUND

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30.01.21 27.01.21 24.01.21 21.01.21 18.01.21 15.01.21 12.01.21 09.01.21 06.01.21 03.01.21
BIBEL SUPPE.

Das die große Party so nicht wieder kommen wird, dürfte langsam, aber ganz sicher in den Mainstream der Gesellschaft einsickern. Das Virus wird nicht verschwinden, mit Glück bändigen wir es halbwegs, aber frei von Corona wird die Welt wahrscheinlich erst im weit über hundert Jahren sein, denn es ist eine Jahrhundert Aufgabe. Vielleicht ist es auch eine Chance für Neu Rom, kein großer Knall, sondern ein langsames Erwachen nach der großen Party. Auch wenn es unangenehm ist, internationaler Tourismus ist einer der Faktoren, die die Umwelt am meisten zerstören. Lebt regional, kauft regional, esst regional und reist regional, wenn ihr euren Planeten retten wollt. Und, nicht die anderen sollen anfangen, denn jeder fängt da an wo er kann, bei sich selbst. Steckt eure, im Überfluss vorhandene Energie, in die Pflege und Verschönerung eurer direkten Umwelt, auf das sie schön werde wie Bali, denn wenn wir es wirklich wollen, ist Bali überall.

Ein ganz klassischer Fall von Kleidern die Leute machen, ist die Kutte. Jahrhunderte lang wurde damit ein bodenlanges, weites Gewand mit langen Ärmeln, Kapuze und manchmal einem Schulterüberwurf bezeichnet, das vorzugsweise von Mönchen getragen wurde, die Mönchskutte. Jeder Orden hat seine eigene Kuttenfarbe, meistens schwarz, braun oder weiß, oder auch zweifarbig, aber immer im Rahmen von schwarz, braun und weiß. Die Kutten der Ordensfrauen, nicht weniger lang und weit, aber nicht immer mit Kapuze, sondern oft von einer imposanten Haube gekrönt, werden meistens als Tracht oder Habit und nicht als Kutte bezeichnet und machten eine ganz erstaunliche Karriere als erotisches Bekleidungsstück. Der Wollstoff, mehr grob als fein, mutierte zu Samt und Seide, oder Leder und Latex, zeigte mehr, als das er verhüllte, oder aber unter der vollständigen Verhüllung ging es dann umso spärlicher bekleidet zu. Im weltlichen Leben wurde die Kutte radikal gekürzt, verlor ihre Ärmel und näherte sich immer mehr einer profanen Weste an, nur dass sie eben keinesfalls ein profanes Kleidungsstück ist. Eine moderne Kutte ist mit allerhand aufgenähten Abzeichen geschmückt, die ihren Träger oder ihre Trägerin, als Mitglieder einer ideologischen Gruppe ausweisen. Es kann sich dabei um Motorradclubs, Fußballvereine oder Heavy Metal Gruppen handeln, die Kutte mit den entsprechenden Aufnähern gibt Zeugnis ab, über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft. Den solcherart geschmückten Kutten werden des öfteren fast magische Eigenschaften zugeschrieben, sie transportieren den Geist ihres Clubs, ihrer Band, ihres Vereins. Sie zu verlieren bringt Schande und Unglück, wie bei einem religiösem Relikt. So sind sie denn im Geiste verbunden, mit den Kutten der Ordensmänner und Frauen, obwohl die Theorie besteht, dass das Wort Kutte vom englischen „cut off“ abgeleitet ist und sich auf die abgeschnittenen Ärmel bezieht. Diese Theorie wird allerdings unter vielen Kuttenträgern bezweifelt. Ebenfalls magisch sind sogenannte Lieblingskleidungsstücke. Fast immer verbunden mit besonders glücklichen Momenten, werden sie, mit dem Wunsch nach Wiederholung getragen, bis sie auseinanderfallen und landen auch dann nicht im Müll, sondern irgendwo in der untersten Schublade einer Wäschekommode, in der hintersten Ecke eines Kleiderschrankes, in einem Karton auf dem Dachboden oder im Keller, nur weg kommen sie nicht, weil das Glück an ihnen klebt. Wer kein Lieblingskleid, keinen Lieblingspullover besitzt, hat vielleicht einen kleinen Stein oder eine Muschel vom Strandspaziergang, eine zufällig gefundene Vogelfeder, in der Tasche, ohne die gar nichts geht. Magie ist keine Einbahnstraße, sie kommt von den Dingen der Welt zu uns und von uns zu den Dingen. Immer wenn ich nach durchfeierten Nächten unten am Hafen, auf meinem Weg hoch zum Schulterblatt, an „Harrys Hafenbazar“ vorbei kam, überfiel die Magie der Dinge mich. Bis unter die Decke und bis in den letzten Winkel vollgestopft, mit Objekten aus der ganzen Welt, konnte man sich in den labyrinthischen Gängen des alten Ladens komplett verlieren. Bei Harry hatten Seefahrer aus allen Winkeln der bewohnten Welt, ihre rechtmäßig oder auch weniger rechtmäßig erworbenen Trophäen zu Geld gemacht. Bei Harry waren Götter und Geister, Dämonen und Dschinns, Feen und Furien, Engel und Teufel aus sämtlichen Religionen der Welt zu Gast. Kultische Objekte die vielleicht schon über Jahrhunderte angefasst worden waren, mit Wunsch und Willen, mit Lust und Leid und ganz bestimmt nicht dafür gemacht, um als Design Objekt in einem Wohnzimmer zu landen.

Wo gemogelt wird, lallen Hähne.

DATEN SCHMUTZ.

Nun tanzen sie den Staaten endgültig auf der Nase herum. Wohl und Wehe von Gnaden der Pharmakonzerne und allerorten viel zu viele Nebentätigkeiten. Wirklich autark ist nur, wer sich selbst heilen kann und das können Gesellschaften, die ihre Heilmittelproduktion in irgendwelche Billiglohnländer ausgelagert haben, nicht mehr. Noch ein Grund um über die, umweltpolitisch schon lange notwendige Verkürzung der Transportwege nachzudenken. Das die von der abtrünnigen Insel nur für fair halten, was für sie fair ist und nicht für andere, sollte niemanden wundern und deswegen darf man nicht auf die Fairness der Insulaner warten, sondern muss sie sich nehmen. Zehn Prozent Geimpfte auf der Insel, wenn in Europa dann auch zehn Prozent geimpft sind, wird wieder Impfstoff exportiert. Impfgegner kochen sich ein Süppchen und segeln im Schatten einer geordneten Gesellschaft mit, denn unruhige Zeiten will man ja wirklich niemanden wünschen. Wer nun noch maulen will, soll das gerne tun, denn ohne Widerspruch geht es sowieso nicht.

Das Konzept des Verkleidens geht davon aus, dass es ein wahres und ein geliehenes ich gibt. In einer Gesellschaft, die, die Persönlichkeit des einzelnen Individuums, zu nicht unerheblichen Teilen über die Arbeit definiert, stellt sich die Frage, was denn nun eigentlich Verkleidung ist und welche Bekleidung dem wahren ich entspricht. Ist die auffällige Inszenierung eines Punkers oder einer Punkerin authentischer, als die, als angemessen angesehene Bekleidung fürs Büro. Was ist mit dem Chefarzt oder der Chefärztin, die wahrscheinlich mehr Zeit in einem weißen Kittel verbringen, als in Freizeitkleidung. Seit der Muff von tausend Jahren, unter den Talaren der Universitätsprofessoren und damals wie heute auch, noch außerordentlich spärlich vertretenen Professorinnen, vertrieben wurde, verschwimmen zumindest im pädagogischen Bereich, sei es nun an Universitäten, Schulen, Kindergärten oder Jugendzentren, teilweise die Grenzen zwischen der Bekleidung für Arbeit und Freizeit. Hinzu kommt das weite Feld der Uniformen, als Verkleidung ganz besonders beliebt, außer bei Hunden, die es besonders auf uniformierte Postboten abgesehen haben, weswegen Postbotenuniformen auf Kostümfesten wohl auch kaum vertreten sind. Ansonsten erfreuen sich Mützen, Handschellen und Pistolenhalfter von Polizisten, im Verein mit dem Helmen und Sicherungsgurten von Bauarbeitern, als erotische Verkleidungsutensilien auf Bühnen und Festen großer Beliebtheit. Nun reicht eine Polizeimütze aber als Dienstbekleidung nicht aus und warum tragen lange nicht alle Polizeibeamten und Beamtinnen Uniform und ist ein Polizist oder einer Polizistin, die gewöhnlicherweise in Uniform auftreten, ohne Uniform nicht mehr bei der Polizei. Ganz besonders attraktiv galten lange Zeit die Uniformen von Piloten und Stewardessen. In den Film „Catch Me If You Can“ von 2002, verkörpert Leonardo DiCaprio, den damals noch sehr jugendlichen und sehr genialen Hochstapler Frank Abagnale, der sich mit Hilfe einer Uniform als Pilot ausgab und auf diesem Wege ohne weiteres gefälschte Gehaltsschecks einlösen konnte. Die Pilotenuniform machte ihn, trotz seines jugendlichen Alters komplett Vertrauenswürdig und obendrein für etliche Frauen unwiderstehlich. Sie wirkte fast wie ein Tarnmantel, der Seriosität, Potenz und Wohlstand suggerierte. Ähnlich ist es mit den Insignien erfolgreicher Geschäftsleute, ihren Anzügen, Autos, Uhren, unbegrenzten Kreditlinien, attraktiven Begleitungen, in Verbindung mit dem entsprechenden Auftreten. Der aktuelle Wirecard Skandal ist wahrscheinlich nur die Spitze eines Eisberges wirtschaftlicher Hochstapler. Frank Abagnale gab sich aber nicht nur erfolgreich als Pilot aus, sondern auch als Arzt und Anwalt, bis das FBI ihn endlich in Frankreich erwischte. Er wurde zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt und nach kurzer Zeit vom FBI wieder aus dem Gefängnis geholt. Sie boten ihm einen Job in der Aufklärung von Scheckbetrügerei an, den er, zum Nutzen der Aufklärungsquote, nicht ablehnte.

Jede Lieferkette ist so stark, wie ihr schwächstes Glied.

SAFT ACKT.

Im Kulturkampf unserer Tage dreht sich alles um Verschärfen oder Lockern, denn locker sollte man nun wirklich bleiben, aber das Essen könnte schärfer sein. Diese fiesen Fertiggerichte und Imbisspampen schmecken nicht nur völlig fade, sondern auch völlig gleich und riechen impertinent nach Geschmacksverstärkern, die das Immunsystem schwächen So schnell werden wir das schlau mutierende Virus wohl erst mal nicht los werden und deswegen sollte, wer nicht ewig Scheiße fressen will, kochen lernen. Wenn wir die multinationalen Impfstoff Konzerne, mit ihren undurchsichtigen und unsozialen Produktions und Verkaufsstrategien nicht ganz schnell verstaatlichen, werden wir wohl noch im Sommer des Jahres 2022 im Lockdown sitzen. Den Impfstoff Konzernen ist das egal, sie verdienen damit ihr Geld. Erst Milliarden an Steuergeldern für die Entwicklung eines Impfstoffes kassieren und dann an den Meistbietenden verkaufen, der obendrein noch die Daten seiner Bürger dazu liefert. Komplett unverständlich ist, warum die EU nicht bereit ist, ihre Verträge mit den Impfstoff Konzernen zu veröffentlichen, ganz im Gegenteil zu Israel, das den doppelten Preis pro Impfdosis bezahlt und die Daten seiner Bürger dazu gibt. Dafür werden sie dann auch mit ausreichend, in Europa produziertem Impfstoff, beliefert.

Die Lust am verkleiden ist nach wie vor nicht nur ungebrochen, sondern auch ein elementares, gesellschaftliches Ritual. Die ersten schriftlichen Zeugnisse reichen fünftausend Jahre zurück, eine altbabyloische Inschrift aus Mesopotanien erwähnt ein siebentägiges Fest, das um die Neujahrszeit gefeiert wurde. Das Fest symbolisierte eine göttlich Hochzeit, über die Festtage durfte kein Getreide gemahlen werden, eine Art Arbeitsverbot und das aller wichtigste, während der Festtage waren die Menschen einander gleichgestellt, denn die Aufhebung der gesellschaftlichen Unterschiede ist bis heute eines der prägendsten Merkmale des Karnevals. Unter der Maske verschwindet der Status und manchmal sogar das Geschlecht einer Person. Zwar sind die prächtigen Karnevalsumzüge überall auf der Welt eine große Show, aber sie dienen oft auch der Kritik an allen möglichen Missständen und verspotten die Herrschenden hemmungslos. Der Karneval ist ein Ventil, Regeln werden außer Kraft gesetzt, Verbote fallen, mit dem entsprechenden Kostüm werden aus ganz und gar normal Sterblichen Götter und Göttinnen, Könige und Königinnen, denn Kleider machen eben doch Leute und Götter tragen Masken. Statt Ordnung, Arbeit und Monogamie, regieren Rausch und Entgrenzung und wenn dann am Ende der Feiertage, der große Katzenjammer beginnt, wird die Ordnung auch wieder geschätzt. Wer die Wildnis nicht kennt, weiß die Zivilisation nicht zu würdigen, mittlerweile ein allgegenwärtiges Problem, denn wir haben die Wildnis auf unserem Planeten so gut wie vernichtet, aber die Wildnis ist immer noch in uns, weil sie ein Teil von uns ist. Als es noch ausreichend Wildnis auf diesem Planeten gab, pflegten viele Stammesgesellschaften Initiationsrituale und eines der wichtigsten, war das Ritual für den Eintritt ins Erwachsenenleben. Dieses Initiationsritual zog sich manchmal bis zu einem Jahr hin. Die Probanden verließen ihre gewohnte Umgebung und zogen in Lager irgendwo in der Wildnis. Alle Gewohnheiten und Verhaltensregeln, die Ernährung und manchmal auch die sprachlichen Begriffe, wurden in ihr Gegenteil verkehrt, oder blieben offen. Fehltritte wurden bestraft und niemand wusste, was falsch oder richtig war. Wer diese körperliche, geistige und seelische Tortur überlebte, kehrte in die Zivilisation und ins Erwachsenenleben zurück und wusste fortan, wozu verbindliche, gesellschaftliche Regeln gut sind. So dient die Umkehrung der Ordnung, dann immer auch der Ordnung, die nur durch ihr Gegenteil besteht, wie das Yin und das Yang.

Wer den Bogen raus hat, braucht keinen Pfeil mehr.

SPAGAT GURKEN.

Trotzdem bleiben haarige Angelegenheiten haarig und das Haar in der Suppe muss auch nicht sein. Problematisch wird es, wenn die Haare auf den Zähnen bleiben, nicht unbedingt für die an den Zähnen behaarten, aber für ihre Kontrahenten schon. Trotzdem ist es wahrscheinlich einfacher Haare wachsen zu hören, als Gras, denn was man nicht an den Haaren herbei ziehen kann, darüber lässt man besser das Gras wachsen. Schöner noch sind die langen Gräser, wenn sie sich im Wind wiegen, Haarschmuck unseres Heimatplaneten. Ohne Haarnetz kommen allerdings nicht mal Haarspalter weiter und wer ein goldenes Vlies mit nach Hause bringen möchte, sollte sich die Haare gründlich waschen. Das unter langen Haaren kein Verstand gedeihen kann, ist mittlerweile überholt, aber in der Hitze des Gefechts, kann der Verstand ohne den Schutz einer Schatten spendenden Haarpracht, schon ganz schön überhitzen.

Meine Mutter kaufte sich eine Kunsthaar Perücke, die sie dann nie trug und einen tragbaren Haartrockner, damit sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden konnte. So glitt sie dann, wie in der Werbung vorgemacht, mit der Trockenhaube auf dem Kopf und dem Staubsauger in der Hand, durch das Eigenheim und sorgte für Ordnung und Sauberkeit. Die Perücke, die sich zwar in der Haarfarbe etwas, aber ansonsten nur unwesentlich von ihrem Haarschnitt unterschied, landete im Verkleidungsfundus, an dem wir Kinder uns gerne bedienten. Frau Bestmanns Perücken zeichneten sich durch gewagte Farben, nicht nur wasserstoffblond oder pechschwarz, sondern auch pink oder nachtblau, avantgardistische Schnitte und beachtliche Haarlängen aus. Sie fiel gerne auf und die Perücken verliehen ihr den nötigen Glamour, selbst wenn manche Perücken wirklich nur für Kostümpartys geeignet waren. Faschingsfeste erfreuten sich großer Beliebtheit und von November bis Februar wurde deswegen regelmäßig zu Partys mit obligatorischer Verkleidung eingeladen. Wie einige andere Herren auch, fand mein Vater das furchtbar und ein angeklebter Schnurrbart, eine Augenklappe, ein Piratentuch, ein albernes Hütchen oder eine noch blödere Pappnase, mussten im allgemeinen für die Verkleidung ausreichen. Ein zum Scheichkostüm umfunktioniertes Bettlaken war dann wirklich das höchste der Gefühle. Onkel Achtzig, eine ausgewiesene Partykanone, erschien zur großen Freude aller anwesenden Kinder und Kinder waren damals durchaus anwesend, in einem Bärenkostüm aus dem professionellen Kostümverleih, Onkel Rudi, sein Konterpart, machte es sich leichter und feierte im Arztkittel mit Stethoskop um den Hals. Das Stethoskop diente vor allem dazu die Damen auf Atembeschwerden abzuhorchen, wobei die Atembeschwerden eigentlich keine Rolle spielten. Das gefiel nicht jedem, der rudimentär verkleideten Ehegatten, aber als Spielverderber wollte sich auch keiner der Herren outen, deren Angetraute durchweg aufwendig und fantasievoll kostümiert erschienen waren. Allen ein Schnippchen schlug dann Herr Witt, erfolgreicher Unternehmer aus Schweden, der als Schornsteinfeger kam und sich von jeder der anwesenden Damen, auf seine Rußschwarzen Wangen küssen ließ. Es wimmelte nur so von feurigen Zigeunerinnen mit Schnürrmiedern und kohlschwarz umrandeten Augen, Haremsdamen in Pluderhosen und bunt glitzernden, Pailletten bestickten Tops, ein Kettchen um den freigelegten Bauchnabel. Die Fernsehserie „Bezaubernde Jeannie“, lag schwer im Trend. Dazwischen tummelten sich Funkenmariechen, Krankenschwestern und ultra coole Stewardessen. Frau Bestmann erschien mit einer imposanten Rokokoperücke und einem ausladen Reifrock über dem sie ein beeindruckend tiefes Dekoltee zur Schau trug. Dieser Auftritt war noch Wochen später Gesprächsthema und nur die Tatsache, dass Frau Bestmann wirklich nicht besonders viel Holz vor der Hütte hatte, schmälerte ihren Ruhm ein wenig. Selbst meine Mutter, die kaum etwas schlimmer fand als aufzufallen, nähte sich mit Unterstützung ihrer besten Freundin Gudrun, Tante Gugu, ein sexy Katzenkostüm, in dem sie aussah wie Emma Peel mit Katzenschwanz und Schnurrhaaren.

Lieber blau machen, als schwarz arbeiten.

LACHS FIGUREN.

Wer den Hals nicht voll genug kriegen kann, sollte sich vielleicht eine Halskrause besorgen und dann in Öl verewigen lassen. Ölschinken muss man reifen lassen und Ölspuren sind ein Fall für die Umweltpolizei, aber Ölarbeiter wollen auch zu ihrem Recht kommen. Wie geölt gleiten dumme Gedanken durch den Traum der Taschendiebe, denn Strohmänner brauchen keine Strohhalme, an denen sie sich fest halten können Mit einer Strohpuppe kommt man aber auch nicht weiter, denn die Gänse rascheln sowieso im Stroh und Strohfeuer sind nicht für die Ewigkeit, weswegen es besser ist Holz vor der Hütte zu haben, als Stroh im Kopf. So kommt das Haferstroh denn vor der Hafermilch und das die Pferde der Hafer sticht, kommt nicht von der Milch. Ob in der Milchstraße nur Milch getrunken wird, bleib zweifelhaft, denn wie jedes Honigkuchenpferd weiß, macht die Milch alleine es noch lange nicht.

Wirklich problematisch wird es allerdings erst, wenn Frauen sich den Kopf komplett kahl scheren lassen, so wie Britney Spears es vor fast vierzehn Jahren, nach dem Scheitern ihrer Ehe, mit dem Background Tänzer Kevin Federline tat. Ob es aus Verzweiflung geschah, oder als Befreiungsschlag, ob es ein Hilfeschrei war, oder ein Akt der Selbstermächtigung, bleibt Spekulation, es endete mit einer Entzugstherapie und finanzieller Entmündigung bis heute. Haare hin, Haare her, Haare müssen, zumindest bei Frauen sein. Unter den Armen dürfen sie fehlen, aber auf dem Kopf sollten sie, wenigstens in der Kurzversion, schon vorhanden sein. Auch die Sängerin Sinead O'Conner handelte sich eine Menge Ärger ein, als sie 1987 ein Musikvideo veröffentlichte, in dem eine glatzköpfige Frau auftrat, mal ganz abgesehen davon, dass Sinead O'Conner sich auch immer wieder den Kopf kahl rasieren ließ. Vielleicht handelt es sich auch um einen Verwandlungszauber, denn die komplette Entfernung des Haupthaares, wurde bei Frauen meistens zu deren Demütigung eingesetzt, oder aber um ihren Eintritt in einen anderen Seinszustand zu markieren,. So wurde den Bräuten Jesus das Haupt ebenfalls kahl geschoren, wenn sie der Welt entsagten und sich einer klösterlichen Ordensgemeinschaft anschlossen. Nach der Zeremonie verschwand das nackte Haupt dann unter einer Haube, wo es des öfteren Jahrzehnte lang Zeit hatte, ganz in Ruhe wieder nach zu wachsen. Und, selbst wenn Yul Brynner und Telly Savalas als durchaus attraktive Männer galten, so ist Glatze bis heute auch bei Männern zwar akzeptabel, aber immer noch problematisch und mit dem Wort Glatzen werden nicht besonders angenehme Zeitgenossen bezeichnet. Was auf dem Kopf erwünscht ist, wird am Körper schon problematischer, was schwer nachzuvollziehen ist. Auf dem Haupt noch untrügliches Zeichen von Gesundheit, Schönheit und Virilität, sind die kleinen, weichen Hornfäden ein paar Zentimeter tiefer völlig unerwünscht. Da ist der Bart nicht nur ab, dem Wildwuchs wird mit heißem Wachs, giftigen Cremes und Epilierapparten zu Leibe gerückt. Pelztiere können kein Lied davon singen, sie leiden nur, denn was auf dem menschlichen Körper unerwünscht ist, bringt etliche unserer vierbeinigen Geschwister vorzeitig und grausam zu Tode, mal ganz zu schweigen von ihren Lebensbedingungen. Die Haare, ein magischer und monströser Stoff. Was einst als Fell eines Bären, Löwen, Tiger oder Wolfes, den Sieg über einen gleichwertigen Gegner anzeigte, weil mit fast gleichwertigen Waffen ausgekämpft, mutierte zu einem perversen Statussymbol. Mit der Perversion kam die Allergie und was ehemals Wärme spendete, macht mittlerweile krank. In seinen jungen Jahren, als er noch sehr langhaarig war, wurde der Sänger Neil Young, von einer Verehrerinnen, mit einem Hemd beschenkt, das sie mit Fäden aus ihrem eigenem Haar genäht hatte. Poetischer geht es kaum und Neil Young, der diese Episode in seinen Memoiren erwähnt, wusste das Geschenk zu schätzen.

Ölschinken sind ungenießbar.

SCHIMPF ZENTRUM.

Das eine globale Pandemie sich nur global bekämpfen lässt, steht wohl außer Frage und bedeutet, das Kontaktbeschränkungen nicht nur lokal, sondern auch global gelten sollten. Warum eigentlich dürfen immer noch alle möglichen Leute rund um den Globus reisen, aber daheim darf ich mich nicht mehr mal mit meinen engsten Freunden treffen. Vielleicht wird die Regel, dass sich ein Haushalt nur mit einer anderen Person treffen darf, auch endlich auf den Flugverkehr angewendet. In so einem Flugzeug, Ferienflieger, sitzen Personen aus wer weiß nicht wie vielen Haushalten zusammen und das ist erlaubt. Wir werden verarscht. Ich bin auch für Nachschärfungen der Coronaregelungen, wie der Herr Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Institut, sie heute in den Nachrichten forderte, aber nicht im persönlichen Bereich, sondern im grenzüberschreitenden Reiseverkehr, denn die Mutanten sind nicht aus den privaten Haushalten gekommen, sondern mit Reiserückkehrern aus England und Südafrika.

Von höchstem Interesse war auch die „Bravo“ selber und obwohl wir lange nicht alles verstanden, arbeiten Heidi und ich das bunt und üppig bebilderte Teenagermagazin gründlich durch. Der Fotoroman ließ uns eher kalt, Jungs waren blöd und lebten noch in einem völlig anderen Universum, aber die Leserbriefe lasen wir uns, ohne besonders viel zu verstehen, staunend gegenseitig vor. Die Popsternchen, die Stars, die Sänger und Sängerinnen, mit ihren Fotostrecken und Homestorys waren uns allerdings schon ein Begriff, denn unsere Eltern waren ziemlich feierwütig und auf ihren Partys lief auch die tagesaktuell angesagte Popmusik. Nicht unbedingt die Beatles oder die Stones, deren lebensgroße Abbilder als zusammengeklebte Starschnitte, in Arnos Zimmer an die Wände geheftet waren, das wäre dann doch etwas zu wild gewesen, aber Gitte und Rex Gildo, Cliff Richards, oder Esther und Abi Ofarim kannten wir schon. Faszinierend waren auch die teilweise sehr futuristischen Klamotten der Protagonistinnen, ihr Schmuck, die Schuhe und Stiefel, denn außer Frau Bestmann, die immer allen voranging und top avantgardistisch gestylt war, trugen unsere Mütter, die sich eher an der klassischen Eleganz Jackie Kennedys und ihren schlichten, geometrischen Kostümen orientierten, solche Bekleidungsstücke nicht. Am mutigsten waren sie mit ihren Frisuren, der wöchentliche Termin beim Friseur war obligatorisch, aber nach dem Friseurbesuch spielte sich in den heimischen vier Wänden so manches Drama ab. Der Bienenkorb erlebt ja bis heute immer wieder eine Renaissance, aber nicht jeder Gatte war damit einverstanden, wenn seine Angetraute solcherart aufgemotzt nach hause kam. Schlimmer noch war es, wenn der neue Haarschnitt von seiner Trägerin selber als verschnitten empfunden wurde, oder die neue Haarfarbe als unkleidsam. Im besten Fall halfen die Künste, mit der Haarschneideschere und Färbemitteln virtuoser Nachbarinnen, im schlimmsten Fall nur noch eine Perücke. Mit einer Perücke konnte eine Frau nicht nur ihr Äußeres, sondern auch ihre Persönlichkeit völlig verändern. Im Gegensatz zu Echthaarperücken, waren Kunsthaarperücken durchaus erschwinglich und nicht nur Frau Bestmann benutzte dieses Accessoire, um ihren Stil dramatisch zu verändern. Haare spielten sowieso eine entscheidende Rolle und ein paar Jahre später, kam dann das Musical „Hair“ raus. Jungs ließen sich die Haare wachsen und sorgten damit für Generationskonflikte, die Generationen überdauerten. Mädchen ließen sich nicht mehr nur ihre langen Zöpfe abschneiden, wie einst meine Mutter zum Entsetzen meines Großvaters, sondern legten sich richtige Kurzhaarfrisuren zu, wie Twiggy. Kulturhistorisch ist das folgerichtig, denn über viele Jahrhunderte war es das Privileg der freien Männer, ihre Haare wachsen zu lassen, während Frauen ihr Haupt, ihre Haare bedecken mussten, zumindest sobald sie verheiratet waren. Man nannte es unter die Haube kommen und unter der Haube bekommt man schnell einen heißen Kopf.

Was im Hals stecken bleibt, muss nicht verdaut werden.

QUER SCHENKER.

Spätestens zu Pfingsten, wo Bolle ja schon so desaströs reiste, soll es dann wieder los gehen, das große Karussell. Reisen um den Preis der Vernichtung letzter intakter Lebensräume und bedrohter Arten. Ich reise also bin ich. Der globale Tourismus zerstört den Planeten. Wen wundert es, wenn das Virus immer aggressiver wird, letztendlich ist es eine adäquate Antwort auf unsere Aggression, denn Fortschritt ohne Verantwortung endet im Artensterben und der Vernichtung unserer Lebensräume. Schön wäre es, wenn das Wassermannzeitalter endlich zur Vernunft kommen würde und der ganze Konsumwahn ersatzlos gestrichen. Die Haare braucht man sich dafür nicht wachsen zu lassen und auch nicht zu schneiden, denn selbst wenn die Dinge beseelt sind, so fehlt ihnen doch der Herzschlag lebendiger Mitwesen. So sind die Mittel denn kein Zweck, weil sie dem Zweck dienen müssen.

Eine Ahnung davon, wie es am Grund, nicht der Tiefsee, aber eines durchschnittlichen Meeresboden ist, kann man in der Unterwasserwelt des Tierpark Hagenbek bekommen. Nach einem Parcour durch das Troparium, der oberirdisch mit einem Rundgang, um ein von exotischen Pflanzen gerahmtes Krokodil Gewässer beginnt, geht es immer weiter hinab, vorbei an Muränen und Vogelspinnen, glänzend schwarzen, flammend rot und neongelb gefleckten Salamandern, giftigen, knallblauen Fröschen, Würgeschlangen und solchen die nicht weniger giftig sind als die blauen Frösche. Den wehrhaften Amphibien und Spinnen folgen Aquarien jeder Größe, in denen fantastische Lebewesen durch ihre Wasserwelten schweben und ganz am Ende der unterseeischen Reise steht man dann in einem abgedunkelten Saal, vor einer sechs Meter hohen und vierzehn Meter langen Glasscheibe und sieht graue Riffhaie, Torpedo gleich durch ihr fantastisches Biotop patrouillieren. Licht, das sich an der Oberfläche des Wassers bricht, fällt zart gefiltert in das unterseeische Universum, wie utopische Raumgleiter fliegen Adlerrochen vorbei, dazwischen tummeln sich Schwärme kleiner Fische, manche fast durchsichtig, andere eher farblos und wieder andere in allen Farben des Regenbogens leuchtend. Trotzdem immer wieder unbelehrbare Banausen, den Sicherheitsabstand zur Glasscheibe ignorieren und wohl möglich noch dagegen klopfen, irgendwie muss man ja auf sich aufmerksam machen, ist die Stimmung im unterseeischen Saal fast sakral. Wer mag kann sich auf einer kleinen Tribüne gegenüber der gläsernen Wand niederlassen, die sich wie in einem antiken Amphitheater vom Grund des Meeres bis zur Wasseroberfläche hoch zieht, mit den Meeresbewohnern durch die Wasserwelt fliegen und im unterseeischen Universum verweilen bis der Gong, der die Schließung des Tropariums ankündigt, ertönt. Über mehrere Stockwerke, geht es dann durch ein hell erleuchtetes Treppenhaus, wieder in die nüchterne Oberwelt der Cafeteria und nur die frei fliegenden, exotischen Vögel, erinnern noch an den magischen Zauber, der Welt unterm Spiegel des Meeres. Einer der immer wieder kehrenden Träume meiner Kindheit, war ein Unterwassertraum. Alle Häuser standen unter Wasser, nicht in dem Sinne, als das sie überflutet worden wären, sie standen einfach voller Wasser. Das Wasser, in dem wir problemlos atmen und uns bewegen konnten, erzeugte ein geheimnisvolles, grünliches Licht und sorgte dafür, dass die langweiligen und einengenden Regeln des Alltags aufgehoben waren. Meistens war es das Elternhaus meiner Freundin Heidi, in dem wir durch das Wohnzimmer schwammen, denn Heidis Eltern waren zwar nicht unbedingt antiautoritär, aber einfach anderweitig beschäftigt und so kamen wir in den Genuss diverser Freiheiten, denn Heidis Eltern waren viel unterwegs. Bei Heidi konnten wir mitten in der Nacht die Küche verwüsten, den Fernseher laufen lassen, bis das Testbild kam und was mit Abstand am wichtigsten war, im streng verbotenen Zimmer ihres älteren Bruders Arno, dessen Wände mit den Starschnitten aus der „Bravo“ zu geklebt waren, herum stöbern.

Es braucht kein Rädchen, Sand im Getriebe reicht.

STERN KOMPETENZ.

Analog zu „Was man nicht im Kopf hat, muss man in den Beinen haben.“ regelt das Virus, was wir nicht regeln wollen. Letztendlich ist es halt nicht die Ökonomie, sondern die Ökologie, die alles entscheidet und das Virus macht einfach weiter. Erschreckend zu begreifen, das etwas, was kaum Materie ist, uns unendlich überlegen ist. Wir sind einfach zu blöd, eine tödliche Bedrohung zu erkennen, solange sie noch nicht total tödlich ist. Wahrscheinlich nennt man es Evolution und es geht immer weiter. Am Ende entscheidet sowieso der Zufall und wo er hin fällt wächst kein Gras mehr, oder ganz neues Glück. Echte Profis bleiben zu Hause und langweilen sich gepflegt, bis der Sommer wieder kommt. In der Zwischenzeit werden dumme Gedanken liebevoll gepflegt und wer sich keinen Kopf machen muss, weil der Bart schon lange ab ist, kann sich immer noch frisieren lassen.

Was die vorüber ziehenden Schiffe anging, kannte HaHe sich als wahrer Urenkel Killmasters natürlich bestens aus. Keine Flagge deren Herkunftsland er nicht sofort identifiziert hätte und die langen Zahlenfolgen auf dem Rumpf der Schiffe erzählten ihm etwas über Bruttoregistertonnen, Antriebe, Baujahre und Ladungen. Großzügig ließ er uns an seinem Wissen teilhaben und wir ließen uns gerne belehren, aber viel schöner als HaHes Vorträge, waren all die romantischen Vorstellungen, die sich ganz besonders mit den elbabwärts ziehenden Schiffen verbanden. Von der Elbe über den Kanal in die Nordsee und weiter in den Atlantik und immer weiter, in die Unendlichkeit der weltumspannenden Ozeane. Einfach fort segeln, mit dem Wind, wie die Wolken am Himmel über den Globus ziehen. Kapitän Jack Sparrow war ganz bestimmt nicht der erste und auch nicht der letzte, für den ein Schiff die ultimative Freiheit bedeutete. Nur Pferde, von denen es auch heißt, dass alles Glück dieser Erde auf ihrem Rücken läge, können es mit dieser archaischen Freiheitsvorstellung aufnehmen und manche Pferde sind sogar schneller als der Wind. Lange bevor die Eisenbahn, das Auto und Flugzeuge, ihren ungeheuer zerstörerischen Siegeszug antraten, war die Geschwindigkeit von Pferden und Schiffen unter Segeln Jahrtausende lang maßgebend. Zischend stoben Funken in den Nachtblauen Himmel, irgendjemand hatte das fast niedergebrannte Lagerfeuer neu entfacht. Den himmelwärts tanzenden Funken folgten die Töne einer Gitarre, begleitet von ein paar Mädchen, die „Leaving On A Jet Plane“ sangen. Der Fluss gurgelte, plätscherte, rülpste und seufzte, mal laut, mal leise und manchmal klatschten ein paar größere Wellen an den Strand. In den zähen Weiden der Uferbefestigung und hinter uns, den Elbhang hoch, wo sie dichter wuchsen, raschelte es geheimnisvoll und ich folgte dem Fluss nicht mehr bis zur Mündung und zum Meer, sondern zurück in lang vergangene Zeiten, als er noch frei mäanderte. Im endlosen Schilf der Flussmarschen lagerten Heerscharen wilder Gänse auf ihrem Flug gen Norden oder Süden. Wild wogten die Schilfrohre im Wind und der Lärm der Gänse wetteiferte mit dem Wind. Lange bevor Menschen begannen den Planeten zu bereisen, reisten Wale, Fische und Vögel bereits um den gesamten Planeten, ohne ihn zu zerstören. Von der überwältigenden Schönheit der Vogelperspektive haben wir ja mittlerweile eine rudimentäre Vorstellung, von der, der Fische leider überhaupt nicht. Nicht nur, dass das Wort Fischperspektive so nicht existiert, geht die Perspektive etlicher Meeresbewohner bis in die unerforschte Dunkelheit der Tiefsee, deren illuminierte Bewohner wir ausschließlich mit Botschaften aus unserem Müll kontaktieren. Ein bisschen armselig ist das schon. Wie mag es wohl sein, wie fühlt es sich an, die Tiefsee mit ihren, in allen Regenbogenfarben leuchtenden Lebewesen, als Fisch im Wasser zu überfliegen.

Lieber singend in den Morgen, als singend zum Morden.

FISCH MUTTER.

Das Virus ist Wirklichkeit und es wird nicht besser werden, sondern immer schlimmer. Locker war gestern und wer locker bleiben will, passt sich an. Gut gehen wird das nicht, denn gut ist schon lange nichts mehr und gute Wünsche bleiben unerfüllt. Wer denn nun gute Laune verbreiten will, braucht nicht nur gute Gründe, sondern auch gute Nerven, damit es gut geht. Wir wünschen den guten Geistern einen guten Tag und gießen Wasser auf die Mühlen des organisierten Unsinns, denn nur wo die Blumen des Blödsinn blühen, hat die Phantasie eine Chance. Wer immer bei der Stange bleibt, wird mit einem Stock im Arsch sterben, aber wer vom Weg abkommt, wird über eine Wurzel stolpern und fliegen lernen. Wo Igel die eingegrabenen Nüsse von Eichhörnchen finden und Füchse Hasen eine gute Nacht wünschen, küsst der Mond den Horizont und zwischen den kahlen, schwarzen Zweigen der Bäume träumen die Sterne.

Zur Elbe runter fuhren wir mindestens einmal in der Woche und meistens ein paar mal mehr. Mit dem Wohngemeinschaftsauto über das Schulterblatt, bis zur Ecke Max-Brauer-Allee / Altonaer Straße, dann links runter und immer geradeaus, vorbei am Altonaer Rathaus mit der imposanten Reiterstatue Kaiser Wilhelm des I. Die überlebensgroße Bronzestatue des Kaisers, nochmal erhöht durch einen etwa fünf Meter hohen Sockel, wird von drei kleineren Bronzen flankiert. Rechts und links des Kaisers tummeln sich allegorische Darstellungen, auf der linken Flanke des Kaisers die Bronze eines Fischers, die für den Handel und das Schifffahrtswesen der Stadt steht, auf der rechten Seite ein Schmied, der Gewerbe und Industrie symbolisieren soll, die technologische Innovation. In der Mitte, am Boden vorm Kaiser, dass Standbild eines antiken Krieges, zu dessen beiden Seiten zwei weibliche Genien lagern, die sich an den Händen halten, Sinnbilder der im deutsch dänischen Krieg eroberten Herzogtümer Schleswig und Holstein. Meerumschlungen. Das ganze Ensemble ist wunderbar grün angelaufen. Hinterm Rathaus, an der Kreuzung Max-Brauer-Allee / Klopstock Straße / Palmaille, wo sie nur die Fassaden der schönen, alten, schneeweißen Offiziershäuser stehen ließen, bogen wir scharf rechts ab in die Klopstock Straße und dann gleich wieder links runter in die Kaistraße. Von da an geht es steil runter zur linksseitig gelegenen Elbe. Am grünen Steilufer auf der rechten Seite, ziehen sich bis zur Elbchaussee hoch, erst der Heine Park und dann der Donners Park, Stiftungen wohlhabender Hamburger Bankiers. Kurz vorm Museumshafen in Övelgönne, ging es viele Jahre rechts, eine lange und steile Treppe den Hang hoch bis zur „Zwiebel“, einem legendären Hippie Lokal, groß genug um rauschende Feste zu feiern. Am Museumshafen war dann endgültig Schluss mit der motorisierten Mobilität, einmal rum um die Kehre, an die Kaimauer runter, mit viel Glück einen Parkplatz ergattert oder lange gesucht. Wir stiegen aus und wer wirklich schlau war, zog, zumindest in den Sommermonaten auch gleich seine Schuhe aus. Hinterm Museumshafen gab es zwei Möglichkeiten, der gepflasterte Weg, oben zwischen den alten Kapitänshäusern, Nobellokalen und Touristenabfütterungsstellen, oder unten an der Elbe durch den Sand. Wir nahmen den Sand und ich meine hochhackigen Schuhe in die Hand. In den ersten Jahren war die Elbe noch so dreckig, dass Johanna ihrem Hund Ratz Fatz verbot darin zu baden. Mittlerweile wird wieder in der Elbe gebadet und nicht nur von Hunden. In der „Strandperle“ war dann erst mal Pause angesagt. Es gab Bier, grässlich sauren Wein, Würstchen, Pommes, Eis und rote Grütze mit Vanillesoße. Die Kähne auf der Elbe, waren eher Zugabe und nicht wie heutzutage, die Attraktion schlechthin. Schöner war es sowieso, wenn Vollmond war und wir noch ein Stück weiter zogen am Ufer der Elbe, bis dahin wo nur noch Sand und Weiden waren und manchmal ein Lagerfeuer.

Im Dunklen kann man sich fürchten oder träumen.

WUT ORANGEN

Salamitaktik war gestern, auch wenn es bestimmt immer noch etliche Mitbürger gibt, die denken das am elften Januar alles wieder gut wird, so dürfte es doch auch mindestens genauso viele Mitbürger geben, die begriffen haben, dass selbst an den Iden des März noch lange nicht alles vorbei ist. Ich kann wirklich nicht sagen, dass ich mir jemals gewünscht habe Zeugin einer Zeitwende zu werden, aber es kommt ja sowieso immer anders als man denkt. Vor Corona, nach Corona und wie es vor Corona war, wird es wahrscheinlich nie mehr sein. Wir leben in aufregenden Zeiten und die Langeweile des Sonntags in der kleinen Stadt, ging unter im Getöse der digitalen Revolution. Wer eins und eins zusammenzählen kann, wird wahrscheinlich bei drei seinen Hut nehmen, oder glanzvoll scheitern. Ich wünsche mir einen Hut mit unzähligen Ecken, damit es immer langweilig bleibt.

An der Kreuzung Lippmannstraße / Max-Brauer-Allee / Langenfelder Straße blinkten rechts und links die Lichter der Tankstellen, die eine fest in der Hand des Muschel geschmückten Konzerns, die andere von einem freien Pächter betrieben. Natürlich tankten wir bei David und nicht bei Goliath, selbst wenn es etwas teurer war. Auf der großen Brachfläche gegenüber, stand wie ein Solitär das „Airport“, eine ausschließlich von Rockern besuchte Diskothek, deren blaues Logo einsam in der Nacht leuchtete. Die Idee mit dem Panter hatte mir gefallen und von Rilkes Panter wanderten meine Gedanken, zu der von ihm sehr geschätzten, Franziska Gräfin zu Reventlow. einer Adligen Dichterin aus Schleswig Holstein, die mit ihrem exzentrischen Lebensstil die Münchner Boheme, in den Jahren um die Jahrhundertwende vom neunzehnten auf das zwanzigste Jahrhundert verunsichert hatte. Johanna, HaHes Schwester verehrte Franzika zu Reventlow, nicht nur für ihre Texte, sondern auch für ihr kompromisslos ausschweifendes Liebesleben und ganz besonders gefiel ihr der „Geldkomplex“, ein satirischer Roman mit durchaus autobiographischen Komponenten. Franziska zu Reventlow wurde leider nur siebenundvierzig Jahre alt, sie starb an den Folgen eines Fahrradunfalls. Mit ihrer unübersehbaren Schönheit blieb Johanna eigentlich nie allein und es kam immer wieder vor, dass sie sich zum Entzücken und Entsetzen ihres Umfeldes mehrere Liebhaber gleichzeitig leistete. Einerseits schmeichelte das ihrem Ego enorm, aber anderseits wurde ihr Nervenkostüm schwer in Mitleidenschaft gezogen und Geldprobleme hatte sie sowieso immer. So machte Johanna denn nicht nur die meisten ihrer Liebhaber unglücklich, sondern meistens auch sich selbst. Unvergessen der späte Nachmittag, an dem ich meine Hände aus dem Pizzateig ziehen musste, weil Johannas Mitbewohnerin Nicola Tränen überströmt in der Küche stand und mich darum bat sofort mitzukommen, weil Johanna ihren aktuellen Liebhaber ermorden wollte. Daniel hatte sich glücklicherweise schon in Sicherheit gebracht, bevor wir die Treppen bis in den fünften Stock erklommen hatten. Das Küchenmesser, mit dem Johanna nach Nicolas Schilderungen, recht theatralisch herum gefuchtelt hatte, lag auf dem Teppichboden ihres Zimmer und Johanna lag hysterisch heulend im Bett. Ich bat Nicola einen Tee zu kochen und baute eine Tüte. Es dauerte lange, bis Johanna endlich aufhörte zu heulen und als ich ihr sagte, dass man über die Scheiße, die man selber baut am meisten heult, fing sie gleich wieder an zu heulen. Ich baute noch eine Tüte und redete mit Engelszungen, um Johanna von der therapeutischen Wirkung des Kiff zu überzeugen. Irgendwann wirkte es, Johanna musste lachen, sie stand auf und verschwand im Badezimmer, wo sie sich jede Menge kaltes Wasser ins Gesicht klatschte. Dann fuhren wir runter zur Elbe und ließen uns den Wind, der vom Wasser kommt um die Ohren blasen.

Wer nicht mutiert stagniert.