STUSS
     MUND

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29.02.20 26.02.20 23.02.20 20.02.20 17.02.20 14.02.20 11.02.20 08.02.20 05.02.20 02.02.20
SPINNER WIRTIN.

Im klassischen Literatur oder Fernsehkirimi lautet die entscheidende Frage, „Wem nützt der Mord“. Analog dazu fragen wir, wem das Corona Virus nützt. Vergessen erst mal alle Probleme des Klimaschutzes, der Regierungsbildung oder der Flüchtlingsfrage, stattdessen freie Hand für die Ordnungskräfte, im Interesse der persönlichen Gesundheit. Das Virus ist nicht links oder rechts und auch nicht grün, es ist nicht progressiv und auch nicht konservativ, es ist einfach nur bedrohlich für alle. Das soll nun nicht heißen, dass vorm Virus alle gleich sind, was nach derzeitigen Erkenntnisstand ja noch nicht mal vor Gott oder den Göttern der Fall ist, aber ein bisschen gleicher schon. Zu den unvermeidbaren Nebenwirkungen des Virus gehört die Verminderung des CO2 Ausstoßes durch Einschränkung der Mobilität von Menschen und Waren und die Einsicht, dass Lieferketten nicht all zu lang sein sollten, denn die Schwäche eine Kette liegt nicht nur in ihren Gliedern, sie wird auch von ihrer Länge bestimmt.

Gut gestärkt machten sie sich nach einem opulenten Frühstück im „Yak und Yeti“ auf den Weg zum Haus der Familie Thapa, weit oben am Berghang über Pokhara. Das Anwesen war nur über einen schmalen, recht holperigen Pfad zu erreichen und Chillus und Hasy, die den Sack mit Reis den Hang hinauf schleppten, schwitzten mächtig, aber die Aussicht auf Pokhara und den See Phewa war großartig. Oben angekommen wurden sie mit großem Hallo und allen Ehren empfangen und Onkel Erich, der ja nicht zum ersten Mal zu Besuch kam, konnte gerade noch rechtzeitig verhindern, dass wieder ein Zicklein geschlachtet wurde. Statt dessen drückte er Gowinda genug Geld in die Hand, damit er für ein anständiges Festessen samt Getränken einkaufen konnte. Schnell stellte sich heraus, dass die finanzielle Situation der Familie wirklich nicht gut war. Gulu, Kasimans dritter Sohn, meistens schlecht gelaunt und von wenig ansprechender Erscheinung, besaß keinerlei Talent als Touristenführer, aber auch er hatte mittlerweile geheiratet und würde ganz bestimmt bald Kinder bekommen, was die Ernährungssituation der Familie Thapa noch prekärer gestaltete. Ein paar Jahre lang hatte Gulu sich als Betreiber eines Kiosk versucht, den Onkel Erich ihm finanziert hatte, aber der Kiosk hatte nie wirklich Gewinn abgeworfen. Nun wollte Gulu sich als Taxifahrer betätigen, wofür er natürlich ein Taxi brauchte, für dessen Erwerb Onkel Erich ihm das nötige Geld leihen sollte. Da es im Laufe der letzten Jahre immer mehr Touristen nach Pokhara verschlagen hatte, versprach Gulu sich satten Gewinn von Betrieb eines Taxis und versuchte Onkel Erich mit Engelszungen, von seinem neusten Projekt zu überzeugen. Richtig begeistert war Onkel Erich nicht von der Idee mit dem Taxi, aber er versprach darüber nachzudenken. Dann kam endlich Onkel Erichs Herzensprojekt zur Sprache, die Ausbildung von Gowindas vier Kindern, für die er das Schulgeld und die Unterrichtsmaterialien finanzierte. Das Onkel Erich später auch Gulus Kindern den Schulbesuch finanzieren würde, stand außer Frage. Er ließ sich die letzten Zeugnisse von Suman, Subash, Sanju und Sunita zeigen und das beste Zeugniss war das von Sunita, Gowindas Tochter. Es wurde ein sehr langer Abend, mit sehr viel Bier und sehr viel feinstem Nepali und irgendwann stolperten sie in der Dunkelheit den Hang hinunter. Kopfschmerz geplagt erwachten sie in den späten Stunden des nächsten Vormittags, aber Onkel Erich kannte keine Gnade. Mit Hilfe von Aspirin Tabletten und einem ausgedehnten Dauerlauf, stand er schon wieder topfit auf der Matte. Onkel Erich lief seit vielen Jahren Marathon und in seiner Kindheit, hatte er es zum Entsetzten seiner Mutter geschafft, in den Sommerferien ein nagelneues Paar Turnschuhe zu ruinieren, indem er Stunden lang einen Fußball gegen die Hauswand schoss. Onkel Erich war immer noch hyperaktiv. Einer seiner Lieblingssätze lautete, „Und was machen wir nun.“, woraufhin seine Frau Bertha, eine sehr viel entspanntere Spanierin, irgendwann geantwortet hatte, „Was du jetzt machst weiß ich nicht, aber wir ruhen uns erst mal aus.“. Hasy und Chillus konnten sich nicht ausruhen, der nächste Termin stand schon fest. Sie würden die Schule besuchen, an der Gowindas Kinder unterrichtet wurden. Der Direktor empfing sie sehr freundlich und führte sie persönlich über das gesamte Schulgelände, das aus etlichen unverputzten, einräumigen Flachbauten bestand, in denen die verschieden Klassen unterrichtet wurden. Die Schüler und Schülerinnen trugen Schuluniformen und waren außerordentlich diszipliniert, sie standen auf bevor sie eine Antwort gaben und setzten sich erst wieder, wenn sie dazu aufgefordert wurden, das Klasenzimmer verließen sie in geradezu militärischer Aufstellung und genauso betraten sie den Raum auch wieder. Die Klassenräume waren spartanisch ausgestattet, Onkel Erich sagte dem Direktor Unterstützung zu und dann sangen die Kinder auf Geheiß des Schulleiters noch ein Lied für sie.

Auf der Karte kann man stehen, in der Kreide nicht.

PUPPEN TIERE.

Anlässlich des Tages des Schachtelsatzes, greife ich mal ganz tief in die Hutschachtel, denn was man nicht in einem Satz unterbringen kann, dass muss man in die Schachtel tun. So ist der Schachtelsatz denn die Matrjoschka Puppe des Satzbaus und delegiert den Sinn der Aussage immer tiefer in die Verschachtelung hinab. Das alte Schachteln gern junges Gemüse verspeisen, und Schachbrettkäfer nicht in Streichholzschachteln gehören, macht den Schachtelsatz zwar nicht fett, aber in der Schachtel rumort es mittlerweile ganz gewaltig. Schachtelhalme tangiert das nicht, denn sie stammen noch aus dem Palözoikum, einem Erdzeitalter, das Blumen groß wie Bäume werden ließ. Wir greifen uns einen Schachtelhalm und befreien erst die Wörter und dann die Sätze, aus dem Gefängnis falscher Erwartungen, denn die Kunst ist, wie schon der alte Willi mit dem Hut sagte, ganz einfach frei.

Ein Jahr später reisten Hasy und Chillus, in Begleitung von Onkel Erich, dann tatsächlich wieder nach Nepal. Onkel Erich, der ihnen ja schon den Kontakt zu Familie Thapa vermittelt hatte, spendierte Hasy den Flug und Chillus, der damals noch in der Dokumentation des SPIEGL arbeitete, hatte sowieso Geld genug. Die Thapas hatten einen dringenden Hilferuf um finanzielle Unterstützung an Onkel Erich gesendet und er hatte sich spontan dazu entschlossen, persönlich nach dem Rechten zu sehen. Als sie am Flughafen in Dehli landeten und sich am Ende einer langen Schlange, vor den Schaltern für die Passkontrolle und den Weiterflug nach Kathmandu anstellen mussten, übernahm Onkel Erich die Angelegenheit. Er ließ sich Hasys und Chillus Pässe gegen, legte in jeden Pass einen zehn Dollarschein und sprach einen Zollbeamten an. Ganz schnell wurden sie aus der Schlange gewunken und passierten die Zollschranke, denn Onkel Erich kannte sich blendend aus, seit er auf seiner ersten großen Reise Kasiman kennen gelernt hatte, war er etliche Male in Nepal gewesen und sprach mittlerweile sogar ein bisschen Nepali. In Kathmandu organisierte er ein Taxi, dass über einen funktionierenden Kassettenrecorder verfügte und so brausten sie denn stilecht, in den weichen Ledersitzen eines alten Mercedes, zu den Klängen pschedelischer Hippiemusik, von Kathmandu nach Pokhara und diesmal machte ihnen die Fahrt richtig Spaß. Wie in einem Film, flogen von Menschen wimmelnde Straßenszenerien und imponierende Landschaften vorbei und sie filmten fleißig aus dem Fenster. Von ihren Taxifahrer erfuhren sie, dass auf Nepals Straßen und nicht nur dort, eigentlich alles mit Geld regelbar sei, außer dem Anfahren einer heiligen Kuh. In diesem Fall empfahl sich nur eine einzige Möglichkeit, gnadenlos Gas geben und den Schauplatz des Unglücks so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, ansonsten bestand die durchaus reale Gefahr, vom aufgebrachten Mob gelyncht zu werden. Beschwingt und entspannt erreichten sie nach ein paar Stunden Pokhara. Onkel Erich nahm sich ein komfortables Zimmer im „Yak und Yeti“, dem besten Haus am Platz und Hasy und Chillus suchten sich eine etwas günstigere Bleibe. Am nächsten Morgen trafen sie sich zum Frühstück im „Yak und Yeti“, denn das Essen im „Yak und Yeti“ war mit Abstand das beste Essen in der gesamten Gastronomie von Pokhara. Bevor sie sich auf den Weg zum Haus der Familie Thapa machten, kaufte Erich noch einen fünfzig Kilo Sack Reis, denn er ahnte schon, warum Kasiman ihn um Hilfe gebeten hatte. Im Gegensatz zu Kasiman, der sich sehr wohl darüber im Klaren war, wie viel Ertrag ihr nicht besonders großes Reisfeld abwarf und sich deswegen auf drei Kinder beschränkt hatte, die im Abstand von fast zehn Jahren zur Welt kamen, hatte sein erstgeborener Sohn Gowinda, ganz schnell hintereinander vier Kinder bekommen. Suman, Subash, Sunita und Sanju, drei Jungen und ein Mädchen und nun reichte der Ertrag ihres Reisfeldes nicht mehr bis zur nächsten Ernte aus. Viel Arbeitsmöglichkeiten gab es nicht in Pokhara, weswegen Kasiman fast drei Jahrzehnte lang immer wieder nach Indien gegangen war und dort auf dem Bau gearbeitet hatte. Mittlerweile hatte sich die Situation durch den Tourismus etwas verbessert, aber besonders gut bezahlt waren die Jobs nicht. Gowinda und sein Bruder Guhdu hatten als Bergführer gearbeitet und die Touristen auf Trekkingtouren in die Berge begleitet. Großzügig von den Touristen freigehalten, hatte Gowinda sich immer mehr mit alkoholischen Getränken angefreundet und kam nun nicht mehr davon los. In seiner Rolle als zukünftiges Oberhaupt der Familie Thapa, ging er seit ein paar Jahren kaum noch auf Trekkingtouren, was allerdings nicht dazu führte, dass er seiner Frau bei der Feldarbeit geholfen hätte. Guhdu arbeitete weiter ziemlich erfolgreich als Bergführer, er hatte den Radius seiner Touren bis an die Grenze Tibets erweitert und war meistens in den Bergen unterwegs. Kinder hatte er bisher keine bekommen.

Führungslose kann man nicht ziehen.

SPINNER ABDRUCK.

Jedes Jahr wieder, wird der Winter mit uralten Ritualen ausgetrieben. Vom Bikebrennen in Nordfriesland, über die Feuer der Walpurgisnacht, zu Ostern und zum ersten Mai, Beltane lebt. Schön wäre es, wenn Dummheit, Ignoranz, Engstirnigkeit, Mutlosigkeit, Feindlichkeit, Unfreundlichkeit und falsche Ängste, genauso den Flammen übergeben werden könnten und für das laufende Jahr gebannt wären. Mehr denn je ist die Welt kein Kindergarten, sondern ein Killergarten und bedarf ganz dringend der mythischen Reinigung. Dampfplauderer wissen um die Kraft der Vereinigung von Feuer und Wasser, aus der nicht nur die Dampfmaschine, sondern auch das Dampfbügeleisen entstand und wenn wir nicht aufpassen und wirklich Dampf machen, wird alles wieder zu Wasserdampf. So wird das Weiche denn das Harte besiegen, wie die Hexen singen, mit Wasserkraft, denn Wasser findet immer einen Weg.

Bevor es zurück nach Deutschland ging, deckten Hasy und Chillus sich noch mit Tigerbalm und Räucherstäbchen ein. Hasy erwarb eine Großpackung winzig kleiner Tigerbalmdosen und trotzdem wir etliche davon verschenkten, waren nach über zehn Jahren immer noch nicht alle Döschen aufgebraucht. Der Rückflug mit Biman Bangladesh Airlines gestaltete sich wieder recht abenteuerlich und aus unerfindlichen Gründen kam es zu einem längeren Zwischenstopp in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh. Das Flughafengebäude, ein ziemlich herunter gekommener Flachbau, war nicht klimatisiert und außerdem war es ihnen nicht erlaubt, das Gebäude zu verlassen, aber wenigsten gab es Bier. Da es den Einheimischen nicht gestattet war, Alkohol zu kaufen, erwarben Hasy und Chillus das Bier gleich Kistenweise und zogen einen schwunghaften Handel mit einzelnen Bierflaschen auf, die sie durch ein Fenster gewinnbringend an die Einheimischen verkauften. So wurde ihr Zwangsaufenthalt in Dhaka wenigsten nicht zu einem Minusgeschäft. Dann wurde die Route ihres Rückflugs komplett geändert, von Moskau ging es nach Athen, wo das Flugzeug Stunden lang mit geschlossenen Türen auf der Landebahn stehen blieb, ohne das jemand aussteigen durfte. Kurz bevor es zur Meuterei unter den Fluggästen kam, hob die Maschine wieder ab. Wie sie später heraus fanden, handelte es sich um eine Sparmaßnahme von Biman Bangladesh Airlines, denn wenn die Reisenden das Flugzeug für ihren Zwischenstopp in Athen verlassen hätten, wären zusätzliche Gebühren fällig geworden. Als sie dann endlich in Düsseldorf landeten und nicht in Hamburg, wie ursprünglich vorgesehen, stand ihnen noch die Zugfahrt nach Hamburg bevor. Sie brachten fast zwanzig Stunden Filmmaterial mit und obwohl sie beide völlig fertig waren, mehrere Kilo abgenommen hatten, Shivas Rache hatte sie nicht verschont, wollten sie unbedingt so schnell wie möglich wieder nach Nepal reisen. In den folgenden Wochen saß ich Nacht für Nacht vorm Fernseher und übertrug die Aufnahmen aus Nepal, von den kleinen Kassetten der Videokamera auf große Kassetten, die im Videorekorder abgespielt werden konnten. Der original Sound war überwältigend laut, die Szenerie manchmal fast surreal und nur die schwüle Hitze und die aufdringlichen Gerüche fehlten, um das Erlebnis komplett zu machen. Zweimal übertrug ich das gesamte Filmmaterial und zwischendurch führte Hasy unseren Freunden immer wieder ausgewählte Szenen vor. Da es auf die Dauer doch ein wenig ermüdend ist, nach den Landschaftsaufnahmen, den Bergpanoramen rund um Pokhara, dem See Phewa samt Tal Bahrei Insel mit dem Ajima Tempel, dem Treiben der Familie Thapa, Stunden lang banale Straßenszenen zu betrachten, bis die Kamera endlich in Swayambhunath ankommt, oder in Patan und Bhaktapur, beschlossen Hasy und Chillus, einen etwa einstündigen Film aus der Materialflut zu extrahieren. Es dauerte bis sie sich auf ein Skript geeinigt hatten und die dafür ausgewählten Filmsequenzen zusammen geschnitten. Zwischen die verschiedenen Stationen ihrer Reise montierten sie Texttafeln, mit den Ortsangaben und im nächsten Schritt unterlegten sie ihren Film, mit von Chillus gesprochenen und verifizierten Erläuterungen. Zwischen Chillus Kommentaren ist nach langen Diskussionen ausgewählte Musik zu hören. Den Originalton ließen sie nur an wenigen Stellen stehen. Als alles fertig war, zeigten sie den Film einem handverlesenem Publikum, dass überwiegend aus Mitgliedern der HörBar bestand, im Rahmen einen Sonderveranstaltung, im kleinen Kino der HörBar.

Wer das Unnennbare ausspricht fällt in Ungnade, oder bändigt Es.

PRASSER PFAND.

Das die Kraft von Motoren noch heute in Pferdestärken gemessen wird, reicht tief in die mythologischen Sümpfe unserer Vergangenheit zurück, denn auf dem Rücken der Pferde liegt das Glück dieser Erde, weil auf dem Rücken der Pferde die Mobilität der Menschen zum ersten Mal richtig Fahrt aufnahm. Nicht ohne Grund ließen die, die es sich leisten konnten, schon vor vielen tausend Jahren mit ihren Pferden bestatten, wahrscheinlich um auch im Jenseits mobil zu sein. Ein Königreich für ein Pferd und den König der Pferde für Gandalf. Schneller als der Wind und schöner als eine Prinzessin. Auf dem Kot von Pferden wachsen essbare Pilze und wahrscheinlich liegt der technologische Sündenfall in der Vervielfachung von Pferdestärken. Zurück zur Postkutsche, ächtet die Geschwindigkeit, denn sie frisst unsere Zeit, unser Glück und unser Leben.

Nach der Besichtigung von Swayambhunath standen als nächstes die beiden alten Königsstädte Patan und Bhaktapur auf ihren Programm. Patan, angeblich über zweitausenddreihundert Jahre alt, gilt als die älteste der drei Königsstädte im Kathmandutal und liegt direkt neben Kathmandu. Bhaktapur ist die kleinste der Königsstädte, aber weil Bhaktapur im Gegensatz zu Kathmandu und Patan, die jeweils entweder nur eine Route in den Norden oder eine in den Süden besaßen, über Handelswege nach Norden und nach Süden verfügte, wurde Bhaktapur zur reichsten, der Königsstädte des Kathmandutals, was sich auch im architektonischen Bild der Stadt bemerkbar macht. Hasy und Chillus bestaunten die unzähligen Pagodentempel Bhaktapurs und Patans, die mit ihrem bizarren Aussehen, fast wie direkt aus einem Science Fiction Film, auf die Erde gebeamt aussahen, die aufwendigen Holzschnitzereien, den Durban Square und den riesigen Töpfermarkt. Besonders beeindruckend war der Nyatapola Tempel, mit seiner von Elefanten und Dämonen flankierten Treppe. Sie besichtigten den Königspalast von Bhaktapur mit dem goldenen Tor und hörten einen Vortrag über die Kumari, ein junges Mädchen, das bis zu seiner ersten Menstruationsblutung als Inkarnation der hinduistischen Göttin Durga gilt. Alle drei Königsstädte im Kathmandutal verehren ihre eigne Kumari und wählen sie immer wieder aus der buddhistischen Shakya Kaste des Volkes der Newar. Die Kumari ist den Buddhisten und Hindus gleichermaßen heilig. Alle drei Städte besitzen ihren eigenen Königspalast und einen Durban Square. Überall wimmelte es von aufwendig bemalten Sadhus, die sie entweder hochmütig ignorierten oder ansprachen, um ihnen allerhand esoterische Dienstleistungen anzubieten. Im alten Königspalast von Bhaktapur sahen sie einen halb verfallenen Brunnen, der von der Statue einer riesigen Kobrastatue beherrscht wurde. Zwei Tage lang liefen sie durch Bhaktapur und Patan, das vielleicht nicht so reich wie Bhaktapur gewesen war, aber trotzdem nicht minder beeindruckend. Sie filmten und staunten und zwischendurch verirrten sie sich auf ein Feld, das als gigantischer Abort diente. Angesichts der unübersehbaren Flut von Sehenswürdigkeiten und damit sie nicht nochmal auf einem Fäkalien Acker landeten, mieteten sie sich einen Touristenführer. Der Guide führte sie von einem Tempel zu nächsten, hielt allzu aufdringliche Sadhus fern und dann führte er sie durch etliche Werkstätten, in denen traditionelles, nepalesisches Handwerk betrieben wurde. Sie sahen Holzschnitzer, die alles mögliche aus Holz herstellten, von aufwendigen Fensterrahmen, Türen und Pfosten, bis zu Götterfiguren jeder Art. In den Metallwerkstätten wurden Schalen, Glocken und Donnerkeile und auch wieder Götterfiguren, aus Bronze und Messing für religiöse Zeremonien produziert. Nicht wenige Werkstätten hatten sich auf traditionelle Musikinstrumente spezialisiert oder Schmuck und natürlich gab es auch diverse Läden mit allem möglichen touristischem Schnickschnack. In einer Holzwerkstatt verliebte Chillus sich in eine ziemliche große Statue des Elefantenköpfigen Gottes Gansesha und nachdem er sie mit Hilfe des Guides auf einen halbwegs akzeptablen Preis herunter gehandelt hatte, erwarb er die Götterstatue, deren Transport sie auf der Rückreise noch vor allerhand Schwierigkeiten stellen sollte. Die Führung endete in einer Werkstatt für Thangkas. Der ganze Laden war vom Boden bis zur Decke mit quietschbunten Götterbildern jeder Größer zugehängt und außerdem gab es Kalender mit Götterbildern. Etliche Thangkas behandelten das Leben Buddhas, oder anderer Gottheiten und bestanden aus lauter winzig kleinen Bildern, in denen sämtliche Stationen des Werdegang der Gottheit dargestellt wurden. Die Miniaturen waren meistens um ein größeres Motiv im Zentrum des Bildes gruppiert. Die Thangkamaler arbeiteten hochkonzentriert mit haarfeinen Pinseln und die Arbeit galt als Meditation. Für die Augen der meditierenden Kunsthandwerker war sie allerdings so belastend, dass nicht wenige von ihnen im Laufe ihrer Arbeitsjahre erblindeten.

In der Ecke kann man stehen ohne umzufallen.

MAUS ARREST.

Worum geht es eigentlich, bei diesen ganzen Abgrenzungsdiskussionen, ganz bestimmt nicht um das Wohl der meisten Bürger, die einfach außen vor bleiben. Nicht die Animositäten omserer gewählten Grollsvertreter sollten rauschschlaggebend sein, sondern tatsächlich das Gemeinwohl der Lallgemeinheit. Was gestern war ist nicht heute und nur das heute zählt, weil das morgen unausweichlich vor der Tür steht. Vor den Waffen müssen die Vorurteile niedergelegt werden und wer einen an der Waffel hat, muss noch lange kein Waffeleisen haben. Zu den Waffen rufen sowieso nur Wahnsinnige und wer die Natur mit Waffen bekämpfen will, ist wahnsinnig. Ob das Ende dann lang oder bitter wird, ist keine Frage des Stils, sondern des Wetters und gutes Wetter kann man nicht machen, auch wenn der Frühling viel zu früh kommt.

Als nächstes besichtigten sie die, auf einem Hügel im Westen Kathmandus gelegene Tempelanlage von Swayambhunath. Die etwa zweitausendfünfhundert Jahre alte, heilige Stätte kann über eine Treppe, von mehr als dreihundert Stufen erreicht werden, auf der Rückseite des Hügels aber auch, erst mit einem Bus und dann mit einem kurzen Fußweg. Für gläubige Pilger kommt nur die Treppe in Frage, denn der Weg ist das Ziel. Hasy und Chillus nahmen die Treppe, deren Geländer mit den Tierkreiszeichen des tibetischen Buddhismus verziert ist, sie machten immer wieder kleine Verschnaufpausen und es dauerte einige Zeit, bis sie oben vor der großen Stupa mit den aufgemalten Augen Buddhas standen und den Blick über Kathmandu und das Kathmandutal genießen konnten. Die Aussicht ist nicht immer gut, die Luftverschmutzung im Kathmandutal war schon damals sehr hoch und während der Regenzeit ist es oft ziemlich dunstig, aber Hasy und Chillus hatten Glück und außerdem waren sie nicht in der Regenzeit unterwegs. Swayambhunath ist Buddhisten und Hindus gleichermaßen heilig und die Augen auf der großen Stupa werden auch Shivas Augen genannt. Überall qualmen unzählige Räucherstäbchen und es riecht nach dem ranzigen Fett von Butterlampen. Rund um die zentrale Stupa stehen etliche andere religiöse Bauten, Schreine der unzähligen Götter des buddhistischen und hinduistischen Götterkosmos, kleine Stupas und mannshohe Gebetsmühlen, die ständig gedreht werden und beherrscht wird das ganze von den dort ansässigen Affen. Natürlich hat auch Hanuman, der Affengott, hier seinen eigenen Schrein. Die Opfergaben der gläubigen Pilger werden, sofern sie denn essbar sind, gerne von den Affen angenommen. Die dort seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden ansässigen Affen, sind äußerst selbstbewusst und es empfiehlt sich Gegenstände und Kleidungsstücke, wie Kameras, Handtaschen und Schals möglichst fest zu halten. Die Affen sind nicht nur recht kräftig, sie verfügen obendrein über scharfe Zähne und außerdem sind sie heilig. Fasziniert beobachteten Hasy und Chillus, wie einer unaufmerksamen Touristin die Handtasche, samt des darin transportierten Fotoapparates geraubt wurde und trotzdem die Frau noch versuchte ihre Tasche festzuhalten, riss der Affe sie an sich und verschwand wild kreischend mit mit seiner Beute. Auf einer Mauerkrone außer Reichweite, holte er den Fotoapparat aus der Tasche, beäugte und untersuchte ihm neugierig und warf ihn dann den Hügel hinunter. Es war nicht das erste Mal, dass Hasy und Chillus sahen, wie Affen sich der Taschen oder auch Lebensmittel von Passanten bemächtigten. Sie rissen ihren Opfern das Essen aus der Hand und auch gerne die Taschen von den Schultern. Die Affen hielten sich vorzugsweise an belebten Plätzen oder Verkehrsknotenpunkten, wie Bahnsteigen und Busbahnhöfen auf. Was essbar war verleibten sie sich schnell ein, was nicht essbar war, wurde gründlich untersucht und dann meistens zerstört. Mit wirklicher Gegenwehr brauchten die Räuber nicht zu rechnen, ihre Heiligkeit schützte sie. Nun sind aber lange nicht alle Affen heilig, sowenig wie alle Rinder heiligen Kühe sind, sondern Wasserbüffel oder Yaks, die man ohne religiöse Skrupel für sich arbeiten lassen kann, oder essen. Im Falle der heiligen Affen, eignen sich säkulare Affen ganz besonders gut dafür, die heiligen Räuber in ihre Schranken zu weisen, denn der Affe ist vom Menschen ja nicht so weit entfernt und sich deswegen oft spinnefeind. Wenn die heiligen Affen es all zu dreist trieben, werden Affenführer mit ausgebildeten Affen einer Rasse, die den heiligen Affen feindlich gesonnen ist, eingesetzt. Diese Affen zeigten Präsenz, machen ordentlich Spektakel und treiben übermütig gewordene Kolonien heiliger Affen, ohne Blut zu vergießen in die Flucht. Das hält für ein paar Monate vor, dann müssen die Affenführer mit ihren Gehilfen wieder gerufen werden und leben samt ihren Affen gut davon.

Ohne volle Hosen keine halben Wahrheiten.

LABER DENKEN.

Das Macht mächtig geil ist, wissen wir nun ja schon seit bängerem, laber flenn Parteien, die mal gerade eben mit Ach und Krach die Fünf Prozent Hürde geschafft haben, sich anmaßen die Präsidentschaft eines Landes zu trübernehmen, wirrt es würglich trübe. Mal ganz abgesehen davon, dass omsere Poly Trickster uns verraten und verkaufen, sie verarschen uns mittlerweile sogar vor laufender Kamera. Wahrscheinlich wird es wirklich Zeit, das die KI übernimmt. So wandern kritische Geister denn aus ins Auenland der phantastischen Ideen, wo praktisch nicht von praktikabel kommt sondern von prächtig und wir lernen, dass Liebe durch den Magen geht und Lügen durch die Ohren. Die Wahl gewinnt wer am schönsten lügt, denn die Lüge ist die schönere Schwester der Wahrheit, auch wenn wahre Geschichten das gar nicht gerne wahr haben wollen.

An ihrem letzten Abend in Pokhara luden sie die ganze Famlie Thapa zum Pizza essen, in einer Dependance der amerikanischen Schnellrestaurantkette „Pizza Hut“ ein und obwohl Hasy die einheimische Küche eigentlich viel besser fand, waren Thapas total begeistert. Bevor Hasy und Chillus dann am nächsten Morgen in einen Touristenbus stiegen, der sie etwas komfortabler nach Kathmandu zurück bringen sollte, als der lokal Bus, nahmen Thapas ihnen zum Abschied noch das Versprechen ab, bald wieder nach Nepal zu kommen und hängten ihnen Ketten aus Blumen um. Hasy und Chillus waren sehr gerührt. In Kathmandu kamen sie diesmal besser zurecht, als bei ihrer Ankunft. Völlig entsetzt von den hygienischen Zuständen, unter denen die Lebensmittel und insbesondere das Fleisch angeboten wurden, hatte Hasy sich in den ersten beiden Tagen ausschließlich von einer riesigen Tafel Schokolade ernährt, die er noch im Duty Free Bereich auf dem Flughafen erworben hatte und am liebsten wäre er sofort wieder in ein Flugzeug gestiegen und zurück nach Europa geflogen. Auch ihre Unterkunft war diesmal besser, denn sie fielen nicht mehr auf die blumigen Beteuerungen der Zimmervermieter herein, die, die Touristenbusse bei ihrer Ankunft in Kathmandu regelmäßig belagerten und inzwischen hatten sie gelernt knallhart zu handeln und nicht gleich jeden Preis zu akzeptieren. In Gegensatz zu Pokhara, war Kathmandu infernalisch laut und entsetzlich voll. Die Straßen quollen über von Menschen und außerdem waren sie mitten in das Divali Fest, zu Ehren der Göttin Laxmi geraten. Das Lichterfest Divali ist ein fröhliches Fest, denn Laxmi ist die Göttin des Wohlstands und des Glücks und außerdem ist Divali ein Erntedankfest. Die Stadt ist übersät mit Öllampen und anderen, nicht minder abenteuerlichen Lichtquellen und in Anbetracht der Tatsache, dass viele Häuser uralt und aus Holz waren, empfanden Hasy und Chillus es schon fast wie ein Wunder, dass nichts in Brand geriert. Die ganze Nacht knatterten Gruppen von Jugendlichen mit ihren Zweitaktern durch die engen Gassen und gaben sich alle Mühe, so laut wie möglich zu sein. Tagsüber zogen Hasy und Chillus durch die Straßen Kathmandus und wussten kaum, was sie zuerst filmen sollten, weil alles um sie herum so fremdartig und exotisch war und manchmal beschlich sie fast das Gefühl, auf einem anderen Planeten gelandet zu sein. Die alten Holzhäuser, bunt bemalt und mit reichen Schnitzwerk verziert, atmeten noch den Geist des Mittelalters, die Stadt war voller Sadhus, echter und unechter, heilige Kühe machten mitten auf belebten Kreuzungen ein Schläfchen, behinderten den Verkehr, oder plünderten die Gemüsestände verzweifelter Händler, die keinerlei Handhabe gegen die heiligen Tiere hatten. Die Kühe waren vollkommen frei und konnten tun und lassen was ihnen beliebte, aber geholfen wurde ihnen auch nicht. Mit Entsetzen beobachteten Hasy und Chillus den tagelangen Todeskampf einer heiligen Kuh, die in der Nähe ihrer Unterkunft elendig am der Maul und Klauenseuche verreckte. Dann entdeckten sie einen Tempel für Ratten, in dem ein Sadhu saß und auf dem Schoß und den Händen des Sadhu saßen heilige Ratten. Irgendwann hängten sie sich die Kamera einfach um, schalteten auf Aufnahme und liefen einfach so durch die Straßen. Aber nicht nur die Sadhus und die heiligen Tiere wirkten ein wenig befremdlich auf sie, auch das Treiben etlicher Touristen, die nach übermäßigen Konsum starker Rauchwaren oder halluzinogener Pilze, phantastisch gekleidet und mit völlig überdimensionierten Hüten auf dem Kopf, ihr Unwesen trieben, irritierten sie. Bei den Gaths am Ufer des Bagmati, wo die Hindus ihre Toten verbrennen, lernten sie einen Sadhu kennen, der sie in seine Behausung mitnahm, ein winziges, steinernes Häuschen in der Nähe der Gaths. Der Sadhu lud sie zu einem Chillum ein und Hasy rauchte mit. Es dauerte ein paar Stunden, bis Chillus ihn endlich wieder auf die Beine stellen konnte, aus dem Häuschen hinaus bugsieren und zu ihrer Unterkunft zurück schleppen konnte.

Wer dem Volk nach dem Mund redet kommt darin um.

MOPPEL SPITZE.

Das viele Köche den Brei verderben, ist seit längerem bekannt und wer nach allen Seiten offen ist, hält sich zwar ein bisschen länger, um dann doch spektakulär zwischen den feindlichen Lagern zu zerreißen. In der Mitte ist man nicht links und auch nicht rechts, sondern eben in der Mitte. Nun ist die Mitte, seit dem unseligen Wirken des Genossen der Bosse, immer mehr hinweg geschmolzen und an den Rändern sammelte sich der Unmut. So ist die Gesellschaft denn schmutiefst gespalten und wer an der Macht teilhaben will, muss lernen, nicht nur die Macht, sondern auch den Wohlstand zu teilen. All zu viele Interessen passen halt nicht unter einen Hut und wer seinen Hut nimmt, zaubert keine Kaninchen mehr daraus. Kein Wunder also, dass Hutmacher langsam verrückt werden und Kaninchen sich frech zu Hasen erklären.

So hielten sie es denn bis zum Ende ihrer Fahrt auf dem Kali Gandaki, denn der Fluss tobte fröhlich weiter der indischen Tiefebene entgegen und die junge Frau schrie und weinte jeden Tag wieder, sobald sie mit den Booten auf dem Fluss waren. Wenn sie dann am Ende jedes Tages, in der Dschungelnacht ganz entspannt am Lagerfeuer saßen und ihr Dal Bat verkosteten, ging es ihr auch nur noch schlecht und ihrem Freund wurde die ganze Angelegenheit zunehmend peinlicher. Tiger sahen sie zwar nicht, aber Elefanten und Flusspferde, von denen sie gebührend Abstand hielten. Nach einer Woche erreichten sie ihr Ziel und die junge Frau trennte sich mit einer letzten dramatischen Szene von ihrem Freund. Das Rafting Unternehmen bot einen nicht ganz billigen Rückfahrservice nach Pokhara an, den Chillus und Hasy, in Anbetracht ihrer Erfahrungen mit dem Lokal Bus, gerne in Anspruch nahmen. Familie Tapha schloss sie erfreut wieder in die Arme und nachdem sie gründlich ausgeschlafen hatten, gingen sie in einem der Touristenlokale essen. Nach einer Woche Dal Bat Diät, freute Hasy sich ganz besonders auf das von ihm bestellte Chili Chicken, Chillus hatte wie immer Steak vom Wasserbüffel bestellt. Im Gegensatz zu den heiligen Kühen, deren Verzehr verboten war, konnten Wasserbüffel oder auch Yaks, ohne weiteres gegessen werden. Kurz bevor das Essen kam fiel der Strom aus, nichts ungewöhnliches, denn der Strom fiel eigentlich jeden Abend mehrmals aus und da das Lokal keinen eigen Notstromgenerator besaß, wurde ihnen das Essen im schummerigen Licht einer Gaslaterne serviert, die mit der Beleuchtung der gesamten Terrasse völlig überfordert war. Hungrig und gut gelaunt langte Hasy zu und bemerkte zu spät, dass das Chili Chicken mehr aus feurigen Chilis, als aus Chicken bestand. Tapfer kaute er die Chilis runter, aber sie waren so scharf, dass er einen furchtbaren Hustenanfall bekam. Mit hochrotem Kopf hustete er, vom besorgtem Service Personal umringt und von den anderen Gästen angestarrt, immer weiter. Sie traktierten ihn mit diversen Flüssigkeiten, aber Hasy hörte nicht auf zu husten und selbst Chillus, der anfänglich noch gelacht hatte, machte sich mittlerweile Sorgen. Als Hasy dann endlich nicht mehr husten musste, war der Strom wieder da und er konnte das Chicken vorsichtig von den Chilis trennen. Bevor sie wieder den Rückweg nach Kathmandu antraten, wo sie auch noch ein paar Tage verbringen wollten, um die uralte Stadt zu besichtigen, machten sie noch mit Gowinda eine Einkaufstour in Pokhara. Am Rande der Stadt lag das sogenannte Lager der Tibeter, inzwischen in großen Teilen kein Lager mehr, sondern eine Siedlung. Die Tibeter, im Gegensatz zu den hinduistischen Nepalis, Buddhisten, waren vor vielen Jahren im Gefolge des Dalai Lamas und auch später noch, vor den chinesischen Besatzern nach Nepal geflohen. Die Nepalis waren nicht besonders begeistert von diesen andersgläubigen Flüchtlingen, aber sie tolerierten sie. Einige von ihnen bewegten sich, auf verschwiegenen Pfaden im Hochgebirge des Himalayas, immer noch zwischen Nepal und Tibet hin und her und dabei schmuggelten sie Menschen und Waren über die unwegsame Grenze. Von einem Tibeter, der Hasy seine Waren sehr offensiv aus einem großen Sack anbot, kaufte Hasy eine buddhistische Gebetsmühle, eine Glocke und einen Donnerkeil aus Messing, die Glocke diente dem Rufen der Geister und der Donnerkeil ihrer Bannung und eine kleine Buddhastatue, ebenfalls aus Messing. Wie aus einer großen Wundertüte, zog der Tibeter immer mehr wundersame Gegenstände aus dem Sack und präsentierte sie Hasy. Lange Ketten, deren Perlen aus winzig kleinen, aus Knochen geschnitzten Totenköpfen bestanden, eine kürzere Totenkopfkette, an der ein ebenfalls aus Knochen geschnitzter Anhänger, in Form einer Dämonenfratze hing. Hasy nahm zwei von den langen Ketten und die mit dem Dämonenanhänger.

Lieber schief gewickelt, als dumm gelaufen.

WAHL MEISE.

Bezeichnenderweise heißt es ja Wahlurne und deswegen endet die Wahlfreiheit in einer Wahlurne. Mit Sport hat das Urnengrab im Wahllokal, wo man noch nicht mal was zu trinken bestellen kann, nichts zu tun, denn keiner wird gewinnen, weil es mittlerweile für keinen mehr reicht. Reich werden sowieso nur die Reichen und von ihrem Reichtum kriegen ehrenamtliche Wahlhelfer wenig ab. Wer wirklich weiter kommen will, fälscht die Ergebnisse zu seinen Gunsten und gewinnt das Spiel. Nun sollte wer falsch spielt, im Sinne der übergeordneten Harmonie, wenigsten schön spielen und noch schöner sein. So enden wahre Geschichten denn mit einer Lüge und die langen Beine der Lügen tragen sie himmelwärts. Am Ende sind schöne Lügen besser, als grausame Wahrheiten und wenn die Kasse nicht mehr klingelt, klingelt das Smartphone, bis der Jubel wieder rollt.

Nachdem sie zwei Wochen lang Tagesausflüge rund um Pokhara unternommen hatten, eine Bootstour auf dem Phewa See, während derer sie die, im See gelegene Tal Bahrei Insel besuchten und den der Göttin Shakti gewidmeten Ajima Tempel besichtigten und außerdem etlichen näheren und ferneren Familienmitgliedern der Thapas vorgestellt worden waren, stand Hasy und Chillus der Sinn dann doch nach etwas mehr Abenteuer. Da sie wegen Chillus Höhenangst aber keine längere Tour in die Berge machen konnten, entschlossen sie sich dazu, es mit Rafting zu versuchen. In einem Reisebüro in Pokhara, buchten sie eine mehrtägige Rafting Tour auf dem Kali Gandaki. Am frühen Morgen des nächsten Tages starten in sie Pokhara, mit einem Bus des Raftingunternehmens in ihr Abenteuer. Nach etwa einer guten Stunde Fahrt durch die Berge, erreichten sie ein kleines Dorf am Kali Gandaki, Startpunkt ihrer Reise Flussabwärts. Die Gruppe bestand aus zwanzig Teilnehmern und zwei Guides, für jedes Boot einer, Schwimmwesten oder Schutzhelme gab es nicht. Nach einer kurzen Einführung, wurde ihr auf das Notwendigste reduzierte Gepäck, in die Boote geladen und es ging los. Die Kamera hatten sie vorsichtshalber in Pokhara gelassen. Stromschnellen übersät schlängelte sich der Kali Gandaki mitten durch den Dschungel, in ruhigeren Gewässern genossen sie die Aussicht auf die bewaldeten Ufer und die exotischen Tiere, immer in der Hoffnung, einen Tiger zu sehen, aber die Fahrt verlief keineswegs immer ruhig. Wild hüpften die Boote durch die Stromschnellen und außer den beiden Guides, hatte kaum jemand an Bord wirklich Ahnung von Wildwasser Rafting. Einer jungen Frau an Bord ihres Bootes, die sich nur ihres Freundes zu liebe auf die Fahrt eingelassen hatte, gingen die Nerven komplett durch, sie fing an zu schreien und zu weinen und klammerte sich mit gesenktem Kopf an das Boot und das ging Stunden lang so. Vor Einbruch der Dunkelheit steuerten sie das Flussufer des Kali Gandaki an einer geeigneten Stelle an und bauten ihr Nachtlager auf. Bevor die Guides sie zum Feuerholz sammeln losschickten, wurden sie eindringlich vor Schlangen gewarnt und aufgefordert in Sichtweite ihres Rastplatzes zu bleiben. Am Strand zündeten die Guides ein Lagerfeuer mit Blick auf den nächtlichen Fluss an und die durch den Feuerschein angelockten Insekten waren riesengroß. Zum Dinner unterm Sternhimmel gab es dann jeden Abend wieder Dal Bat, Reis mit Linsen und ein bisschen Gemüse, aber der mit funkelnden Sternen übersäte Nachthimmel, der Fluss und die exotische Geräuschkulisse des Dschungel, entschädigten sie für alle kulinarischen Entbehrungen. Das Wildwasser Rafting machte seinem Namen alle Ehre, immer wieder kreuzten Stromschnellen, mit brausend kochendem Wasser ihren Weg und Nussschalen gleich hüpften und schlingerten die Boote zwischen ihnen hindurch. Am nächsten Tag drehte die junge Frau in ihrem Boot wieder komplett durch, schreiend und weinend klammerte sie sich mit eingezogenem Kopf am Boot fest und ließ sich nicht beruhigen. Die Situation war eigentlich unhaltbar, für die Frau und für ihre Mitreisenden, aber es gab kein Entkommen, sie befanden sich mitten einer unwegsamen Wildnis und zurück lassen kam nicht in frage. Mobiltelefone waren damals noch groß wie Ziegelsteine und nicht mit an Bord, die nächste Straße Tage weit entfernt und ohne ortskundigen Führer unerreichbar, mal ganz abgesehen davon, dass die beiden Guides Bootsführer und nicht Dschungelführer waren, waren sie sowieso auf den Booten unabkömmlich. Als die junge Frau am dritten Tag auch wieder anfing pausenlos zu schreien und zu weinen, wechselten sie und ihr Freund bei der ersten Pause auf das andere Boot, um die Nerven ihren Mitreisenden nicht über Gebühr zu strapazieren.

Auch bunte Listen werden irgendwann grau.

FUNDEMIE

Um was für eine Form von Populismus handelt es sich eigentlich, wenn der neugewählte, blonde Schrecken von der Insel, sich mit einmal als Klimaversteher outet. Wie denn nun das großartige Highhandelsabkommen mit dem noch großartigerem, blonden Schrecken so zustande kommen soll, bleibt vorerst ein Geheimnis blonder Populisten und Blonde haben immer noch mehr Spaß. Das nennt sich dann Populismus Pop. Sowieso ist es wahrscheinlich sinnvoller nach Popeln zu popeln, selbst wenn das manchmal etwas popelig ist. Fest steht, dass wer nicht zum Pott kommt, nicht in den Pott gucken kann und auch nicht auf den Pott gesetzt werden kann. Wer dann allerdings auf den Putz hauen will, muss den Pott knacken und das große Los ziehen. So kommt der Pott zur Trommel, aber tief im Glas regt sich Widerstand und bei den Tassen im Schrank gibt es Verluste.

Dann ging die Kamera auf eine große Reise nach Nepal. Mit Biman Bangladesh Airlines, die den mit Abstand den billigsten Flug anboten, damals allerdings noch weit über tausend DM, flogen Hasy und sein Jugendfreund Chillus nach Nepal. Der Flug war so katastrophal, im Innenraum einer Maschine lief das Kondenswasser von den Wänden, dass Hasy sich schwor, nie wieder mit Biman Bangladesh Airlines zu fliegen, woran er sich auch hielt. Von Kathmandu, wo sie sich nur kurz aufhielten, fuhren sie, trotz aller Warnungen, mit einem Lokal Bus weiter nach Pokhara, was sie dann auch nie wieder taten. Der Bus war heillos mit Menschen, ihrem Gepäck, sowie etlichen Ziegen und Hühnern überfüllt, die teilweise auf dem Schoß ihrer Besitzer saßen. Hasy bekam während der Fahrt einen hysterischen Anfall und wurde vom Busfahrer nach vorne geholt, was die Sache aber auch nicht viel besser machte, denn nun genoss er, durch eine von unzähligen Räucherstäbchen vernebelte Frontscheibe, die beste Aussicht auf steile Abgründe am Rand der Straße und auf etliche Fahrzeuge, die von der schmalen und Kurven reichen Straße abgekommen waren und nun in tiefen Abgründen vor sich hin rosteten. Auch die mit Götterfiguren voll gestellte Ablage und das Gottvertrauen des Fahrers, überzeugten Hasy nicht von der Sicherheit des Gefährt und den Fahrkünsten seines Chauffeurs. Glücklich in Pokhara angekommen, besuchten sie dann die Familie der Taphas. Diesen Kontakt hatte Onkel Erich vermittelt, der seit seinen Jugendtagen mit den Taphas befreundet war. Onkel Erich war nach seinem Abitur per Anhalter nach Nepal gereist, er hatte noch das von Hippies überschwemmte Kabul gesehen und eine Reisebekanntschaft verloren, als sie an Rand einer Straße in Afghanistan übernachteten. Onkel Erich war im Schlaf mit seinem Rucksack die Böschung hinunter gerollt, seine Reisebekanntschaft oben liegen geblieben, im Schlaf erstochen und ausgeraubt worden. In Pokhara lernte Onkel Erich Kasiman Tapha kennen. Kasiman hatte lange in Indien gearbeitet und sprach ausreichend Englisch, er brachte Onkel Erich Nepal und insbesondere Pokhara, damals noch ein eher verschlafenes Städtchen an einem zauberhaften See, nahe. Im Laufe der Jahre machte Onkel Erich Karriere und Kasiman bekam drei Söhne, deren schulische Ausbildung und geschäftliche Projekte Onkel Erich finanzierte. So wurden Hasy und Chillus denn mit allen Ehren willkommen geheißen und litten einen Kulturschock nach dem anderen. Am Abend ihrer Ankunft richteten Taphas ein Festmal für sie aus und das kleine Zicklein, das eben noch munter durch die Gegend gehüpft war, landete auf ihren Tellern. Hasy weigerte sich von dem Zicklein zu essen. Trotz dieser Anfangsschwierigkeiten nahm ihre Bekanntschaft dann doch Fahrt auf. Gowinda, Kasimans ältester Sohn, führte sie auf Tagestouren in die Gegend rund um Pokhara, die allerdings nicht zu steil sein durften, denn wie sich schnell herausstellte, war Chillus nicht Schwindel frei. Auf einer ihrer Touren war der Weg immer schmaler geworden und der Abgrund an seinem Rand immer tiefer, bis Chillus sich weigerte noch einen Schritt voran zu machen. Dummerweise weigerte er sich aber auch noch einen Schritt zurück zu machen. Es kostete Gowinda und Hasy viel Zeit und allerhand Überzeugungsarbeit, bis Chillus sich wieder vom Fleck bewegte. Problematisch wurde es auch, wenn ihnen auf den schmalen Bergpfaden Wasserbüffel oder Yaks begegneten, dann half nur noch sich so schnell wie möglich an die dem Berg zugewandte Seite des Pfades zu pressen, damit die großen Tiere sie nicht vom Weg abdrängten, außerdem furzten die Büffel und Yaks ganz fürchterlich. Trotzdem war die, von den majestätischen Bergen des Himalaja umrahmte Landschaft mit ihren grünen Reisterrassen überwältigend.

Wecker gehen auf den Wecker.

BADE KLEISTER.

In Frank Schätzings Roman „Der Schwarm“, führt die Gegenwehr einer vor undenklichen Zeiten auf der Erde gelandeten, aber völlig anderen, hochintelligenten Lebensform, wohnhaft in den tiefsten Tiefen der Tiefsee dazu, dass der internationale Warenverkehr völlig zum Erliegen kommt und der Planet Luft holen kann. Unser Dreck war mittlerweile bei ihnen angekommen. Wenn das so weiter geht mit dem Virus, könnte das vielleicht auch passieren und man muss es einen Akt der Vernunft nennen, ausgelöst durch das Zusammenwirken unserer Art und der Beschaffenheit unseres Lebensraumes. Die Zeichen an der Wand sind Grauen erregend, Feuerregen in Australien, Heuschreckenplagen in Afrika und Asien, da winkt die Apokalypse des Johannes, aber wenn Gaia wirklich ein intelligentes System ist, dann reguliert sie sich selbst und gebietet den Warenströmen des entfesselten Kapitalismus endlich Halt.

Zusammen mit Ivo schafften wir uns eine Videokamera an und Ivo begann den ganz alltäglichen Irrsinn der besetzten Häuser zu filmen. Wutanfälle und Eifersuchtsanfälle, chaotische Zimmer, Lachen und Weinen, wilde Diskussionen, Schwachsinn und Tiefsinn, magische Momente und Müll auf dem Flur. Mit Fischkopf drehten wir den Schlachtertanz, dann bat Gereon mich darum, ihn auf ein längeres Rollenspiel in Süddeutschland zu begleiten und das Treiben der Edlen und Unedlen visuell festzuhalten und es sprach sich immer mehr herum, dass wir über eine Videokamera verfügten. Da so eine Kamera damals noch etwas sehr besonderes war, wurden wir schnell darum gebeten, künstlerische Veranstaltungen in unserm Umfeld filmisch zu dokumentieren. Um endlich nicht mehr, inmitten eines akustischen Inferno, mit Gesprächsanfragen konfrontiert zu werden, oder gleich hemmungslos voll gequatscht zu werden, meldete ich mich freiwillig für den Job und lernte ihn schnell zu schätzen. Mit der Kamera bewaffnet hatte ich meine Ruhe und musste niemanden mehr erklären, dass ich hier und unter diesen Umständen, leider nicht in der Lage sei irgendetwas zu verstehen, geschweige denn ein Gespräch zu führen. Man näherte sich mir nicht mehr einfach so, sondern nahm eher Haltung an in meiner Nähe, wahrscheinlich um keine schlecht Figur zu machen.So filmte ich denn von experimenteller Musik begleiteten Butoh Tanz in der Hörbar, in der Roten Flora und im Ahoi unten am Hafen, hatte mitten im Getümmel meine Ruhe und konnte meinen ethnologischen Ambitionen frönen. In der Volxküche filmte ich den Auftritt einer polnischen Punkband, deren Sänger mit einer Hausbesetzerin liiert war und Ivo mokierte sich ganz furchtbar über die ungenießbare Pampe, die das Küchenteam dort fabrizierte, schließlich hatte er ja in einem Sternelokal in Süddeutschland Koch gelernt, bevor er beschloss Hausbesetzer zu werden. Ich nahm die Kamera mit zu meinen Großeltern und filmte sie an einem Sommernachmittag bei Tee und Kuchen, auf der Terrasse ihres Hauses. Ich filmte im Haus und rund um das Haus im Garten, mit meinem Großvater ging ich in sein Bienenhaus und während er mir von den Immen erzählte, filmte ich. Auf der Terrasse nahm meine Großmutter kein Blatt vor den Mund, bis sie begriff, dass die Kamera auch den Ton aufzeichnete. Fortan schwieg sie eisern, solange die Kamera lief. Beim alljährlichen Sommerfest, anlässlich ihres Geburtstags im Garten meiner Mutter, warnte sie alle Anwesenden, sobald ich mit der Kamera auftauchte, bloß nicht unbedacht zu reden. Glücklicherweise vergaßen die meisten Anwesenden die Warnungen meiner Großmutter ganz schnell und ergingen sich weiter fröhlich im familiären Klatsch und Tratsch. Spätestens nach der Kuchenschlacht wurden die Feste zwangloser, meine Mutter, die Perle und die Tanten, räumten die Tische ab und verschwanden in der Küche, die übrige Familie verteilte sich im Garten. Solange die Frauen aufräumten, saßen ihre Angetrauten meistens auf der Terrasse und hatten wichtige Themen, die Kinder spielten am mittleren Teich in Sichtweise des Hauses und die größeren Kinder verzogen sich mit einer Flasche Sekt auf die Terrasse am oberen Teich, in den Gemüsegarten oder unter die Obstbäume hinterm Schuppen. Wenn die Aufräumarbeiten in der Küche beendet waren, wurde es Zeit für das Familienfoto. Die Herren mussten ihre wichtigen Gespräche beenden und wurden von ihren Frauen losgeschickt, die Familienmitglieder wieder zusammen zu trommeln, was manchmal dauern konnte. Wenn dann alle am mittleren teich versammelt waren, wurde die Familie zwischen Teich und Gunnera, rund um meine Großeltern arangiert. Auf einem der Photos sieht man mich mit der Videokamera neben mir.

Immer der Nase nach, hat nichts mit der Länge der Nase zu tun.