BRÄTT SOMMER.
Schittlerweile sollte eigentlich klar sein, dass freier Handel für freie Bürger genauso sinnlos und schädlich ist, wie freie Fahrt für freie Bürger. Nichts beschleunigt den Klimawandel so sehr, wie der zinkernationale Welthandel. Das Karussell der Waren dreht sich immer schneller und ihr Transport über irrwitzige Distanzen, zieht eine Spur der Vernichtung hinter sich her. Kürzt die Transportwege, zu aller erst für Nahrungsmittel, denn regional essen ist nicht nur gesünder, sondern vermindert Emission Klima schädlicher Treibhausgase um einiges. Was omsere Poly Trickster uns als Fortschritt verkaufen wollen, ist in Würglichkeit nichts anderes als Umweltzerstörung pur. Kein Soja aus Südamerika, weder für Menschen, noch für Tiere. Keine Avocado aus den Anden und kein Reis aus China oder Thailand. Last Europas Hühner in Europa, damit die Afrikaner ihre eignen Hühner essen können, esst regional und schont die Welt.
Von der Astra Stube zog ich dann meistens im Morgengrauen, bestens gelaunt und manchmal sogar laut und falsch singend, unter den Bäumen an der Stresemannstraße nach Hause. Glücklicherweise werden laut und falsch singende Damen mittleren Alters, selbst wenn sie schwer angeheitert sind, eigentlich nie angesprochen. So kam ich denn immer wohlbehalten bis vor die Haustür und nach ein paar Versuchen passte der Schlüssel meistens ins Schloss, wenn ich dann auch noch das Schloss der Wohnungstür erfolgreich geöffnet hatte, war der Weg frei in mein Bett. Eines Morgens machte ich jedoch den Fehler, den Wohnungsschlüssel, nachdem ich die Tür von innen verriegelt hatte, stecken zu lassen, was dazu führte, dass mein Angetrauter, als er wenig später von der Nachtschicht nach hause kam, die Tür nicht öffnen konnte. Nun ist jeder Versuch, jemanden der ohne seine Hörgeräte so gut wie nichts hört, aus dem Schlaf zu klingeln zum Scheitern verurteilt. Nachdem mein Angetrauter das notgedrungen eingesehen hatte, brach er durch das Fenster zur Kammer in die Wohnung ein. Das Fenster geht zum Treppenhaus und befindet sich auf der Etage zwischen den Stockwerken. Als Fenster ist es eigentlich nicht mehr vorhanden, sondern mit mit Latten und Pappe vernagelt und mit der Wandfarbe des Hausflurs gestrichen. Das Fenster zu unserer Wohnung enthält im oberen Teil allerdings drei, ebenfalls mit der Flurfarbe übertünchte Lamellen, hinter die eine recht dünne Pappe genagelt war. Mein Angetrauter entfernte die Lamellen, brach die dünne Pappe dahinter heraus und zwängte sich wie ein Vampir über das Inventar der Kammer in die Wohnung. Dieser improvisierte Einbruch in die eigene Wohnung war seiner Laune leider nicht sehr zuträglich und ich erwachte davon, dass mir die Bettdecke von meinem wüst schimpfenden Gemahl weggezogen wurde, was wiederum meiner Laune nicht besonders zuträglich war, denn mir war gar nicht gut und ich wollte einfach nur weiter schlafen. Am späten Nachmittag, mir ging es den Umständen entsprechend schlecht, musste ich meinen Angetrauten daran erinnern, dass er auch so manches Mal nicht ganz nüchtern nach hause gekommen war. Nach einer Nacht mit seinem Jugendfreund Chillus, ich war zu Besuch bei Freunden auf dem Land, lag er am späten Nachmittag immer noch wie tot im Bett, was unserem alten Kater Robert, der mittlerweile dringend nach Fütterung verlangte, nicht gefiel. Robert war mit seinen siebzehn Jahren nicht gerade zimperlich und es ist zu vermuten, dass er einiges unternahm um meinen Gatten zu wecken. Als alles nicht half, randalierte er, in der Hoffnung durch den dabei entstehenden Lärm sein Herrchen endlich aufzuwecken, ein bisschen in Wohnung, wobei das Telefon, ein mintgrünes Tastenmodell, umfiel. Wahrscheinlich berührte Robert die Wahlwiederholungstaste und das Telefon rief die letzte gewählte Nummer an, den Jugendfreund Chillus, mit dem der Gatte die Nacht durch gezecht hatte. Chillus erheblich fiel trinkfester als der Gatte, war schon lange wieder wach, nahm das Gespräch an und wunderte sich über das geheimnisvolle Blubbern am anderen Ende der Leitung, bis er begriff, dass er die Pumpe unseres Aquarium hörte. Schwer besorgt in der Annahme, der Gatte könnte in der Wohnung umgefallen sein und das Telefon dabei mitgerissen haben, machte Chillus sich auf den Weg und schaffte es tatsächlich den Gatten wach zu klingeln. Robert musste trotzdem noch etwas auf sein Essen warten.
Vor den Hunden sollte man nicht gehen.
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GECK BUCH.
Das es erstens anders und zweitens als man denkt kommt, ist nun ja schon seit längerem bekannt. Langsam aber sicher schlägt Mutter Natur zurück und überschwemmt die Traumstrände der Karibik mit stinkenden Bergen sterbender Algen. Erst wächst die Alge, gut gedünkt für den widersinnigen Soja Export der südamerikanischen Länder und dann stirbt sie und nimmt die Traumstrände mit. Noch ein Grund mehr weniger zu fliegen, aber die Anzahl der Urlaubsflüge ist in diesem Jahr nochmal um fünf Prozent gestiegen. Grün wählen reicht nicht, grün handeln ist angesagt und wer grün wählt und dann fliegt, treibt nichts anderes als modernen Ablasshandel und außerdem wird das so nichts. Gegen den weltweiten Handel muss auch ganz dringend gehandelt werden, den kaum etwas zerstört unsere Lebensgrundlagen so sehr, wie der überflüssige Transport von Nahrungsmitteln und Dingen, die auch vor Ort produziert und verbraucht werden können.
An der Ecke Stresemannstraße / Max-Brauer-Allee liegt, direkt unter einer nach über hundert Jahren etwas Sanierungsbedürftigen Eisenbahnbrücke aus dem Kaiserreich, die Astra Stube. Der Tresenraum hat die Größe eines nicht besonders üppig bemessenen Wohnzimmers und außerdem gibt es noch ein kleines Kabäuschen, aber trotzdem finden in der Astra Stube seit etwa zwanzig Jahren Live Konzerte statt. Oft ist es nur ein Deejay oder eine Deejane, die mit ihren Plattenspielern nicht all zu viel Platz verbrauchen, aber manchmal treten auch Bands auf, die samt ihren Instrumenten mindestens ein Drittel der knappen Fläche belegen. Wenn das Konzert gut besucht ist, stehen die Leute dicht an dicht bis draußen auf den Bürgersteig und in der Astra Stube läuft nicht nur das Schitzwasser der Gäste und der Stube von den Wänden. Die Decke ist sowieso etwas undicht, weswegen das Wasser auch außerhalb von Konzerten gerne mal von der Decke läuft und die Luft ist absolut nicht für Menschen mit Lungenproblemen geeignet. Die Konzerte beginnen spät und enden noch viel später und am Wochenende ist die Tür der Astra Stube oft bis in die späten Morgenstunden geöffnet. Dicht getaktet rumpelt die S-Bahn zwischen den Stationen Holstenstraße und Sternschanze über die Köpfe der Gäste hinweg und ergänzt die musikalischen Darbietungen mit einer ganze eignen Note. Der besondere Reiz der Astra Stube ist jedoch ihre große Fensterfront, durch die man direkt auf die durchgängig befahrene Kreuzung Stresemannstraße / Max-Brauer-Alle blickt. Unerbittlich dröhnt der Verkehr unter der dunklen, klaustrophobischen Eisenbahnbrücke über die Kreuzung, nur unterbrochen vom Blinken der Ampelanlage und auf dem von Kippen übersäten Bürgersteig, torkeln Nachtschwärmer und mittlerweile auch Heerscharen von Touristen vorbei. Es ist nächtliche Großstadt Tristesse pur, am schönsten in regnerischen Nächten und für jeden Melancholiker der etwas auf sich hält, ist die Aussicht einfach unwiderstehlich. Wer noch keinen Grund gefunden hat sich zu betrinken, findet ihn spätestens beim Blick durch die Scheiben der Astra Stube. Viele Jahre lang stand dort ein guter Freund hinterm Tresen und wenn mich der Übermut überkam, machte ich mich gerne zu fortgeschrittener Stunde auf, um noch ein Glas Wein in der Astra Stube zu trinken. Meistens blieb es nicht bei einem Glas und irgendwann war es dann auch egal, ob es das dritte oder vierte Glas war, das da vor mir stand. Sobald ich einen Barhocker an der Fensterfront ergattert hatte, tauchte ich ein in den nächtlichen Verkehrsfluss der Lichter und segelte durch die schlaflose Stadt, ganz weit weg. Trotzdem die Kreuzung unter der Brücke eigentlich niemals leer stand, strahlte sie die abgrundtiefe Verlassenheit, einer von Menschenhand geschaffenen Verkehrseinöde aus. Draußen dröhnte der Verkehr, drinnen die Musik und über allem die S-Bahn. Meistens war es viel zu laut, für eine irgendwie sinnvolle akustische Kommunikation, aber im Zweifelsfall reichte der Mann hinterm Tresen mir einen der kleinen, rechteckigen Abrechnungsblöcke mit dem Logo einer Brauerei und ich kommunizierte schriftlich. Wenn ich diese Blöcke am nächsten Tag in meiner Handtasche fand, erzählten sie von den Abenteuern einer fantastischen Astra Stuben Nacht.
Töpfe sollte man nicht schlagen.
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KRAMPF ANSAGE.
Erbarmungslos wird der Regenwald abgebrannt und unser Heimatplanet Gaia, gerät immer mehr in Atemnot. Bährechtigt fordern wir den Wahnsinn zu stoppen und sind noch nicht mal in Lage, selbst im Kleinsten, mit gutem Beispiel voran zu gehen. Jeden Freitag Abend, dreimal vier Wochen lang jedes Jahr, Domfeuerwerk. Sicherlich schön, aber auch völlig überflüssig und obendrein Umwelt schädlich. In der dritten Welt sollen sie die Tiger und Elefanten schützen und wir sind noch nicht mal in der Lage mit dem Wolf zu leben. Unser aller Probleme müssen von uns allen gelöst werden, denn auch wenn die Erde vielleicht teilbar ist, das Klima ist es nicht. Klimaskeptiker schwören auf Klimaanlagen, oder mieten sich einen Klimakiller, aber wo das Klima wirklich aus dem Lot gerät, hilft auch die beste Klimaanlage nicht mehr, es sei denn der Klimaberater hat sie bei der Bank angelegt.
Die verlängerte Rückfahrt wird dadurch ausgeglichen, dass gleich zwei Busse im Einsatz sind, von denen der erste brechen voll ist und der zweite kaum besetzt. So gondelten wir denn durch Teile von Bahrenfeld, die uns bis dahin völlig unbekannt waren und sahen viele schnell hoch gezogene Neubauten, mit Graffiti überzogene Außenmauern alter Industrieanlagen, grün überwucherte Brachen, angesichts der grassierenden Wohnungsnot schon erstaunlich und Hochhäuser, aber auch ein paar liebevoll sanierte Altbauten. Interessanter noch als die Straßenseite der Stadt, ist ihre Rückseite, die sich meistens erst offenbart, wenn man mit der S-Bahn und manchmal auch mit der U-Bahn, sofern sie denn oberirdisch unterwegs ist, fährt. An der Rückseite geht der Blick auf Balkone und Industriehöfe, an der Rückseite steht der Müll und die Graffiti werden stehen gelassen, an der Rückseite wachsen die wilden Pflanzen und oftmals ist die Rückseite nicht mal saniert. Aber es gibt auch andere Rückseiten, in den Vierteln der Wohlhabenden, die nicht so verdichtet bebaut sind, blickt man in Gärten, auf elegante Balkone, die so groß sind, wie manche Wohnung in den ärmeren Stadtteilen und in die Kronen alter Bäume. An der Straßenseite, besonders der touristisch relevanten Viertel, stehen die Sahnestücke, die Pracht und Repräsentationsbauten, durch die Scheiben eines Autos gesehen, sieht die Stadt oft filmreif aus und wenn das Auto auch noch über eine Klimaanlage verfügt, muss man sie nicht mal riechen. Selbst der historische Dammtor Bahnhof, mitten im Herzen der reichen Stadt, stinkt dauerhaft nach Frittenfett, mal ganz zu schweigen davon, dass mindestens eine der beiden Rolltreppen ständig außer Betrieb ist. Merkwürdigerweise sind oft dort, wo kaum Menschen zu Fuß unterwegs sind, die Bürgersteige am breitesten, wie an der exzessiv befahren, ehemaligen Ost-West Straße, die ihrem Namen zwar immer noch alle Ehre macht und als vielspuriger Verkehrsstrom die alte City teilt, auch wenn sie mittlerweile auf dem oberen Teilstück in Ludwig-Erhard-Straße unbenannt wurde und auf dem unteren Teilstück nun Willy-Brandt-Straße heißt. Im Viertel nennt der Verkehrsstrom sich Stresemannstraße, was hoffentlich nicht geändert wird, denn die Geschichte ändert sich nicht dadurch, dass man sie verschweigt. Mit der Stresemannstraße, die nicht so wie die Ost-West-Straße brachial durch ein zwar im Krieg beschädigtes, aber seit Jahrhunderten gewachsenes Stadtviertel geschlagen wurde, wird der Verkehrsstrom dichter, denn die Straße ist nicht mehr so breit. Die Bürgersteige machen es der Straße nach und sind Stellenweise so schmal, dass nicht mal zwei Menschen nebeneinander gehen können. Zwischen Pferdemarkt und Max-Brauer-Alle kann man noch noch ein wenig von der alten Pracht der Stresemannstraße ahnen. Die Bürgersteige sind breiter und Baum bestanden, die Fassaden etlicher Häuser üppig mit Stuckelementen und allegorischen Figuren verziert und immer wieder öffnen sich Torwege, breit und hoch genug für vierspännige Kutschen. In manchem Hinterhof stehen auch noch die viel kleineren Häuser, mit den niedrigen Decken, ehemals vom Gesinde der Herrschaften aus den Vorderhäusern bewohnt.
Unterm Schirm muss man nichts auf dem Schirm haben.
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FLEIß BREMSE.
Vielleicht sollte der kleine, blonde Schrecken von der kritischen Insel, sich mal ein Beispiel am großen, blonden Schrecken von der anderen Seite des großen Teich nehmen und anstatt ständig Arschverhandeln zu wollen, endlich ein anständiges Geschäft machen. Weg mit dem Backstop, Groß Wirrland kauft Klein Wirrland und das Problem ist gelöst. Mit Kusshand gewährt die EU den Wirren einen Kredit, damit das Irren endlich ein Ende hat. Überhaupt, nicht verhandeln, handeln und kaufen, denn wer kauft irrt nicht und angeblich hat ja alles seinen Preis, aber der Preis ist heiß. So offenbart sich die Schönheit des Handels im Preisnachlass und Preistreiber geraten unter Generalverdacht. Kapitän Jack Sparrow würde es eine Frage des Codex nennen, besser allerdings ist es, Parlamentär zu sein, denn nur so gewinnt man die nötige Zeit, kauft sich ein Schiff und segelt ins Blaue davon.
Es fängt schon mit den Benennungen an, mal ganz abgesehen davon, dass Nutzpflanze kein besonders schönes Wort ist, genauso wie Nutztier und ganz zu schweigen von Euphemismen wie Tiermodell, womit solche Unsäglichkeiten wie Tierversuche schön geredet werden sollen, steht es noch schlimmer um die Bezeichnung für alle Pflanzen, die keine Nutzpflanzen sind und gemeinhin Unkraut genannt werden. Vielleicht gibt es ja Unmenschen, aber Unkraut gibt es nicht, es gibt nur domestizierte Pflanzen und wilde Pflanzen und alle domestizierten Pflanzern stammen letztendlich von ihren wilden Geschwistern ab, selbst wenn sie genmanipuliert sind. Nach dem Garten der domestizierten Pflanzen, ohne die, die Menschheit niemals so entsetzlich erfolgreich geworden wäre, geht es dann wieder runter zur Weggablung hinterm Eingangsbereich, wo inmitten eines Blumenmeeres, die androgyne Büste der Schutzherrin des Botanischen Garten steht. Auf einer Tafel wird darauf hin gewiesen, dass Loki Schmidt die kleinen, unspektakulären Pflanzen ganz besonders am Herzen lagen. Die Blüten vieler wilder Pflanzen sind auch sehr klein und lange nicht so dekorativ, wie die der domestizierter Blumen, aber wer genau hinschaut sieht ihre Schönheit und ihre Kraft und ihr Überlebenswille, selbst in der wüstesten Einöde, auf einem vermüllten Randstreifen, oder im Schutt eines Trümmerfeldes, ist einfach beeindruckend. Das Bäume ohne weiteres, in nicht all zu langer Zeit dazu in der Lage sind, gigantische Tempelanlagen und Paläste zu verschlingen, zeigt sich an den Ruinen von Angkor Wat, aber auch solche unspektakulären Gewächse wie einfaches Gras, sprengen letztendlich den tödlichen Teerbelag einer asphaltierten Straße. Vorbei an der mit einen nachträglich aufgemalten Slip ausgestatteten Statue, des sein Paradies plündernden Adams, geht es zurück zur Bushaltestelle auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Dort konnte man im letzten Jahr noch in einen Bus der Linie 15, die von der Alsterchaussee bis vor die Tore des Botanischen Garten in Klein Flottbek fuhr, steigen und an der Ecke Schulterblatt / Altonaer Straße wieder aussteigen. Aus unerfindlichen Gründen geht das dieses Jahr nicht mehr. Mit Glück fährt der Bus bis zum Bahnhof Othmarschen und von dort ist es dann nur noch eine Station bis zum Bahnhof Klein Flottbek. Weniger glücklich strandet man am Agathe Lasch Weg, irgend von zwischen den klassischen Villen der Elbvororte und macht sich zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof Othmarschen, oder man wartet länger auf den Bus einer anderen Linie, der einen zum Bahnhof bringt. Auch die S-Bahn hält direkt gegenüber vom Botanischen Garten in Klein Flottbek und von Busbahnhof geht es durch einen passend mit bunten Blumen im Popart Stil bemalten Tunnel zu den Gleisen. Unten im Tunnel, an heißen Tagen ist es dort angenehm kühl, sitzt direkt vor der Treppe die zu den Bahnsteigen hoch führt, oft ein einsamer Musikant mit seinem Akkordeon und beschallt den ganzen Tunnel. Er spielte schon als wir ausstiegen und als wir zurück fuhren, spielte er immer noch. Von versprengten Musikfetzen umweht, steigt man oben in die Bahn und fährt wieder nur eine Station nach Othmarschen zurück, denn wegen der Brückenrenovierung ist der S-Bahnverkehr nach Altona schon seit längerem schwer gestört. Vom Bahnhof Othmarschen geht es nur noch mit dem Bus weiter nach Altona und warum auch immer, nimmt dieser Schienenersatzverkehr keineswegs den kürzesten Weg zum Bahnhof Altona.
Wer gegen die Wand fährt, muss sie nicht mehr hoch gehen.
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NACHT PHRASEN.
Das das Wetter eine wetterwenderische Gottheit ist, steht außer Frage und der allabendliche Wetterbericht ist so ziemlich die einzige Sendung, die Partei und Ideologie übergreifend halbwegs akzeptiert wird. Nun gibt es zwar auch im Bereich des Wetters etliche Verschwörungstheorien, aber an Claudia Kleinert wird niemand zweifeln. Die Wetterfee stöckelt in Schuhen vor die Wetterkarte, die nur aus den Latschen kippen können, auch wenn es sich nicht um einen Sandalenfilm handelt. Lange genug befand sich die Sandale im Abseits der Geschichte, aber seit Birkenstock richtig sexy wurde, warum auch immer, ist die Sandale wieder da. Nun war der Sand in den Schuhen, ja noch nie der Sandalen Problem, auch wenn sie keine Pantoffelhelden sind und wer die Pantoffeln an hat, braucht keine Hosen mehr, zumal Hosenträger sich nur allzu gerne unter einen Rock flüchten.
Neben dem verwilderten Rosengarten liegt das Wüstenareal. Pflanzen finden sich auf dem sandigen Grund erst mal nicht so viele, dafür umso mehr Findlinge stattlichen Ausmaßes und versteinerte Bäume aus einer Zeit, in der die Dinosaurier diesen Planeten dominierten. An heißen Tagen ist das Schattenlose Areal nicht besonders einladend, aber bei milder Witterung lohnt es sich durchaus, die Texttafeln vor den Findlingen und versteinerten Resten prähistorischer Wälder zu studieren. Rechts von den Steinen wird es dann mediterran, dort befindet sich die Pyramide aus blauem Glas, drinnen und draußen wachsen Sukkulenten und in der Pyramide laden ein paar Bänke zum Verweilen ein. Rechts an der Pyramide führt der Weg zu den Giftpflanzen, die nicht nur medizinischen Zwecken dienten und immer noch dienen, wovon die Texttafeln auch erzählen, sondern oftmals Bestandteil der Hexensalbe waren. Dort stehen auch die ersten, fast mannshohen Tabakpflanzen, mit ihren breiten Blättern und wunderschönen zartblau lila Blüten und zu ihrer Ehrenrettung stehen sie dann nochmal bei den Nutzpflanzen, direkt neben dem Mais. Der Garten der Nutzpflanzen schließt sich direkt an die Giftpflanzen an und das Gemüse ist nicht nur nützlich und nahrhaft, es ist auch schön. Ein Teil der Pflanzen wird nicht geerntet, sie dürfen ausblühen und so entfalten der Salat und die Zwiebeln, die Möhren und der Meerrettich mit ihren zarten Blütenständen, dann noch eine ganz andere Qualität. Die Texttafeln erzählen davon, dass der Mais, die Kartoffeln und der Tabak, zuerst von den Indianern kultiviert wurden und dann nach Europa gekommen sind. All diese Pflanzen sind göttlich, denn unser Leben beruht auf ihnen, weswegen die Indianer Nordamerikas eine Maisgöttin verehrten, deren Haare so golden waren, wie die Fruchtstände des Mais. Im Botanischen Garten wächst das Gemüse nicht als Monokultur, sondern in uralten Verbänden unterschiedlicher Pflanzen, die einander und die Erde auf der sie wachsen, schützen. Großblättrige Pflanzen spenden Schatten und halten den Untergrund feucht, giftige Pflanzen vertreiben Schädlinge, die Pflanzen mit den langen, festen Stielen lassen die Bohnen zum Himmel klettern und die Bohnen reichen das Erdreich dafür mit Stickstoff an. Wo nichts dominiert und alle einander eher unterstützen, ist die Artenvielfalt höher und nicht nur an Pflanzen, sondern auch an Insekten und Schädlinge haben es nicht so leicht, denn was sie schädigen können, hält sich in Grenzen, ganz anders als bei einer Monokultur. So ein riesiges Maisfeld, wie sie sich mittlerweile immer häufiger in meiner alten, flurbereinigten Heimat Schleswig Holstein finden, finden eigentlich nur Wildschweine wirklich gut. Aufrecht, in Reih und Glied stehen die stolzen Pflanzen, wie auf einem Kasernenhof zum Appell des Abernten. Wo spielen in der Dämmerung jetzt die Hasen, die Mäuse, die Kaninchen, kein vielfältiger Insektenkosmos umgibt die Pflanzen mehr, der jeden Tag für Abwechslung sorgte, noch der Gesang der Vögel. Was für ein eintöniges Leben und Eintönigkeit macht krank. Dann werden die kranken Pflanzen mit immer mehr Giften behandelt und die Gifte machen alle anderen krank. Nicht nur die Tiere brauchen ein besseres Leben, die Pflanzen brauchen es ebenfalls, damit auch unser Leben wieder besser wird.
Kein Nebel ohne Raketen.
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SCHMACHT STIEFEL
Es ist nun ja schon ein paar Jahrhunderte her, dass die Vorfahren unserer allseits geschätzten Klimaaktivistin Greta, über den Atlantik ruderten und auf ein ganz neues Land stießen. Die hölzernen Boote der Wikinger, durchaus auch mit Segeln aus Naturfasern ausgestattet, haben für ihre Herstellung aller Wahrscheinlichkeit nach, nur einen Bruchteil der Klimakosten verursacht, den Gretas Hightech Jacht für ihre Herstellung brauchte. Nichts gegen den Weg, den Greta nach Amerika nimmt, aber letztendlich brauchen wir noch etwas ganz anderes. Wird Greta den Mut haben, die Klimakrise endlich auch als Krise des Kapitalismus zu outen? Was wir brauchen sind weder elektrische Tretroller noch Elektroautos, sondern Entschleunigung und Regionalität. Jeder überflüssige Weg sollte gestrichen werden und jedes einheimische Produkt in der Region verbraucht werden.
Am Ende der Strecke durch den pazifischen Bergwald, reiht sich eine ganze Phalanx gigantischer Gunneras, bis runter zum Rosengarten am Wegesrand. Nicht ohne Grund heißen diese an Riesenrhabarber erinnernden Gewächse auch Mammutblatt. Immer wenn wir bei den Gunneras ankommen, muss ich an den Garten meiner Mutter denken, in dem, mitten auf einer weitläufigen Rasenfläche, sehr dekorativ eine Gunnera stand. Etliche Familienfotos, immer anlässlich des Geburtstags meiner Großmutter Anfang Juli, die stolze sechsundneunzig Jahre alt wurde, wurden vor oder im goldenen Schnitt neben der Gunnera gemacht. Das ursprüngliche Habitat von Gunneras sind die steilen Berghänge der pazifischen Regenwälder Südamerikas und Gunneras lieben Regen, aber sie sind nicht wirklich winterhart. Jedes Jahr wieder, musste die Gunnera im Garten meiner Mutter gegen Ende Oktober, mit einem ihrer Größe durchaus entsprechenden Haufen gehäckselter Rindenstreu, vor den Widrigkeiten der kalten Jahreszeit geschützt werden. Dieses Jahr sind die Gunneras im Botanischen Garten ganz besonders groß geworden und wenn man sich unter ihre Blätter stellt, fehlen eigentlich nur noch die rauchende Raupe und der verrückte Hutmacher. Am Ende von Alices Wunderland befindet sich der Rosengarten, der dieses Jahr wegen Überalterung komplett neu gestaltet werden soll und daher völlig brach liegt, aber ein paar stolze Rosen trotzen der Vernachlässigung und blühen tapfer weiter im Wildwuchs der Brache. Am Zaun, der den ehemaligen Rosengarten umgibt und an extra aufgestellten, transparenten Wandelementen, hängen immer noch ein paar Bilder mit den Porträts, nicht weniger stolzer Indianer, die von der großen Indianerausstellung des vorigen Jahrs übrig geblieben sind. Neben den Bildern erzählen lange Texte von der Geschichte der indianischen Kulturen Nordamerikas, ihrem Untergang, der organisierten Ermordung der Indianer und der Bisons durch die Einwanderer aus Europa und von den Pflanzen, die, die Indianer nutzten. An einer anderen Stelle am Zaun wurde ein Schwitzhüttenritual beschrieben und außerdem gab es den ganzen Sommer über Vorträge und Führungen im Park und auf der großen, zentralen Grünfläche standen mehrere Tippis, in die man sich einfach setzten konnte, sofern sie nicht gerade im Zuge des Indianersommers genutzt wurden. Angesichts der Tatsache, dass die europäischen Einwanderer innerhalb von wenigen hundert Jahren, auf dem nordamerikanischen Kontinent eine Kultur entwickelten, die sich nicht nur fast über den gesamten Globus verbreitet und aggressiv durchgesetzt hat, sondern mittlerweile die Atmosphäre, alle Gewässer der Welt und das Erdreich mit Mikroplastik verseucht hat, frage ich mich jedes mal wieder, ob es nicht wesentlich besser wäre, wenn die Indianer mit ihrer Lebensweise erfolgreich geblieben wären. Die Idee des ewigen Wirtschaftswachstum ist entsetzlich kurzsichtig, unvernünftig und fast schon schwarz magisch zu nennen, denn wer sein eigenes Habitat zerstört, ist einfach zu blöd. Bis ins Kaiserreich hinein, baute wer es sich irgendwie leisten konnte für die Jahrhunderte und nicht nur Burgen, sondern auch Bürger und Bauernhäuser, denn die Zukunft wurde eingeplant. Heute bauen wir mit eingeplantem Verfallsdatum, denn Beton ist kein Baustoff, sondern eine Bausünde und wenn die Pyramiden aus Beton gebaut worden wären, ständen sie schon lange nicht mehr.
Wer schnell lebt, lebt nicht länger, sonder nur schneller.
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MOTZ BLITZ.
Das unser Mobilitätsminister unter Energiewende die Zulassung elektrischer Spielzeuge versteht, verwundert nicht wirklich, denn das einzige was die elektrifizierten Roller bewirken, ist noch mehr sinnloser Strom und Ressourcen Verbrauch, aber wenigstens wird verbraucht und das ist in den Augen unserer regierenden Frühstücksdirektoren und Direktorinnen, das allerwichtigste. Schließlich muss die Wirrkraft brummen und das Konsumterror die Zerstörung unserer und vieler anderer Arten Lebensgrundlagen zur Folge hat, wird einfach ignoriert. Warum eigentlich werden nicht endlich Fahrräder, oder meinetwegen auch Tretroller produziert, die durch aktiven, menschlichen Antrieb Strom erzeugen und in einem Akku speichern, den man später an eine anderes Gerät anschließen kann, um es zu betreiben. Gesünder wäre das allemal.
Manchmal läuft uns im Botanischen Garten eine Katze über den Weg. Mit ihrer Fellzeichnung und ihrem schwarzer Kopf, ähnelt sie einer Siamkatze, aber sie ist ungewöhnlich groß und ihr extrem buschiger Schwanz kommt wohl vom genetischen Einfluss einer Perserkatze. Die Katze ist sehr schön und meistens sehr beschäftigt und wenn das Tor am Eingang des Parks in den Abendstunden geschlossen wird, bleibt sie wahrscheinlich nicht lange allein. Einmal ist sie uns auch im chinesischen Pavillon begegnet, der momentan wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen ist, aber noch im vorigen Jahr konnte man dort um ein winziges, rundes Tischchen aus Stein, auf genauso winzigen, steinernen Hockern sitzen und zur einen Seite die Aussicht auf den Teich und zur anderen Seite auf die große Wiese, genießen. Im chinesischen Pavillon machen wir gerne Pause, sofern er nicht schon besetzt ist und letzten Sommer haben wir ihn für ein Picknick, mit original englischen Gurkensandwiches, Hackbällchen, Hühnerbeinen, Salat, Bier und Rotwein, sehr zum Leidwesen einiger anderer Parkbesucher gleich für mehrere Stunden okkupiert. Solcherart ausgestattet kann mich sich dort in lang vergangene Zeiten träumen, als die Postkutsche noch ein schnelles Verkehrsmittel war und Briefe nach Amerika Monate lang unterwegs waren. Vom chinesischen Pavillon, der am äußersten Ende des Parks liegt, geht des dann auf dem Rückweg durch eine kleine, japanische Teichanlage auch rüber nach Nordamerika, zur Wiese mit den Prärieblumen und den Mamutbäumen. Rechts liegt hinter den Mamutbäumen, wieder die riesige Grünfläche, die sich fast durch den gesamten Park zieht und links am Weg lockt das Mannshohe Meer der farbenprächtigen Prärieblumen, von denen nicht nur der Sonnenhut Eingang fand, in die europäische Gartenkultur. Dass Blumenmeer ist ein wahres Insektenparadies, dort wimmelt es nur so von Bienen, Hummeln, Schmetterlingen und anderen geflügelten Schwirrern. Auf ganz schmalen Pfaden kann man zwischen den Prärieblumen verschwinden und eine Ahnung vom Kosmos der Insekten bekommen. Bei der Vorstellung, dass die gewaltigen Weiten der inneren Landmasse Nordamerikas einst mit diesen Blumen bewachsen waren, wird einem ganz schwindlig. Dem Traum der Prärieblumen, schließt sich eine Wiese Silber haariger Gräser an, denen die Bergwälder Japans folgen. Links den Hang hoch stehen tiefgrüne, bizarr geformte Nadelbäume, futuristische Folterwerkzeuge, deren Blätter spitzen Waffen gleichen. Ihre Stämme sehen so wehrhaft aus, dass man in Traum nicht drauf käme sie anzufassen. Rechts am Weg schlängelt das Wasser von den japanischen Teichen Hang abwärts, zwischen hohen, alten Bäumen, von denen die langen Bärte des spanischen Moos hängen, runter zum großen See. Selbst an den heißesten Sommertagen, ist es dort wunderbar schattig und kühl. Vielfach gefiltert fällt das gleißende Sonnenlicht durch den Weichzeichner des Blätterwaldes und hüllt den Weg in sanftes, grün goldenes Licht. Manchmal fehlen nur noch die Elben, die gen Westen ziehen, in das Licht, der auf der großen Wiese hinter den Bäumen untergehenden Sonne.
Lieber Platz haben, als Platz nehmen.
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JAMMER SPIEL.
Der amerikanische Schriftsteller James Thurber lässt in seinem Werk “Fünfundsiebzig Fabeln für Zeitgenossen“, jede einzelne Fabel mit dem Satz enden, „Und die Moral von der Geschichte ist,......“. Das ist ziemlich viel Moral auf ein Mal, aber durchaus verkraftbar, da die moralischen Schlüsse aus der Fabeln mindestens genauso humorvoll sind, wie die Fabeln selber. Wahre Moralapostel würden sich wohl kaum zu der eher flapsigen Feststellung, dass Draufgänger meistens drauf gehen, hin reißen lassen, denn es geht ihnen meistens um Schuld und nicht um wahrscheinlich zu erwartende Folgeerscheinungen. So befreit James Thurber die Moral ganz elegant von der Schuld, denn er ist Humorist und nicht Moralist. Nun muss ja die Moral des einen nicht die Moral des anderen sein und moralische Fragen können durchaus kontrovers diskutiert werden. Am Ende ist die Moral dann auch ein Kind der Macht, denn wer die Macht hat, bestimmt die Moral.
Wenn ich nicht zu hause war, musste Daddy sich etwas einfallen lassen und alt und schlau wie Robert war, ließ er sich nicht so einfach beeindrucken. Meistens versuchte Daddy ihre Zimmertür geschlossen zu halten, aber Robert war Spezialist im öffnen von Türen jeder Art, den Kühlschrank hatten wir schon mit einem extra Riegel gesichert, nachdem Robert eine stattliche, geräucherte Makrele aus dem Kühlschrank entwendet hatte und komplett verzehrt. Auch die ständig offenstehenden Türen, der großen, antiken Anrichte im Flur, gingen keineswegs auf das Konto meiner Mitbewohner, die ich deswegen immer wieder maßregelte, sondern waren Roberts Werk, der hinter verschlossenen Türen grundsätzlich Dinge von Interesse vermutete, aber sich außerstande sah, die geöffneten Türen wieder ordnungsgemäß zu verschließen. So drang Robert denn auf der Jagd nach den aphrodisierenden Pullovern, immer wieder in Daddys Zimmer ein, denn wenn jemand schön, ja geradezu unwiderstehlich findet, was verboten ist, dann Katzen. Letztendlich mussten die Pullover in einer fest verschließbaren Schublade untergebracht werden und wehe diese Schublade stand aus Versehen unbeaufsichtigt offen. Robert hörte die Schublade im Schlaf, so wie andere Katzen den Dosenöffner und entweder entwendete er sofort einen der Pullover, oder er machte es sich mit allen Pullover in der Schublade bequem. Als Daddy auszog, hinterließ sie Robert großzügig einen der Pullover, den er heiß und innig liebte. Sein zweites Hobby war Ausbrechen, er konnte wahrscheinlich schon am Schritt meiner heimkehrenden Mitbewohner hören, in welchem Zustand sie nach hause kamen und wer nicht hell wach und geistesgegenwärtig, die Wohnungstür nur einem Spalt breit öffnete und herrisch im dem Fuß herum fuchtelte, wurde blitzschnell überrumpelt und schon war Robert im Treppenhaus. Er wählte grundsätzlich den Weg nach oben und ihn einzufangen war so gut wie unmöglich, zumal unser Dachboden damals permanent offen stand, aber dafür unbeleuchtet war. Er freundete sich mit dem alten Kunsthändler im vierten Stock an, dessen auch nicht mehr ganz junge Kinder dann irgendwann bei uns klingelten und darum baten, Robert wieder abzuholen. Das Robert nach Breekies mindestens so süchtig war, wie nach Daddys Pullovern, hatte ich schnell raus und den Sound, in der Packung raschelnder Breekies, hörte er auch auf dem Dachboden und er brachte ihn zuverlässig und schnell, immer wieder nach hause zurück. Im Sommer verließ Robert die Wohnung auch gerne durch die geöffneten Fenster und balancierte auf den Gesimsen an der Vorderfront des Hauses, hoch über der Straße herum. Er sprang von Gesims zu Gesims und überwand auf diesem Weg mehrere Häuserfronten, bis er irgendwo wieder ein offenes Fenster fand und sich wie durch Zauberhand, bei anderen Leuten in der Wohnung materialisierte. Glücklicherweise war Robert am Schulterblatt bekannt und ich konnte ihn dann wieder abholen. Musikalisch hatte Robert ganz klare Vorlieben, er stand auf softe, psychedelische Musik und am allerliebsten hörte er „Le Park“ von Tangerine Dream. Ein akustisch versierter Freund machte mich eines Tages darauf aufmerksam, dass immer wenn ich „Le Park“ abspielte, Roberts sich genau an der akustisch günstigsten Stelle in meinem Zimmer hinlegte und den Sound auf sich einwirken ließ. Er mochte lange nicht jeden oder jede und als eine meiner Mitbewohnerinnen eines Tages Besuch von einem jungen Mann hatte,der Robert gar nicht gefiel und es obendrein mit seiner Körperpflege anscheinend nicht so genau nahm, pisste er ihm auf die Lederjacke, eine Ansage die so deutlich war, dass der junge Mann sich nie wieder bei uns blicken ließ.
Der Haken bleibt nicht bei der Sache.
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MACHT WÄCHTER.
Was ich ganz schrecklich vermisse, sind wirklich innovative Ideen. Anstatt in einer Tour neue, elektrisch betriebene Spielzeuge auf den Markt zu werfen, brauchen wir Spielzeuge und Fortbewegungsmittel, die Strom erzeugen und nicht verbrauchen. Warum gibt es keine Fahrräder oder Roller, die ein Akku ihr eigen nennen, das während des manuellen Betriebs aufgeladen wird und nicht entleert. Warum gibt es in unseren Haushalten keine Maschinen, an die diese, voll geladenen Akkus dann angeschlossen werden. So wird denn groß raus kommen, wer in der Lage ist klein zu denken und regional zu handeln. Das Große wird uns nicht retten, denn es tendiert seit ewigen Zeiten zum Größenwahn und nur wer konsequent klein denkt und die kleinen Dinge zusammen führt, wird große Veränderungen anschieben, denn große Füße müssen mittlerweile draußen bleiben.
Vom Tal der Rhododendren gelangt man in den Buchenhain. Unter den riesigen, alten Buchen mit ihren glatten, silbergrauen Stämmen, bekommt man eine Ahnung davon, was der Wald einst war. Dort riecht es immer ein bisschen nach Erde und Pilzen, dass Kronendach der Bäume ist geschlossen und besonders an heißen Tagen, ist es im Hain so wunderbar kühl und schattig, dass man gar nicht mehr gehen möchte. Sanft gefiltert fällt das Sonnenlicht durch unzählige, grüne Blätter und die Atmosphäre ist fast schon magisch. Im Herbst ist der Boden des Hains mit einem Meer roter Blätter bedeckt, die bei jedem Schritt rascheln und zuverlässig Bilder aus der Kindheit herauf beschwören, in der man sich in das unter den Füßen raschelnde Meer warf und die Blätter aufwirbelte. Am Ende des Buchenhains geht es links einen Hang hoch, auf dessen Kuppe eine kleines Blockhaus mit Sitzgelegenheiten im Inneren steht. Die Wände der Hütte sind über und über mit Namen, Herzen, Kreuzen, Pfeilen und anderen Zeichen graviert, die darauf schließen lassen, dass die Hütte auch außerhalb der Öffnungszeiten eifrig genutzt wird und wahrscheinlich Zeuge etlicher Aktivitäten wurde, für die das Jugendzimmer nicht geeignet war. Manches ist liebevoll gestaltet, anderes schon fast obszön und fällt eher unter die Kategorie Schmiererei. Auf der anderen Seite endet der Park am Fuß des Hügels mit der Hütte und der Zaun ist nicht besonders hoch. Wenn man sich nach rechts wendet, befindet man sich nach einem kurzen Weg durch ein recht trockenes, ziemlich sonniges Areal mit mediterraner Bepflanzung, am oberen Ende einer riesigen Wiese, die sich fast durch den ganzen Park zieht. Dort gabelt sich der Weg bei einem Sanddorn, links geht es weiter zum Teich mit dem chinesischen Pavillon und rechts kann man am oberen Rand der Wiese weiter ziehen. Wir wählen den den Weg linker Hand, zum Teich und zum Pavillon, aber der Sanddorn an der Wegekreuzung erinnert mich jedes mal wieder an Daddy, die in Heidis Zimmer einzog, nachdem Heidi uns im Streit verlassen hatte und samt ihrem Papageien zu Manfred gezogen war. Daddy machte damals ihre Ausbildung zur Gärtnerin im Botanischen Garten und den Sanddorn, den sie von dort mitbrachte, verkochte sie zu einem angeblich ultra gesunden, Vitamin C reichen Püree, von dem sie jeden Tag einen Esslöffel in ihr Müsli rührte. Das Sanddorn Pürre musste Daddy allerdings alleine essen und das Müsli auch, aber dafür fanden ihre selbst gestrickten Pullover aus sehr ökologischer und entsprechend wenig entfetteter Schafwolle, umso mehr Anklang bei meinem alten Kater Robert. Die Wolle wurde mit pflanzlichen Farben gefärbt, natürlich auch von Daddy und dann schuf sie echte Kunstwerke aus Mustern und Motiven. Magisch angezogen, zog Robert diese Pullover und nur diese, bei Daddy im Zimmer aus dem Regal und fiel über sie her, als seien sie rollige Katzen. Es half auch nichts, dass Daddy die Pullover in einem Regal unterbrachte, dass sie extra oben auf ihrem Hochbett baute, Robert kletterte auf das Hochbett und vergewaltigte die Pullover dort. Er war alt und lebenserfahren und vor Daddy fürchtete er sich überhaupt nicht. So erschien Daddy denn regelmäßig völlig verzweifelt bei mir im Zimmer und ich musste Robert erst mal einen Pullover abnehmen, den er ungern hergab und ihn dann vom Hochbett entfernen.
Im Schatten kann man stehen, aber nicht boxen.
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BRATEN AUTOBAHN.
Das der Rinderwahnsinn noch lange nicht aus der Welt ist, beweist der neuste handelspolitische Geniestreich omserer Poly Trickster. Wer nun allerdings annimmt, die Rinder seien wahnsinnig geworden, irrt sich sehr, wahnsinnig ist des Handeln derer, die eigentlich gegen den Klimawandel vorgehen sollten und genau das Gegenteil tun. Anstatt das sinnlose hin und her Geschiebe von Waren in der Welt und insbesondere Lebensmitteln, endlich zu unterbinden, heizen sie es unverdrossen weiter an. Alldieweil die blond geföhnte Lobbyistin an der Spitze des Schandwirtschaftsministeriums, den ökologischen Fortschritt und eine sinnvolle Kennzeichnung von Lebensmitteln, verhindert wo sie nur kann. Das kommt dabei raus, wenn Weinköniginnen in die Politik gehen und Politiker in den Unternehmensvorstand.
Wenn der Latte Macchiato, immer mit zwei Löffeln Zucker abgerundet, ausgetrunken ist und das Eis schon lange verspeist, machen wir uns auf den Weg runter zum See Richtung Bauerngarten. Vorbei an der kaukasischen Kiefer, die ich jedes Mal wieder staunend bewundere, denn sie ähnelt mehr einem tiefgrünen Fabelwesen oder langhalsigem Dinosaurier, als einer Kiefer. Unten am See lauern dann schon die Enten, flankiert von ein paar Kanadagänsen, immer auf der Suche nach mitleidigen Parkbesuchern, denen sie etwas Essbares ab luchsen können. Beim alten Pflug biegen wir links ab, in ein von Bienen durchsummtes Blumenareal, dort stehen im Schatten kleinerer Bäume ein paar altmodisch geschwungene Bänke aus grau verwittertem Holz, auf denen man sich niederlassen kann und in Ruhe die Blumenpracht genießen. An das Bienen freundliche Blumenmeer schließt sich der schattenlose Medizingarten an und dann ist man auch schon im streng geometrisch angelegten Bauerngarten, an dessen Ende das Johannes Apel Haus steht. Ein kleines, strohgedecktes Fachwerkhaus, in dessen einzigem Raum am Wochenende allerhand regionales, mit Blumen und anderen Pflanzen bemaltes Kunsthandwerk, Teetassen und Becher, Tierfiguren, Kräuterkissen, Windlichter, Tütchen mit Saatgut und botanische Ratgeber verkauft werden. In den rechteckigen, von niedrigen Buchsbaumhecken eingefassten Beeten des Bauerngartens, leuchten zwischen Sträuchern mit Johannisbeeren, Rosen und Stockrosen, Königskerzen, Malven, Trännenden Herzen und Feuerbohnen, die großen Blätter des Mangold sattgrün und seine dicken Stiele sind dunkel, fast violett rot. Magisch verzerrt spiegelt der Garten sich selbst und seine Besucher, in einer polierten Messingkugel, die in der Mitte eines zentralen Beetes steht und immer wenn ich den vielblütigen Phlox auf seinen langen Stängeln sehe, muss ich an den Garten meiner Mutter und den meiner Großeltern denken und auch die Bienen lieben den Phlox. In seinen besten Zeiten nannte mein Großvater über dreißig Bienenvölker sein eigen und die Immen waren mindestens genauso stechfreudig wie fleißig. Nach der Ernte des Rapshonig im Frühjahr und der des Lindenblütenhonig im Sommer, wurde der Honig in 500 Gramm Gläser, mit dem in das Glas eingelassen Logo des deutschen Imkerbundes abgefüllt und in besonders guten Jahren, auch in 2500 Gramm Blecheimer mit Henkel, die ebenfalls das Logo des Imkerbundes trugen. Diese Honigeimer wurden in der Familie verteilt. Ich besitze immer noch so einen Blecheimer, er ist mittlerweile etwas verbeult und dient als Türstopper an der Tür zum Balkon. An den Bienenkästen vorbei, geht es vom Bauerngarten weiter ins Tal der Rhododendren, zur Blütezeit wahrscheinlich einer der am meisten fotografierten Orte des Botanischen Garten. Die Büsche sind gewaltig groß und wachsen wie in ihrem Ursprungsland vorzugsweise an Hängen. Die Schönheit ihrer farbigen Blüten, täuscht leicht darüber hinweg, dass sie ziemlich giftig sind und tunlichst nicht angefasst werden sollten. Wenn man, natürlich nur mit Handschuhen, die Blüten nach Farben sortiert, im Backofen bei achtzig Grad trocknet und dann zu groben Pulver vermahlt, kann man daraus zarte Blumenfarben gewinnen und einen Hauch des Sommer auf Papier bannen.
Schaum sollte man nicht schlagen.
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