BÜGEL KNABE.
Frieden schaffen ohne Waffen, war wohl mal, Pflugscharen werden wieder zu Schwertern gemacht, die grenzenlose Freiheit über den Wolken hat sich in gesperrte Lufträume verwandelt und Dummerweise reicht es ja völlig aus, wenn auch nur einer den Frieden stört. So wird das Unwahrscheinliche mit einmal wahrscheinlich und und deswegen müssen selbst völlig unwahrscheinliche Entwicklungen immer mit gedacht werden, denn wer hätte das gedacht, mal abgesehen von ein paar paranoiden Berufsparanoikern. Nichts ist schöner, als Friede, Freude und Eierkuchen auf dem Ponyhof des Lebens und wenn alles gut geht, bleibt es alle Tage so. Nun also vom Energiekonsumenten zum Energieproduzenten und zumindest zur Versorgungssicherheit. Ansonsten haben wir unsere Sicherheit ja gerne in die Hände outgesourcter Sicherheitsdienste gelegt und uns auf die Produktion sicherheitsdienlicher Hightech Waffen verlegt und gewinnbringend in alle Welt verkauft. Verkaufen ist auch nicht mehr so schön wie es mal war und kaufmännisches Denken muss sicherheitstechnischen Überlegungen weichen. Die Weichen werden neu gestellt und wenn unser oberster Freiheitsfetischist, der den Daumen auf dem Geld hat, anfängt von Verzicht zu reden, dann meint er ganz bestimmt nicht die, die sowieso auf nichts verzichten müssen und das birgt ungeahnten, gesellschaftlichen Sprengstoff. Humor ist wenn man trotzdem lacht, oder zumindest ein bisschen lächelt und dabei standhaft und zuversichtlich bleibt. Genau das demonstriert uns ein ehemaliger Komiker, der sich nicht aus der Verantwortung stiehlt. Trotzdem ist es völlig irrsinnig, ein ganzes, großes und recht vielfältiges Volk zu bestrafen, indem am es von an möglichen sportlichen und künstlerischen Veranstaltungen ausschließt. So wird das nichts.
Im Licht der untergehenden Sonne, schlenderten Moni und ich, blond und blauäugig und mit vom Salz verfilzten Haaren, den langen, weißen Strand entlang und über die kleinen Landzungen, zurück nach Agia Ana. Wie fast immer präsentierte sich an der Wasserseite, die Lichtstraße auf dem Meer, sei es nun die der Sonne oder die des Mondes. Von Osten nach Westen und dann durch die Dunkelheit, auf der Licht abgewandten Seite, um jeden Morgen wieder aufzuerstehen, fuhren die Götter und Göttinnen des Lichts um den Globus. Ägyptens Re oder Ra, der mit einer Sonnenbarke und in Begleitung seiner Tochter Maat, durch den Tag segelte und mit der Nachtbarke durch die Dunkelheit. Oder der griechische Helios, der auf einem, von Rindern mit goldenen Hörnern gezogenem Wagen, jeden Tag wieder, über den Himmel zog. In Japan beruht die Macht des Königshauses, auf ihrer direkten Abstammung von der Sonnengöttin Amaterasu und die Inuit auf Grönland verehren eine Sonnengöttin mit Namen Malina, die einst von ihrem Bruder, dem Mond vergewaltigt wurde und bis heute vor ihm flieht. „Malina“, Ingeborg Bachmanns einziger Roman, eine grauenerregende und ziemlich masochistische Liebesgeschichte, die in dem Satz, „Roter als rot sind die Blumen des Geliebten“ gipfelt. Moni mochte die alten Götter und die neuen Geschichten und ich mochte es, Moni die Geschichten zu erzählen. Nachdem wir unsre Taschen mit fantastisch filigranen Minimuscheln und Minischneckenhäusern gefüllt hatten, über die letzte Landzunge gekraxelt waren und am Strand von Agia Ana angekommen, schlug ich Moni vor, nicht den direkten Weg an Mikis Taverne entlang zu nehmen, wo HaHe und der Portugiese bestimmt schon saßen, sondern frühzeitig in die Dünen abzubiegen, erst mal zu duschen und den Sand und dass Salz aus unseren Haaren zu waschen, eh wir uns wieder bei Mikis ins gesellschaftliche Leben stürzen würden. Als wir dann geduscht und strahlend gelaunt bei Mikis aufschlugen, wurde das von HaHe und dem Portugiesen nicht unbedingt adäquat beantwortet. Warum auch immer, die Männer waren irgendwie beleidigt. Nun ist beleidigt sein nicht gerade besonders attraktiv und als Ian mich an seinen Tisch einlud, nahm ich das Angebot sofort wahr. Bei Ian am Tisch war die Stimmung wie immer richtig gut und dann bot der Ouzo Hippie mir einen Blick in die Karten an, die Zukunft voraussagen. So richtig gut fand ich das nicht, aber Nein sagen kam auch nicht in Frage.
Es bleibt immer was zu wünschen übrig.
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TERRA TOREN.
So bescheiden wie die Entlastung der Bürger, fällt auch der Auftritt, der Empörten aus. Böse, böse geht in die Hose, denn andere Bösewichte haben schon lange die Hand ausgestreckt und ein Film ohne attraktive Bösewichte, ist meistens Kassengift. So hat jede Medaille denn zwei Seiten, sonst wäre sie keine Medaille und wo kein Handel mehr statt findet, wird auch kein Gewinn generiert. Eine Handelsmacht bezieht ihre Macht aus dem Handel und wenn sie den Handel einstellt, beschränkt sie ihre Macht. Wer noch an Sanktionen glaubt, sollte seine Kinder in ein konfessionelles Internat stecken oder zu einer Domina gehen. Alle anderen haben mittlerweile begriffen, dass in einer schrecklichen Welt voller Schrecken, nur das Gleichgewicht des Schreckens hilft, flankiert von einer gesunden und mächtigen Handelsmacht. Geben und Nehmen, Frieden und Wohlstand. Auf dem Höhepunkt des kalten Krieges bauten die Länder auf der östlichen Seite der Mauer, mit Hilfe der Länder auf der westlichen Seite der Mauer, eine Pipeline nach der anderen, tauschten Energie gegen Wohlstandsgüter und alles blieb friedlich. Mit dem ganzen Sanktionskram sanktionieren wir uns nur selber und der schlecht frisierte Clown von der Insel macht es uns vor. Große Worte, große Gesten, geringe Wirkung. Wer nun nicht untergehen will, greift zur Moppelstrategie und moppelt den Gegner ein, bis er bewegungsunfähig ist. Wie moralisch ist es eigentlich, aus moralischen Gründen das Klima und die Moral noch mehr zu schädigen. Lupenreine Diktaturen wie Katar, sollen die Gasspeicher füllen und von der anderen Seite des Atlantiks kommt ungeheuer umweltschädlich gewonnenes Gas. Die Pipeline ist fertig, aber die Terminals für das transatlantische Frackingprodukt müssen noch gebaut werden, was völlig unnötig Energie verbrauchen wird.
HaHe und der Portugiese verabredeten sich zeitnah für einen gemeinsamen Tauchgang und dann gingen wir alle zusammen schwimmen, unter dem Sternenhimmel einer mittelmeerischen Nacht. Ian legte sein Holzbein und seine Klamotten ab, an ganzen Körper tiefbraun, hüpfte er auf einem Bein dem Meeressaum entgegnen und verschwand er in der Dunkelheit. Wir folgten ihm. Am nächsten Vormittag, wir waren noch gar nicht richtig wach, tauchte Moni mit dem Portugiesen in unserem Appartement auf. Moni wollte noch ein paar Sachen abholen und der Portugiese wollte sich mit HaHe zum Octopusse jagen verabreden. Moni packte ihre Sachen ein, HaHe sagte dem Portugiesen ein Rendezvous am frühen Nachmittag zu und dann verschwanden Moni und ihr Liebhaber wieder in den Dünen. Ich wollte einfach nur weiter schlafen und der Portugiese nervte mich. Trotzdem stand ich auf und ging mit HaHe runter zum Strand, für ein gemeinsames Frühstück bei Mikis. Als das Omletti kam, waren HaHe und der Portugiese schon zum fröhlichen Oktopusse jagen aufgebrochen. Mir gefiel das alles überhaupt nicht, mir war nach Wind und Wellen, nach endlosem Strand und deswegen schlug ich Moni vor, mit mir zusammen, den langen, breiten Strand von Agia Ana bis zum Ende und über das Ende hinaus zu gehen. Dann saßen wir am Strand mit der Mühle im Hintergrund, der Strand, der nicht aus Sand, sondern aus Miniatur Muscheln und Schneckenhäusern bestand. Wir siebten den Sand durch unsere Hände und zogen weiter, über die nächste Landzunge, hinter der ein breiter, weißer Strand begann, viel länger und breiter noch, als der von Agia Ana. Hier hatte HaHe, auf der Suche nach Schwämmen, zusammen mit dem Pärchen aus Ulm, ein versunkenes Dorf, kurz hinter der Wasserlinie entdeckt. Sie holten allerhand Tonscherben vom Meeresgrund, die sie wahrscheinlich nicht einfach so einstecken durften, aber sie taten es trotzdem. Auf dem Dünenkam, über dem endlos langem Strand, thronte eine Taverne. Die Taverne wurde nur Stundenweise, von einem alten Ehepaar betrieben, sie kochten mit Gas aus der Flasche und wie es nach Sonnenuntergang weiter ging, wusste ich nicht, denn wir waren immer rechtzeitig aufgebrochen. Dort saß ich mit Moni, hoch überm Strand, bei Feld frischem Salat mit Basilikum, direkt aus Blumentöpfen auf dem Tisch und erfuhr wie es weiter gehen sollte. Der Portugiese würde nach Hamburg kommen, in ihre Wohngemeinschaft einziehen, aber danach wurde es nebulös.
Der Goldstandard ist kein moralischer Standard.
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PUPPEN FELLE.
Da hatte der alte Goethe schon recht, wie auch mit den Geistern, die man rufen kann, ist es mit der Macht der Wörter, sind die Dinge erst mal herbei geredet, werden sie nicht mehr so leicht aus der Welt geschafft. Europas großer, überseeischer Nachbar und auch die, nur durch einen etwas stürmischen Kanal und ein Stück raue See, von Europa getrennten Insulaner, haben das leider vergessen, denn sie rüsten verbal immer weiter auf. Ein Schelm, wer auf die Idee käme, dass es ihr Schaden nicht sein wird. Die deeskalierende, kluge, alte Frau, hat sich ja nun verständlich und wohl verdient, endlich in Ruhestand verabschiedet, aber sie fehlt schon sehr. Zwar geben der Zwergenkönig, nach langem Warten aus ihrem Schatten getreten und der selbsternannte Nachfolger des Sonnenkönigs, sich alle Mühe weiter verbale Diplomatie walten zu lassen, aber der sehr alte Mann von der anderen Seite des Atlantiks und die blonde Spaßbombe von der Insel, geben sich ebenfalls alle Mühe, den Konflikt weiter zu eskalieren, denn er lenkt von ihrem aktuellen Versagen ab. Der alte Mann kriegt innenpolitisch wenig gebacken und die Spaßbombe von der Insel, kriegt gar nichts gebacken und hatte obendrein ein bisschen zu viel Spaß. Wirklich lustig ist das alles gar nicht, aber solange Verantwortungslosigkeit nicht radikal bestraft wird, ändert sich wahrscheinlich wenig. So schlingert die Welt denn weiter, zwischen der Klimakatastrophe und den Interessen Eliten beherrschter Machtblöcke, wild hin und her und die Antwort weiß nicht mal der Wind, der mittlerweile immer schärfer bläst. Wir tuten ins Horn der Ahnungslosen und planen schon mal den nächsten Urlaub auf den Osterinseln, denn Schuld sind sowieso immer die Anderen und wer anders leben will, ist einfach nur blöd.
Mit den Skorpionen und den Spinnen war ich wider Erwarten ganz gut klar gekommen, aber mit dem grünäugigem Portugiesen nicht. HaHe hörte ausnahmsweise mal richtig zu und dann machten wir uns, Arm in Arm, auf den Weg durch die Dünen, hinein ins nächtliche Abenteuer. Bei Mikis glühte der Grill und Bob und Joan eierten ihre Lieder vom Kassettenrecorder. Ian war da, Isa, der Ouzo Hippie, das Pärchen aus Ulm, Moni und ihr grünäugiger Kaninchenjäger, ein paar Touristen aus den halbfertigen Appartements, die Frau mit den Siamkatzen, die Katzen hatte sie in ihrem, schon vor etlichen Jahren gekauften und am weitesten in den Dünen gelegenem Appartement gelassen und fast alle Strandhippies. Wer wollte und das waren einige, konnte sich vom Ouzo Hippie die Karten legen lassen, HaHe zog es vor mit Ian Ouzo zu trinken und zu diskutieren. Ich trank mit Moni Ouzo, bis der Portugiese der Meinung war, dass Moni genug Ouzo getrunken hätte, aber da saßen auch schon Ian und HaHe und der Ouzo Hippie mit am Tisch und schenkten uns nach. Dann ging es darum Oktopusse zu jagen, der Portugiese bot HaHe seine Harpune und sein waidmännisches Wissen an, was HaHe dankend annahm und sich damit revanchierte, dass er mit seinen Abenteuern in Amsterdam brillierte. Zusammen mit seinem Busenfreund Ulf, war er zwei Jahre lang in den Oster, Sommer und Herbstferien nach Amsterdam gefahren. Sie quartierten sich in einem möglichst billigen Sleep In ein, ohne Rücksicht auf Filzläuse und andere Gefahren und konsumierten sämtliche Bewusstseinserweiternden oder Bewusstseinsverändernden Substanzen, derer sie habhaft werden konnten. Dementsprechend derangiert eierten sie entlang der malerischen Grachten, aber wenn es wirklich kritisch wurde, zog HaHe sein Segelmesser aus der Tasche. An einem Ende mit einer scharfen Klinge ausgestattet, am anderen Ende mit einem Hacken, machte das Teil regelmäßig mächtig Eindruck. Das verstand der Portugiese gut, hellwach studierte er die Schwächen seiner vierbeinigen und zweibeinigen Opfer, um sie dann ganz schnell zu erlegen. Ian orderte noch ein Ouzokanne und HaHe nahm uns mit zu dem Abend, an dem er und Ulf um die Wette Trips eingeworfen hatten. Der Portugiese konterte mit seiner Zeit in Barcelona, in der er sich, nach seiner Entlassung aus der Arme, mit allerhand dubiosen Geschäften über Wasser gehalten hatte. Dann herrschte erst mal Gleichstand.
Wer die Kasse stürzt, sprengt das System.
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FEST LABOR.
Nach dem Sturm ist vor dem Sturm und zwischen den Stürmen ist der Fahrplan auch gestört. Planwirtschaft ist ja sowieso eine Fiktion, selbst wenn die Züge pünktlich verkehren, führt der Plan nicht unbedingt zum anvisierten Ziel. Trotzdem ist die ausgeprägte Wetterfühligkeit der Verkehrssysteme schwer nach zu vollziehen. Vor ein paar Wochen sah ich einen Film über Finnland, in dessen hohem Norden die Hauptverkehrsstraßen, mittels unermüdlichen, rund um die Uhr Einsatzes von mächtigen Schneepflügen, befahrbar gehalten werden. Noch mehr beeindruckten mich die ausgefeilte Choreografie, einer stattlichen Truppe von Schneeräumungsfahrzeugen, die den Flughafen von Helsinki am Laufen hielten. Nur einmal in den letzten 20 Jahren, war es nicht gelungen, die Rollfelder von Schnee und Eis frei zu halten. Da bleibt der Sturm im Wasserglas. Wo ein Wille ist, ist anscheinend auch ein Weg und dieser Wille fehlt seit mindestens zwanzig Jahren in unserem Staat, denn wo es hauptsächlich um Gewinnmaximierung geht, verkommt die Infrastruktur mit Sicherheit. Für die desaströse Situation in der Pflege gilt das ebenfalls und auf dem Wohnungssektor zeigt sich das hässliche Gesicht unseres Wirtschaftssystems völlig ungeschminkt. Alles wird ausgepresst, es ist eine Art von Vampirismus, der sich vom Leid der Welt ernährt. Blutgeld, Blutdiamanten, Blutkonserven, Blutsbrüder und Schwippschwestern. Kein Blut für Öl, aber Wohnraum und Wärme für alle. Rette sich wer kann, virtuelle Welten laden zur Flucht ein, aber selbst virtuelle Welten bestehen nur eingebettet in die wahre Welt. Da hilft auch keine KI, keine Klassenlotterie, kein König und kein Kaiser, kein Bettelmann, aber vielleicht ein besterntes Restaurant.
Bei Mikis auf der Terrasse saßen ein paar Griechen und spielten Backgammon. Hinter Paros machte die Sonne sich auf ihren allabendlichen Weg zurück ins Meer und vergoldete die Welt. Ich gönnte mir einen Becher schwarzen Tütentee und sah der Sonne beim vergolden zu. Schrill heulte der Motor eines startenden Touristenbootes durch die Goldrandstimmung, die letzten Touristen fuhren zurück nach Naxos Hauptort. Wie Schatten aus der Unterwelt, vom Rand des Styx, huschten die dunklen Umrisse wilder Hunde über den Strand und ich fragte mich, wie die Hunde den Winter ohne den Abfall der Touristen überleben würden. Aus der Küche drangen Gerüche und Geräusche, die Griechen würden sich auf den Weg nach hause machen, um bei ihren Familien zu essen, aber bald würden die ersten Gäste auf der Terrasse Platz nehmen und eine schwere Wahl zwischen Bifteki, undefinierbarem Eintopf, Hackbällchen und Souvlaki treffen müssen. Vorm Essen wollte ich noch duschen und als ich in unserem Appartement ankam, war HaHe bestens gelaunt von seiner Wanderung zurück. Geduscht hatte er schon, saß in eins seiner geliebten, karierten Holzfällerhemden gehüllt auf dem Bett, rauchte, grinste mich an und fragte mich, ob es noch ein paar Spinnen oder Skorpione zu vertreiben gäbe und wo Moni denn abgeblieben sei. Ich duschte und ließ ihn erst mal erzählen. Trotz der Sprachbarriere war er immer wieder in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung gekommen und irgendwie hatten sie sich verständigt. Das Landesinnere war wundervoll gewesen und die Gastfreundschaft der Leute überwältigend. Eines Abends hatte er sich, nach einem langen Wandertag hungrig und durstig, auf der Terrasse einer Taverne niedergelassen und auf die Bedienung gewartet. Die Kommunikation fand, wie fast immer Wortlos aber Gestenreich statt und dann gab es Wasser und Ouzo, Retsina und ein leckeres, warmes Essen mit den landestypischen Beilagen, Tsatsiki, Oliven, Salat und Brot. Die Wirtsleute setzten sich zu ihm und strahlten ihn freundlich an und als HaHe bezahlen wollte, reagierten sie fast beleidigt, denn HaHe hatte sich nicht auf die Terrasse einer Taverne gesetzt, sondern auf die eines Privathauses. Sie boten ihm an, sein Zelt auf ihrem Grundstück auf zu bauen, ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte und am nächsten Morgen verabschiedeten sie ihn mit einem Frühstück und einem großzügigen Proviantpaket.
Lieber Singen, als von Sinnen.
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SCHOCK ENTE.
Die Zwillingsschwester der mittlerweile argwöhnisch beobachteten Lieferkette, ist die Lieferstrecke und die sollte mindestens genauso argwöhnisch unter die Lupe genommen werden. Der Weg ist das Ziel und mittlerweile sind die Lieferwege viel zu lang geworden. Das Dinge des alltäglichen Bedarfs über den Ozean transportiert werden und tausende von Kilometern über Land, ist mit furchtbaren Schäden für die Umwelt verbunden, die durchaus vermeidbar sind. Mit den weltumspannenden Wanderwegen der Waren, sammelt sich der Gewinn in immer weniger, dafür umso gewaltigeren Strömen, die in ein paar privaten Stauseen enden und der große Rest der Gesellschaft verkommt in Armut. Verkürzt die Lieferketten, nicht nur zum Wohl der Umwelt, sondern auch zu Wohl der Gesellschaft, damit der Gewinn wie ein leichter Sommerregen, gleichmäßig über das ganze Land geht und die Erde fruchtbar macht. Wer nun allerdings nicht liefern will, bekommt auch keinen Lieferschein und wird vom Lieferdienst ausgeschlossen, denn schließlich liefern wir eigentlich alles und nicht nur durch den Lieferanteneingang, sondern auch direkt ins Hochparterre. Von jeglicher Liefergarantie ausgeschlossen sind Wahlversprechen und Liebesschwüre, denn ein entsprechend gründlicher Rausch, sei es nun der, der Macht, der Drogen, der Sexualität und aller möglichen anderen Obsessionen, wird als strafmindernd anerkannt. Problematisch bleibt das uralte Verhältnis zwischen Trieb und Drogen, weil alle Triebe in der Liga der Drogen spielen und Drogen wiederum Triebe beflügeln. Was fehlt ist ein fähiges Triebmanagement, das ganz gewiss nicht von einem Drogenbeauftragten oder einer Drogenbeauftragten geleistet werden kann, die noch nicht mal Ahnung von Drogen haben.
Nachdem Moni mich über ihre Zukunftspläne informiert hatte, denen ich nichts hinzuzufügen hatte, holte ich mir noch schnell eins von HaHes karierten, Gruselfilm tauglichen Holzfällerhemden aus unserem Appartement und machte mich auf einen längeren Strandspaziergang. Von HaHe wusste ich, dass sich hinter dem Ende jedes Strandes, höchst wahrscheinlich ein neuer Strand verbarg, man musste nur über die Landzunge kraxeln. Daran hielt ich mich und dann saß ich, angetan und von der hohen, heißen Sonne mit HaHes karierter Modeverweigerung geschützt, an einem etwas kiesigem Strand und wühlte mit meinen Händen im Sand, bis ich irgendwann merkte, dass es kein Sand war in den meine Hände sich verirrt hatten, sondern eine gigantische Halde winzig kleiner Muscheln und Schnecken. Rundhäuser, spitze Pyramiden, Miniaturkunstwerke, mit ausgefeilten Mustern und spiraligen Schnörkeln verziert, ich fing an den Sand durch meine Hände zu sieben und noch heute steht im Regal hinter meinem Bett eine Messingdose, die bis zum Rand mit den Miniaturkunstwerken eines einsamen Strandes, weit hinter Agia Ana gefüllt ist. Blaues Meer und weißer Sand und eine Taverne, in der es nur Salat, Tzatziki, Brot und ein Hauptgericht gab. Ganz allein saß ich dort und die Wirtsleute beäugten mich ein wenig misstrauisch. Ich fühlte mich wie auf dem Planeten Dune und wartete auf einen Sandwurm. Anstatt des Sandwurmes wehte nur der Meltini und dann machte ich mich auf den Weg zurück nach Agia Ana. Der Strand, so schön, so weiß, so breit, hinter jeder Landzunge wieder, ich flog ganz weit weg und träumte mich in die blaue Weite zwischen Meer und Himmel. Die klassische Konstellation, ein Mann auf einem Esel und hinter ihm eine Frau, noch beladener als jeder Esel, holte mich ganz schnell aus der blauen Weite zurück. Wir starrten einander an, wie Außerirdische, die sich in den endlosen weiten der Dünen von Agia Ana begegnen. Ich erinnerte mich daran, was meine Mutter mir immer wieder gesagt hatte, nachdem wir nach Oldendorf gezogen waren, „Auf dem Land grüßt man jeden, der einem begegnet“. Daran hielt ich mich und grüßte den schnurrbärtigen Eselreiter und seine weiblich Begleitperson, mit einem freundlichen Kopfnicken und sah zu, dass ich weiter kam.
Auch mit einem Lieferwagen kommt man um die Welt.
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GURKEN PUPPE.
Warum Infektionen in Wellen auftauchen und Beschimpfungen als Sturm, bleibt undurchsichtig, aber es ist der Wind, der die Wellen auftürmt. So sind die Wellen denn die Pferde des Windes und wer mit dem Wind surfen kann, reitet sie. Wo es im Stadion mitreißend stürmt, ist die La-Ola-Welle nicht weit, aber Wellen die nicht vom Wind, sondern von feuerspeienden Bergen ausgelöst werden, wollen nicht geritten werden. Es ist wie mit dem Übermut, der ja auch nicht geritten wird, sondern selber reitet. Weiterhin unsichtbar bleiben Luftwellen, obwohl sich die Luft in kleinen und großen, starken und schwachen, Strömen und Wirbeln durch den Luftozean bewegt. Zweibeinige Säugetiere am Grund des Luftozeans haben es im Zuge der Evolution geschafft, diese Luftströme ganz furchtbar durcheinander zu bringen und das Gleichgewicht im Luftozean unangenehm gestört. Für Störfälle gibt es den Störungsdienst und der ist dafür da, Störungen zu beseitigen, aber leider ist der Notdienst wegen Überlastung zur Zeit nicht besetzt. Besetzt werden dafür Autobahnen, Zubringer, aber unerklärlicher Weise nicht die Eingänge von Flughäfen und ihre Rollfelder, dabei ist Fliegen doch das Schlimmste, wie schon Greta festgestellt hat und sie flog dann ja auch nicht, sondern ritt mit dem Wind, auf einem Segelschiff über den Ozean nach Amerika. Auf der Lauer liegen Klage und Pleitewellen und lang vergangen die Zeiten von Dauer, Föhn und Wasserwellen. Der Schnee von Gestern kommt auch nicht so schnell wieder, aber wer weiterhin Spaß haben will, geht ins Wellenbad, oder kauft sich eine Wellenmaschine und sieht ihr, bis zum Einschlafen, beim Wellen machen zu.
Als Moni mich fragte, ob der Portugiese mit in unser Domizil kommen könnte, um dort zu übernachten, lehnte ich das kategorisch ab, der grünäugige Kaninchenjäger war mir nicht ganz geheuer. Am späten Vormittag tauchte Moni wieder in unserem Appartement auf, duschte schnell, wusch sich die Haare und schwärmte von ihrer Eroberung, wir verabredeten uns noch zum Frühstück auf Mikis Terrasse und dann war Moni auch schon wieder weg. Ich ließ mir Zeit zum Nachdenken, ob es denn wirklich Moni gewesen war, die das Herz des Portugiesen erobert hatte, oder ob nicht der Portugiese einen kapitalen Goldfisch harpuniert hatte, denn mit einer Harpune jagte der Portugiese auch. Natürlich konnte er Feuer ohne Feuerzeug oder Zündhölzer machen und die Kunst des Hacken schlagen und verstecken, beherrschte er genauso gut wie seine bevorzugte Jagdbeute, die Kaninchen. Er war ein Überlebenskünstler, nicht nur in der urbanen Wildnis, sondern auch in der wilden Wildnis, aber das war nicht das Problem, dass Problem war, was er über Menschen dachte, die das nicht konnten und sein Fehler war, dass er unter dem großzügigen Einfluss von Ians Ouzo Therapie viel zu viel geredet hatte. Der alte Dachs hatte den Fuchs in seinen Bau gelockt und dort hatte der Fuchs, berauscht von den Möglichkeiten seiner Zukunft an der Seite eines Goldfisches, gesungen. Bei Mikis auf der Terrasse turtelten die beiden Täubchen schon wieder eifrig, fast hätte ich mit HaHe herbei gewünscht, aber statt dessen bestellte ich mir ein Omletti, beidseitig durch gebraten, Salat ohne Feta und einen großen Becher tiefschwarzen Tütentee. Türkis glänzend plätscherte das Meer an den Strand, im Schilfdach über unseren Köpfen flüstere der Wind, am Nachbartisch klickten Würfel über ein Backgammon Brett und alles andere war ganz weit weg. Das Moni in ihrem Job als Versicherungssekretärin wirklich gut verdiente, aber nicht wirklich glücklich war, wusste ich bereits, wir hatten viel darüber geredet und das sie eventuell auf dem zweiten Bildungsweg Wirtschafts und Sozialwirtschaften studieren könnte. Der Job bei der Versicherung bot sich dafür an und ihre Jahre im Beruf, würden auch im Studium anerkannt werden, aber über ihrem Plan Physiotherapeutin zu werden, hatte sie sich bisher noch nicht ausgelassen. Moni war wie ausgewechselt, ein Studium kam nicht mehr in Frage, viel zu dekadent. Sie wollte etwas handfestes lernen, dass ihr, wie sie sich ausdrückte, in jeder Lebenslage helfen konnte. Ich hörte den Portugiesen ganz laut pfeifen und diesmal wünschte ich mir HaHe wirklich herbei.
Platt sein heißt nicht platt machen.
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FIESEN DIPLOMATIE.
Besonders glaubwürdig ist das „mal Hüh mal Hott“ unseres politischen Führungspersonal nun wirklich nicht. Immer schön das Mäntelchen nach dem Wind drehen und den Gegner schmähen. Die einzige Sache um die es mittlerweile noch geht, ist Macht und ganz bestimmt nicht das Wohl des Gemeinwesens, das den skrupellosen Führungsverein finanziert. Auch wenn die Grünen sicherlich immer noch sehr blauäugig sind und es großen Teilen ihrer Wählerschaft an echtem Demokratieverständnis fehlt, so ist ihr Kernthema, der Umweltschutz und die Rettung des kollabierenden Klimas, doch immer noch das Thema, auf das es ankommt. Mit Fahr und Heizverboten für sozial schwache Menschen, wird das Klima allerdings nicht gerettet werden, wer was erreichen will, muss da ansetzten wo es wirklich was bringt und das tut dann auch der eigenen Klientel wirklich weh. So ist Heizen denn das Reizwort der Stunde und eine Kleinpartei, die ihrer Klientel immer noch ermöglichen will, wie irre über, von Steuergeldern gebaute Autobahnen zu heizen, ist ganz bestimmt nicht dafür geeignet, dass Klima zu retten. Aktuell rettet man sich in Krisendiplomatie und Krisen gibt es immer, ein probates Mittel, das so alt ist wie der Machterhalt. Als erste Maßnahme schlagen wir vor, 18 Grad für alle und im Bundestag, unter der prächtigen Glaskuppel, gehen sie mit gutem Beispiel voran, zieht euch endlich warm an. So wird denn mit Gesetzeskraft verfügt, dass alle Heizungsanlagen auf 18 Grad gedrosselt werden müssen, sogar die von Illuminaten, Magnaten und reichen Erben und Erbinnen. Ausgenommen sind lediglich die Wohnstätten exotischer Tiere jeder Art, Treibhäuser, Geburts und Intensivstationen.
Im Traum erschien mir kein grüner Papagei, aber ein grünes Kaninchen, dass vor einem grünäugigen Portugiesen davon lief. Dann sprach ich mit dem Studenten Amselmus und er stellte mir eine Schlange mit grünen Augen vor, die sprechen konnte. Der Sand war zäh und klebte an meinen Beinen und Füßen, ich stapfte immer weiter, bis ich irgendwann begriff, dass alles ein Traum ist. Schweißgebadet wachte ich auf und musste mich übergeben. Schlafen konnte ich nicht mehr, am Horizont wurde es schon wieder hell und ich lief durch die Dünen runter zum Strand und stürzte mich in das türkisgrüne Meer. Das half erst mal ein bisschen. Dann lief ich wieder zurück, in das halbfertige Apartment und schlief bis zum frühen Nachmittag aus. Mit dem leicht brackigen Wasser, das in Agia Ana aus allen Leitungen floss, denn die Brunnen lagen zu nah am Meer, duschte ich ausgiebig und wusch mir die Haare, die mittlerweile vom salzigen Wasser und dauerhafter Sonneneinstrahlung, blond wie nie wieder in meinem Leben geworden waren. Dann zog ich das Sternenkleid aus Amsterdam an und machte mich auf den Weg runter zum Strand. Bei Mikis auf der Terrasse schwebte Moni im siebenten Himmel, sie kannte nur noch ein Thema und das handelte von einem Strandhippie mit grünen Augen. Ich verbat mir mit den Augen zu rollen und hörte zu. Der Portugiese hatte große Pläne und dafür brauchte er Geld, das er nicht selber hatte, aber Moni hatte Geld. So richtig schlau wurde ich nicht aus dem Business, das der Portugiese aufziehen wollte, umso klarer war, was er vorhatte, nach Hamburg zu Moni zu ziehen und Moni hatte ihn sowieso schon Geld geliehen. Die Wochenendtouristen waren zurück nach Naxos Hauptort, am Strand vor der Taverne stellte Mikis den Grill auf, Ian kam mit Isa und dem Ouzo Hippie und bestellte sofort eine Literkanne Ouzo. Aus der Küche gab es nur noch Brot, Salat und Tzatziki und draußen Souvlaki von Mikis Grill. Ich lag im Sand und zählte Sterne und so küssten sich das Leckere und das Funken sprühende, unterm Sternenhimmel einer mittelmeerischen Sommernacht.
Querschießer sind auch nicht besser als Querdenker.
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SCHIEL PLAN.
Seit die Olympischen Spiele nicht mehr in Olympia statt finden, ist der olympische Gedanke doch ein wenig vor die Hunde gegangen. Nichts gegen Hunde, aber letztendlich ist es besser auf den Hund zu kommen, als mit dem olympischen Zirkus, alle vier Jahre wieder, um die Welt zu reisen. So CO2 technisch gesehen, ist die Veranstaltung auch nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit und Nachhaltigkeit ist wahrscheinlich nur für die Nachkommen gedacht. Das, das Organisationskomitee dieses Megaevents über die Jahre immer anspruchsvoller und autoritärer geworden ist, führte dazu, dass immer mehr Austragungsorte und besonders deren Bürger, nicht mehr als Kulisse und Goldgrube für den Sportverein dienen wollten. Nun gesellt Gleiches sich ja gerne mit Gleichem und die Strukturen der Austragungsorte näherten sich denen des Organisationskomitee immer mehr an. Back to the roots, back to Olympia. Holt die Olympischen Spiele wieder zurück nach Griechenland, an den Fuß des Götterberges und lasst sie in einem neuen, der Klimaveränderung angepassten Licht strahlen. Nicht alle vier Jahre wieder Sportstätten, erbaut vom Geld der Steuerzahler, innerhalb kürzester Zeit zu Ruinen verkommen lassen, weil sie wie Ufos des IOC in Nachtbarschaften gepflanzt wurden, deren Bewohner drangsaliert oder gleich vertrieben wurden. Nie wieder Olympia als Wegwerfevent. So sind Ideen denn untrennbar mit dem Ort ihrer Entstehung verbunden, sie wachsen und wandern in die Welt hinaus, sie verwandeln sich, aber so wie das W:O:A nach Wacken gehört, gehören die olympischen Spiele nach Olympia zurück.
Wenn am Wochenende die Touristen aus Naxos Hauptort länger in Agia Ana blieben und die Party bei Mikis kein Ende fand, legte der Ouzo Hippie den Touristen und insbesondere den Touristinnen, gerne die Karten und selbst die Strandhippies, die ihn nur ein bisschen weniger verachteten, als die Griechen, glaubten daran, denn die Fähigkeiten des Ouzo Hippies als Kartenorakel, wurden sogar von den Griechen geschätzt. Es war das erste Mal, dass ich jemanden sah, der die Zukunft aus den Karten las. Jahre später, nachdem Tillmann mir erklärt hatte, wie das mit den Karten funktioniert, begriff ich, dass der Ouzo Hippie ein Raider Tarot Deck benutzt hatte, ziemlich schmuddelig und die Karten nach dem System des keltischen Kreuz gelegt hatte. Ich war fasziniert, aber die bedingungslose Gläubigkeit der Klientel des Ouzo Hippies gefiel mir nicht, denn Ideen sind dazu da erforscht zu werden und nicht dafür da, um an sie zu glauben. Im Grunde genommen musste der Ouzo Hippie seine Klientel nur lange genug beobachten und dafür hatte er in Mikis Taverne genug Zeit, um zu sehen was sie bewegte. Liebe, Geld, Reisen, Krankheit und Kinderlosigkeit. Den Liebenden versprach er Liebe, den Besorgten Sicherheit oder gleich Reichtum, den Abenteuerlustigen Reisen, für Krankheiten Heilung und den Kinderlosen Kinder. Als Moni sich völlig betrunken an den Tisch des Ouzo Hippies setzte und ihn um einen Ausblick auf ihre Zukunft bat, war ich gar nicht begeistert. Bevor er sich dem Kernthema näherte, umschiffte der Ouzo Hippie wortreich allerhand Nebensächlichkeiten, Konflikte mit Kollegen oder Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen, Aufstiegschancen im Beruf, die Eltern und die Geschwister, Moni hatte drei, aber wie nicht anders zu erwarten, prophezeite der Ouzo Hippie Moni letztendlich eine große Liebe und es fehlte nur noch, dass diese große Liebe grüne Augen haben würde. Moni strahlte wie die Sterne über dem nächtlichen Meer und dann strahlte sie den Portugiesen an und Ian bestellte eine neue Liter Kanne Ouzo. Der Portugiese nahm seine Chance wahr und entführte Moni in die Dünen. Ich verbat mir jegliche Kartenlegerei von Seiten des Ouzo Hippies und trank mit Ian weiter. Selbsterfüllende Prophezeiungen, abstrakte Bilder, esoterischer Unsinn, Ian kannte sich aus und wir mäanderten durch die Nacht, bis das Meer wieder heller wurde. Ian und der Ouzo Hippie wankten in ihre Strandhütten und ich stolperte ganz allein durch die Dünen, zurück in unser halbfertiges Appartement, dabei wünschte ich mir einen Papageien.
Im Kasten haben, in der Kiste sein.
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REIZ KOSTEN.
Alle reden von Lockerungen, denn wenn das Souffle nicht locker ist, fällt es in sich zusammen und wird ungenießbar, aber wer eine Schraube locker hat, ist meistens gar nicht so locker. Das lockere Mädchen ein leichtes Leben haben, ist wahrscheinlich auch nur Projektion, aber mit einem lockern Mundwerk kann man durchaus weiter kommen und was ewig lockt ist immer noch nicht abschließend geklärt, seit keiner mehr weiß, wie viele Geschlechter es denn nun eigentlich gibt, ein klassisches locker Thema, dass komplett unlocker behandelt wird. Wer sich allerdings erst mal locker machen muss, neigt wahrscheinlich nicht dem lockeren Leben zu und das Geld sitzt auch nicht richtig locker im Portemonnaie, denn wirklich locker ist eigentlich nur, wer eine Portokasse sein Eigen nennt, aus der man alles ganz locker bezahlen kann. So siedelt locker denn nicht nur ganz lieb, neben den Löchern im Sieb, sondern auch neben ganz tiefen Löchern, in die man fallen kann, was der lockeren Haltung nicht eben zuträglich ist. Ausgenommen davon sind die Löcher im Käse, auf Golfplätzen und in der Lochstickerei, sowie Knopflöcher und Löcher im All. Nun ist die Lehre von den Löchern im All und in der Zeit, allerdings keine Lehre von der Leere, denn im Inneren etlicher Löcher herrscht undurchdringliche Dunkelheit und über das, was sich in der Dunkelheit verbirgt, herrscht immer noch Unklarheit. Bewaffnet mit einer Lochkarte, machen wir uns auf den Weg durch die dunkle Materie und suchen zwischen all den Nullen und Einsen einen Schlüssel, der in jedes Loch passt.
Meistens feierten wir bei Mikis, denn nur seine Taverne war mit einem Generator ausgestattet, der einen Kassettenrecorder die ganze Nacht am Leben halten konnte. Zwar war das Repertoire an Kassetten nicht besonders groß, aber die Touristen und Strandhippies steuerten immer wieder Kassetten aus ihren Beständen bei und die meisten Kassetten, auf denen sich nicht Bouzouki Musik befand, stammten sowieso aus dem Besitz von Sommergästen, die ihre Kassetten großzügig bei Mikis zurück gelassen hatten. Das der Kassettenrecorder leierte, war nicht unbedingt mein Problem, aber jeden Vormittag wieder, monierte HaHe diese Tatsache, die seinen verkaterten Kopf ungnädig traf. Nach Sonnenuntergang legte der Ouzo einen sanften Schleier über die akustische Wahrnehmung der meisten Anwesenden und wenn Mikis gnädig war, ließ er den Kassettenrecorder erst am frühen Nachmittag wieder los eiern. Wenn Mikis nicht gnädig war, gab es schon zum Frühstück Bouzouki Musik, die wie auf Eiern lief. Nach dem Frühstück gingen Moni und ich schwimmen und dann flüchteten wir wieder ganz schnell zurück, in den Schatten des Schilfdaches über der Terrasse von Mikis Taverne, denn Moni war nicht nur genauso blond wie ich, ihre Haut war noch empfindlicher als meine. Bisher hatten die Mücken sich jede Nacht an mir vergriffen, aber seit nicht mehr HaHe, sondern Moni an meiner Seite schlief, verschonten die Mücken mich und überfielen Moni. Nach der mittleren Reife hatte Moni eine Ausbildung als Versicherungssekretärin gemacht. Sie hatte sich von ihrem Freund getrennt, lebte in einer Wohngemeinschaft, die eine riesige Altbauwohnung am Eppendorfer Baum gemietet hatte und langweilte sich ganz fürchterlich, bis Ian ihr den Portugiesen vorstellte. Der Portugiese lebte wie die Hippies, in einer Hütte am Strand, aber ihn als Strandhippie zu bezeichnen, hätte es nicht getroffen. Er war nicht besonders groß, gelenkig wie eine Katze, hager und am ganzen Körper tief braun, aber am auffälligsten waren seine grünen Augen. Niemand wusste genau wie alt er war, den kursierenden Gerüchten nach lebte er schon seit über zehn Jahren an den Stränden des Mittelmeers und manche behaupteten, er wäre nach einem Mord, den er begangen hatte, geflüchtet. Der Portugiese war nicht nur gelenkig wie eine Katze, sondern auch mindestens genauso schnell, er lebte völlig autonom, in den Dünen hinterm Strand fing er Kaninchen mit bloßen Händen und tötete sie mit seinem Messer. Wenn er keine Kaninchen fing ernährte er sich von Fischen und Krustentieren. Er konnte Monatelang ohne Geld auskommen. Die Hippies mochten ihn nicht.
Mit einem blauen Auge davon kommen, heißt nicht blauäugig sein.
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