MAUL GUMMI.
Der Norden bleibt zu hause, der Süden sowieso und was für unsere Gesundheit gut ist, ist es für das Klima sowieso. Stay at home for climatic change, nie wieder Tourismus, nie wieder Billigflüge. Wir haben uns von den falschen Sachen abhängig gemacht und wer wirklich etwas ändern will, denkt die Welt neu. Oh wie entsetzlich unangenehm, endlich einzusehen, dass der Himmel den Zugvögeln gehört und nicht uns. Wir pflegen unsere Störche und schaffen wieder Lebensraum, für all die anderen Lebensformen, die unser Leben bereichern. Weiter so geht gar nicht mehr und bis auf weiteres ist sowieso erst mal Schluss mit lustig. Ungerecht ist es bisher immer gewesen und nur wenn wir es schaffen, die Ungerechtigkeit aus der Welt zu bringen, wird sich wirklich etwas ändern. Da küsst die wahre Liebe das wahre Leben und suhlt sich in Ungerechtigkeit, denn so wenig wie schon immer und Madonna in ihrer Badewanne, sind wir vor dem Virus gleich.
Die imposanteste Kastanien von allen, steht an der Ecke Isestraße / Eppendorfer Baum. Wir überquerten die Kreuzung, vorm Fischladen stand eine Schlange, die der sozialistischen Mangelwirtschaft alle Ehre gemacht hätte und es entbehrte, angesichts des Überflusses, dieser mit allen Gütern überreichlich ausgestatteten Wohngegend, einer gewissen Komik nicht. Die Eppendorfer hielten diszipliniert Abstand und auch vor Lindner, dem Feinkostladen, der mich immer an Feinkost Kruse in der Breiten Straße in Itzehoe erinnert, konnte sich die Schlange durchaus sehen lassen. Meine Mutter liebte diesen Laden, den es nun allerdings schon lange nicht mehr gibt. Wir stellten uns brav hinten an, weniger brav waren ein paar distinguierte, ältere Herren, wahrscheinlich hatten sie noch nie in ihrem Leben warten müssen, die versuchten die Schlange zu ignorieren und gnadenlos austerminiert wurden. Eppendorfer Damen sind nicht auf den Mund gefallen und sie machen ihn auch auf. Im Schaufenster lockten perfide Petit Fours und je länger ich sie ansehen musste, umso verführerischer wurden sie. Mit Cremes und Früchten gefüllte Macarons, Minitörtchen, Monsterpralinen und andere Köstlichkeiten, mir knurrte der Magen und noch vorm Schaufenster entschied ich mich für die Minitörtchen mit Blaubeeren. Im Laden war es dann angenehm leer, die Blaubeerminitörtchen wurden standesgemäß in eine der blau/weißen Lindnerschachteln verpackt, genauso blau/weiß und hanseatisch, wie die Uniformen des Verkaufspersonals hinter den Verkaufstheken. Bei Lindner herrscht kein Personalmangel, die Angestellten sind ausgesprochen freundlich, das Stammpublikum wird mit Namen angesprochen und man kennt Kind und Katzen. Nachdem uns der Korb mit den vorbestellten Brötchen und der Schachtel mit den Minitörtchen über den Tresen gereicht wurde, inspizierten wir die Regale mit Süßwaren und Käsekeksen. Das Knabberzeug und die Pralinen werden entweder direkt bei Lindner erzeugt, oder kommen von sorgfältig ausgesuchten Lieferanten und sind liebevoll verpackt, eine Versuchung die jedes mal unwiderstehlich nach Mitnahme ruft. Dann der lange Tresen mit exquisiten Aufschnitten und allerhand Käsespezialitäten, das Körbchen wurde wieder über den Tresen gereicht, diesmai in die andere Richtung und natürlich dürfen Stammkunden alles mögliche probieren. Zwischen den Aufschnitten, Aufstrichen und Käsespezialitäten, tummelt sich das täglich wechselnden Angebot an kalten und warmen Speisen, denn bei Lindner kann man auch essen. In normalen Zeiten, wenn der Laden von den Touristen des Isemarkt überflutet wird, führt das immer wieder zu kleinen Dramen, denn der Preis für diese Snacks gilt pro hundert Gramm und nicht etwa pro Teller. Mit glänzenden Augen und in der irrigen Annahme ein echtes Schnäppchen zu machen, schlagen die Touristen zu und wenn dann die Rechnung kommt, ist das Entsetzen groß. In diesem Fall ist das freundliche Verkaufspersonal dann allerdings unerbittlich, aber dafür hat man auch in Eppendorf bei Lindner gegessen. Bei Lindner gibt es Butter aus dem Fass, gesalzen oder ungesalzen und die Butter wird vor den Augen ihrer Käufer auf die Größe und Form handelsübliche Pakte zurecht geklopft. Wenn man denn letztendlich an der Kasse ankommt, ist auch das Körbchen auf verschlungenen Wegen dort angekommen und man zahlt demütig.
Unter der Maske braucht man nicht in der Maske zu sein.
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TAFF GIER.
Wir leben im Zeitalter der Ketten. Angefangen mit Kettenbriefen, geht es weiter über Lieferketten bis zu Infektionsketten und jede Kette ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Das das nicht lange gut gehen kann, braucht weder diskutiert noch hinterfragt zu werden, aber weiter gehen muss es trotzdem. Ganz besonders anfällig sind Kühlketten, was die Gemüter nur noch mehr erhitzt und was man von der Kette lässt, sollte man sich recht genau überlegen, denn die Mutter aller Kettenreaktionen ist die goldene Kette um den Hals einer schönen Frau. Ohne Helena kein Paris, ohne Patroklos kein Achill, ohne Agamemnon kein Menelaos, ohne Kassandra keine Klytämnestra, ohne Odysseus keine Zauberin Kirke. Wer einen Ausweg sucht nimmt das Kettcar, tritt in die Pedale und schaut nicht zurück, denn zwischen einer langen Leine und einer Kette fällt die Wahl nicht schwer. Schwer ist es sowieso nur Abschied zu nehmen, denn nach der Freiheit kommt nichts besseres mehr.
Unter einem strahlend blauen Frühlingshimmel machten wir uns auf den Weg zur U-Bahn Feldstraße. An der Ecke Beckstraße / Sternstraße war der Bürgersteig mit kleinen weißen Blüten übersät, passend zur allgegenwärtigen Vogelhochzeit. Vorm Dschungel blühten die Kirschbäume schneeweiß, kaum jemand war unterwegs, die wenigen Autos hätte man zählen können und die Stille war fast schon feierlich. Frühling kann ja so schön sein. Im Eingang der U-Bahn zogen wir unseren Mundschutz hoch und stiegen runter zu den Bahnsteigen. Die U-Bahn war fast leer, ein paar Leute trugen ebenfalls schon Mundschutzmasken, wahrscheinlich um für den Ernstfall, der in ein paar Tagen los gehen soll, zu üben. Umso erstaunlicher ein schwer erklärliches Phänomen, an der Sternschanze stieg ein Mann zu und setzte sich, obwohl reichlich Platz zur Verfügung stand, direkt neben einen anderen Passagier. Die beiden kannten sich ganz offensichtlich nicht und der solcherart bedrängte Mitfahrer, stand auf und suchte sich einen neuen Platz mit ausreichendem Sicherheitsabstand. Ist das Ignoranz, Provokation, Dummheit, oder Sehnsucht nach Nähe. Überhaupt drängt sich der Eindruck auf, dass eine nicht unerhebliche Anzahl unserer Mitbürger, nicht dazu in der Lage ist, Abstand zu halten. Die Bahn blieb weiterhin ziemlich leer, es war ja auch noch recht früh und wir stiegen an der Station Hoheluftbrücke aus und zogen unseren Mundschutz wieder runter. Vor uns lag der langgestreckte Isemarkt unter der Eisenbahnbrücke und gleich am Anfang ein riesiger Marktstand mit Blumen. Es war nicht ganz einfach, in den schmalen Gängen zwischen den klapperigen Behelfstischen, auf denen die Blumen zum Verkauf ausgestellt waren, Abstand zu halten. Die Blumen gingen weg wie warme Semmeln, aber im großen und ganzen klappte es und Schlange vorm Verkaufstisch war mindestens zwanzig Meter lang, mit Abstand. Nach dem Erwerb zweier schwarzäugiger Susannen und die Susannen sind so beliebt, dass ich beim Schlange stehen gleich zweimal darauf angequatscht wurde, wo die Susannen denn ständen, zogen wir weiter Richtung Eppendorfer Baum. Die Marktleute hielten es unterschiedlich, manche trugen Mundschutz, andere nicht, aber alle achteten auf Abstand und viele Stände fehlten, was das Abstand halten sehr erleichterte, denn normalerweise schieben sich die Massen über den Markt. Nun besteht die Masse auf dem Markt normalerweise keineswegs nur Einheimischen die einkaufen, sondern zu nicht unerheblichen Teilen aus Touristen, die in Bussen angekarrt werden. Das erfreut zwar die Tourismusbehörde der Stadt, die den Isemarkt dann folgerichtig in ihren Werbebroschüren auch als Attraktion anpreist, die Marktleute freut es aber keineswegs, denn die Touristen kaufen wenig, fotografieren viel und stehen den einkaufswilligen Besuchern des Marktes schwer im Wege. Ein paar Marktstände haben sogar schon seit längerem Schilder aufgestellt, die das Fotografieren ihres Standes untersagen. All diese Isemarkt Sightseeing Besucher fehlen momentan und auf dem Markt vermisst sie keiner. Food To Go geht natürlich immer, Maske runter, Food rein, Maske hoch. Kaffee beim Italiener in der Mitte des Marktes gab es auch wieder, aber nur To Go und nicht To Talk. Die Kaffee Plauderer wichen auf den Bürgersteig an der Rückseite des Marktes aus, wo sie sich dann mit genügend Abstand unter den blühenden Frühlingsbäumen austauschten und am schönsten blühten die himmelhohen, uralten Kastanien in den blauen Himmel hinein, jede Krone ein Kosmos für sich.
Im Dunklen muss man nicht lachen.
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FERN SCHMÄH.
In meinem Traum kehren wir zurück zur Eisenbahn, die komfortabel und erschwinglich ist. Die Pferdestärke wird wieder was sie mal war, ein Pferd, die Straßen Baumbestanden und grün. Weiterhin mit Windeseile reisen Gedanken und Ideen, denn die Segnungen der Digitalisierung müssen wir ja nicht aufgeben, aber zu hause bleiben sollten wir im Großen und Ganzen schon. Das die Masse nicht klasse ist, kann gar nicht oft genug gesagt werden und weniger ist sowieso mehr. Die Geschichte lehrt uns, dass alle wirklich großen Reiche an ihrer eigenen Größe scheiterten, weswegen wir uns rechtzeitig gesund schrumpfen sollten, was evolutionstechnisch ein echter Schritt nach vorn wäre und völlig neu. Auch wenn es ein wenig zweifelhaft ist, so soll wer immer ein wenig hungrig ist, angeblich länger leben. Das die Hoffnung zuletzt stirbt, ist auch schon lange bekannt, aber das die Vernunft siegt ein verführerischer Gedanke und vielleicht können wir das ja noch ohne zu hungern erleben.
Wahrscheinlich ist es ein entscheidender, evolutionärer Mangel, dass wir unsere Atemluft nur in besonderen Situationen sehen können. Wäre unser Atem farbig und jeder Mensch würde obendrein noch eine individuelle Atemluftfarbe erzeugen, würde es uns wahrscheinlich leichter fallen, den momentan nötigen Abstand von einander zu halten. Wie die Fische im Ozean, bewegen wir uns durch ein, den Planeten umspannendes Sauerstoff Meer und alles was darin an Partikeln bis zu einer gewissen Größe schwimmt, atmen wir ein und aus. Kaum etwas verbindet uns so sehr miteinander, wie unsere gemeinsame Atemluft und wo nur wenig ein uns aus geatmet wird, ist die Luft meistens auch am besten. Dort wo Meer und Land einander berühren, ist es meistens nicht nur recht windig, auf dem Meer wird im allgemeinen auch nicht so viel geatmet, denn die wenigsten Menschen pflegen auf dem Wasser zu laufen und die Qualität der Atemluft steigt. Umso perfider wirken die Klimaanlagen betriebenen Atemluftgehäuse riesiger Kreuzfahrschiffe, die inmitten der besten Luft krank machende Atemluftbiotope erzeugen. So produzieren diese völlig überflüssigen Vergnügungskolosse denn nicht nur entsetzlich viel umweltschädlichen Müll und Schadstoffe, sie schädigen die Reisenden und ihr mitreisendes Dienstpersonal obendrein. Nun ist es wahrscheinlich völlig müßig darauf zu spekulieren, dass dieser Unfug aufhört und nicht nach der Krise mit wehenden Fahnen wieder Fahrt aufnimmt, sofern die Krise denn bewältigt werden kann. Profit ist nun mal, zumindest in einem Profit orientiertem System, System relevant, worin sich dann auch der zweite, evolutionär entscheidende Mangel unserer Art zeigt. Ganz offensichtlich sind wir zu blöd zu erkennen, dass eine halbwegs intakte Umwelt für unser individuelles und gemeinschaftliches Überleben ebenfalls System relevant ist. Wer angesichts dieser Umstände die Ruhe bewahren will, ist nicht unbedingt gut beraten erst mal tief Luft zu holen und Luftkurorte sind seit Ischgl auch nicht mehr das was sie mal waren. Bis die Luft wieder rein ist, wird es wohl noch ein wenig dauern, aber Luftballons kann man versuchsweise schon mal steigen lassen. Unten auf der Straße bleiben sie sowieso locker und bilden erste Kleingruppen, ich bin mal gespannt. Nicht nur das Oktoberfest, auch die heilige Sommerfrische soll dieses Jahr ins Wasser fallen und obendrein fällt schon wieder nicht genug Wasser vom Himmel. Das mit einmal nicht nur die Eisbären betroffen sind, ist schon eine echte Zumutung, aber Viren denken nun mal nicht volkswirtschaftlich, sondern einzig und allein virenwirtschaftlich. Trotzdem sind Virenwirtschaft und Volkswirtschaft tief miteinander verbunden, denn dort wo die Volkswirtschaft die Notbremse zieht, kommt auch die Virenwirtschaft zum Erliegen. So frisst der Teufel denn in der Not keine Fliegen, sondern hört auf zu fliegen und das Geschwindigkeit keine Hexerei ist, ist noch lange nicht bewiesen.
Keine Kettenreaktion ohne Lieferkette.
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BETTEN REAKTION.
Dieser Tage ist ja nun ständig die Rede von Ketten und wie wir ja alle wissen, ist jede Kette so stark, wie ihr schwächstes Glied. Kettenbriefe können ein Lied davon singen und Kettenreaktion ist nichts für zart besaitete Gemüter. Von der Nahrungskette soll hier auch nicht die Rede sein, aber dafür von der allgegenwärtigen Infektionskette, die sich nicht an die Kette legen lässt und keineswegs nur Viren betrifft. So ist die Schwester der Infektionskette die Imbisskette, denn das Virus will runter geschluckt werden, durch das große Tor zur Welt. Nun also nur noch mit Mundschutz, Markenbewusstsein und Notfallkoffer. Das der Teufel in der Not wirklich Fliegen frisst, muss aber noch bewiesen werden und wo Kettenhemden ausverkauft sind, hilft auch keine Telefonkette mehr. Wir legen unseren inneren Schweinehund an die Kette und bleiben auf dem Pfad der Tugend, die schon lange nicht mehr unschuldig ist.
Viele Jahre lang blickte ich aus dem Fenster und unten tobte das Leben. Seit der Jahrtausendwende mutierte die Schanze immer mehr zum Vergnügungsviertel und das Schulterblatt zu einer, fast rund um die Uhr geöffneten Vergnügungsmeile. Wo einst das Romana und das O-Feuer erschwingliche Küche aus Griechenland und dem mediterranen Raum anboten, reihen sich mittlerweile alle möglichen kulinarischen, was nicht gleich zu setzten ist mit lecker, gesund oder gut, Angebote aneinander. Etliche Imbisse von asiatisch über türkisch, bis vegan, bieten ihre in Styropor und Plastik verpackten To Go Erzeugnisse an und erzeugen damit Müllberge, die sich jeden Morgen wieder im rosa farbenen Plastiksäcken auf den Regengittern um die Straßenbäume stapeln. Jeder bessere Kiosk nennt eine Salattheke, flankiert von durchsichtigen Plastikschälchen sein eigen und zwei Cafes und zwei Eisdielen runden das Angebot ab. Unterbrochen wird die Fress und Sauf Meile nur von ein paar Bekleidungsgeschäften, der Hamburger Sparkasse, mehreren Geldautomaten, Telefonläden, Kiosken, Dekogeschäften, einem Hipster Hutladen, einem kleinen Schmuckladen, der Verkaufsstelle einer Bäckereikette, einer Drogerie und einem Supermarkt. Letzte Feigenblätter eines ehemals alternativen Viertels, sind die genossenschaftlich geführte Buchhandlung und der seit über vierzig Jahren ansässige Süßigkeitenladen. In der Schanzenstraße und der Susannenstraße sieht es nicht wesentlich anders aus und die Weidenallee bleib auch nicht verschont und wird touristisch immer mehr erschlossen. Nun liegt seit dem Shutdown und der Kontaktsperre Frieden über dem Viertel, ungefähr neunzig Prozent aller Läden sind geschlossen, teilweise sogar mit runter gelassenen Rollläden. Die Stille ist märchenhaft, die Straßenbäume reckten sich unvermüllt dem Frühling entgegen, Dornröschen träumt von lang vergangenen Zeiten und nur die Tauben vermissen ihre täglichen Abfälle. Nach Einbruch der Dunkelheit ist die Straße wie leer gefegt, trotzig blinkt die Leuchtreklame des Wettbüros gegenüber, das sonst fast rund um die Uhr geöffnet hatte und selbst bei Big Food, vorm Shutdown wie das Wettbüro fast ganz täglich geöffnet, ist spätestens um zwanzig Uhr Schluss. Schluss ist auch mit der ausufernden Eckensteherei, neudeutsch Cornern genannt und selbst wenn jetzt wieder häufiger an der Ecke gestanden werden wird, wird doch nichts mehr so sein, wie es mal war. Sämtliche Lokalitäten am Schulterblatt und nicht nur dort, sondern im Amüsiergewerbe überhaupt, sind nicht auf Abstand ausgelegt, sondern auf Nähe, denn nichts ist schöner, als sich ordentlich eng in einem Laden zu drängeln. Ein Club ist erfolgreich, wenn er gerammel voll ist und nicht halb leer. Was soll das Essen kosten, wenn in der Gastronomie zwei Drittel aller Tische aus dem Laden genommen werden müssen, um für einen vertretbaren Mindestabstand zu sorgen. Was werden die Vermieter davon halten, die Gewerbemieten für gastronomische Betriebe um zwei Drittel zu senken. Die Alternative heißt Leerstand. Wer kauft jetzt noch schöne, aber völlig überflüssige Gegenstände, die Hälfte der Gewerbeflächen in der Weidenallee, wo man besser und gehobener isst, trinkt und einkauft, wird veröden und die Frage, wem die Stadt gehört stellt sich nochmal ganz neu. Erste Wohnungen, bisher von AirBnB Touristen besetzt, werden frei und stehen der ortsansässigen Bevölkerung wieder zur Verfügung. Wollen wir wirklich versuchen den ganzen Unfug neu zu starten, mal ganz abgesehen davon, was das Klima freundliche Virus noch dazu meint? Tourismus ist schön, aber sehr Umwelt schädlich, bilden kann man sich nicht nur mit Reisen und am wenigsten reisen sollten Lebensmittel. Das Virus zwingt uns, die Welt neu zu denken. Den Frühling stört das nicht, unverdrossen taucht er die Welt, die jeden Morgen wieder aufsteht, in zartes Grün, der Himmel ist blau und fast frei von Kondensstreifen, im Hinterhof zwitschern die Vogel und wilde Blumen blühen.
Zum Schmachten braucht man keine Fetzen.
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MOOS BRITANIEN.
Wenn mich nicht alles täuscht, verstehen die meisten meiner Mitbürger glasklare Ansagen besser, als Appelle an ihre Vernunft. Obwohl nirgendwo davon die Rede war, gruppierten sich heute schon wieder viel zu viele Schwachmaten unten auf dem Bürgersteig. Abstand war mal. Vielleicht sollte mal ganz deutlich gesagt werden, dass die Party vorbei ist und zwar bis auf weiteres. Das die Gesellschaft umgedacht werden muss, ist wohl auch ein weiterer Schritt, der nicht ausbleiben kann. Solange es keinen Impfstoff gibt, wird es kein weiter großartiges, öffentliches Leben geben und ob und wann es einen Impfstoff geben wird, steht noch nicht mal in den Sternen geschrieben. Eventuell haben wir ja übertrieben und Mutter Natur ist gerade dabei, uns ihre Zähne zu zeigen. Wer denn nun immer noch an Herden Immunität glaubt, sollte sich vielleicht mal mit den Auswirkungen der Pest im mittelalterlichen Europa auseinandersetzen.
Bevor sie wieder nach Europa zurück flogen, sprach Subash noch einen längeren Text vor der Kamera. Sehr charmant bedankte er sich für die Reise, die er mit Hasy, Mark und Stefan gemacht hatte und schwärmte von Deutschland, dass er unbedingt mal besuchen wollte. Er ließ alle Familienmitglieder und Freunde von Hasy, Mark und Stefan grüßen und ganz besonders nochmal Onkel Erich, der ihm ein paar Monate später das Geld für seine Hochzeit mit der Tibeterin vorstreckte. Subash schwor hoch und heilig das Geld für die Hochzeit, die weder im Sinne seiner Familie noch im Sinne der Familie seiner Auserwählten war, bald zurück zu zahlen, womit Onkel Erich allerdings nicht wirklich rechnete. Aber dafür war es eine Hochzeit aus Liebe und dazu konnte Onkel Erich nicht nein sagen. Um die Sache rund zu machen, lieh Subash sich dann auch noch das nötige Kapital für einen Kiosk, den er mit seiner Angetrauten zusammen betreiben wollte und obwohl Onkel Erich es lieber gesehen hätte, wenn Subash als Lehrer gearbeitet hätte, sagte er auch zu dem Kioskprojekt nicht nein. In Pokhara wimmelte es nur so von Kiosken für Touristenbedarf und allen möglichen anderen Dingen für die Einheimischen und wie Onkel Erich schon vermutet hatte, erwies sich der Kiosk als wenig profitabel. Zwei Jahre später ging Subash dann nach Japan um dort zu arbeiten und noch ein paar Jahre später holte er seine Frau nach. Sunita schloss ihre Ausbildung zur Krankenschwester erfolgreich ab und bevor sie ihren ersten Job antrat, lud Onkel Erich sie nach Deutschland ein. Die Realität in Deutschland, der Reichtum, die öffentlichen Verkehrsmittel, die Sauberkeit der Straßen und nicht zuletzt das riesige Gästezimmer in Onkel Erichs Haus, das sie ganz alleine bewohnte, war für Sunita nicht weniger ein Kulturschock, als die uralten, fantastische Bauten, die heiligen Männer und heiligen Kühe, die allgegenwärtigen Affen, die Armut und der Dreck, es für Hasy, Mark und Stefan in Nepal gewesen waren. Zurück in Nepal wurde Sunita dann sehr erfolgreich in ihrem Beruf und stieg zur Ausbilderin auf. Sie heiratete einen Krankenpfleger, den sie an ihrem Arbeitsplatz kennen lernte, die beiden kauften sich ein Haus und verzichteten erst mal auf Kinder. Auch Sanju schloss seine Ausbildung zum Zahntechniker erfolgreich ab und arbeitete in seinem Beruf. Suman versuchte sich noch ein paar Jahre weiter als Manager etlicher Guest Houses, bis er in die Emirate ging und dort Manager eines Hotels wurde. Govinda, der nun seit einigen Jahren nicht mehr dem Alkohol, sondern der Religion verfallen war, kam gar nicht mehr auf die Idee zu arbeiten, er musste ja schließlich für sein Seelenheil beten und wenn er nicht beten musste, hatte er andere wichtige Dinge zu tun. Satt dessen bearbeitete Govinda Onkel Erich so lange, bis dieser ihm den Bau eines Guest House auf dem Grundstück der Familie, oben am Berghang mit Blick auf den Phewa See finanzierte. Das Guest House selber zu betreiben, stellte sich dann allerdings als ziemlich anstrengend heraus und daher verpachtete Govinda das Guest House erst mal für ein paar Jahre. Die Pächter steckten Mädchen in die Zimmer des Guest House und verdienten viel Geld, aber ihre Zahlungsmoral war schlecht. Onkel Erich war entsetzt und so richtig glücklich wurde Govinda mit seinen Pächtern auch nicht. Als der Pachtvertrag dann endlich ausgelaufen war, achtete Govinda besser darauf, an wenn er das Guest House verpachtete. Die neuen Pächter betrieben eine sehr erfolgreiche Paragliding Schule und diesmal lief alles gut, denn in Pokhara boomte der Tourismus und Onkel Erich erkannte die zauberhafte kleine Stadt, in der er seinen Freund Kasiman einst kennen gelernt hatte, schon lange nicht mehr. Noch viel besser lief es mit Gulus Kindern, die Jahre lang, trotz etlicher von Onkel Erich finanzierter Nachhilfestunden, in der Schule versagt hatten, denn Gulu bekam einen Job in der Paragliding Schule, der ihm endlich zu eigenem Geld und damit zu neuem Selbstbewusstsein verhalf. Anstatt den Schulbesuch seiner Kinder zu sabotieren, sorgte er nun dafür, dass sie regelmäßig zur Schule gingen und der Erfolg blieb nicht aus.
Lieber ein Schotte ohne Hosen, als ein Fass ohne Boden.
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FURZ ARBEIT.
Das die Zeiten sich ändern kann man schon daran erkennen, dass unsere einst so frivolen Nachbarn im Südwesten, die Gefahr mittlerweile ernster nehmen. Wir sind noch nicht über den Berg und auch noch nicht auf der Spitze des Gipfels angekommen. Alles was durch Konsequenz und leidlich rechtzeitiges Handeln erreicht wurde, wird nun durch die Ungeduld allzu wirtschaftsfreundlicher Poly Trickster und ahnungsloser Bürger in Frage gestellt. Nicht die Schulen und Universitäten müssen geöffnet werden, damit das Virus wieder Fahrt auf nimmt, die Lasten müssen umverteilt werden. Öffnet Grünflächen für die gequälten Bewohner der Hochhausghettos und sorgt dort für den nötigen Abstand. Verkürzt die Wege der Waren, stärkt die Regionen, sagt endlich die Wahrheit, es wird nicht mehr so werden wie es war. Die Party ist vorbei, denn das Virus ist immer dabei.
In Lumbini gab es einiges zu besichtigen. Der Ort an dem Siddhartha Gautama im Jahre 563 vor Christus geboren wurde, angeblich unter einem Boddhi Baum, in dessen Zweigen seine Mutter sich festhielt und ihn im Stehen zur Welt brachte, gehört seit 1997 zum Weltkulturerbe. Im Friedenspark von Lumbini, auch Park der tausend Pagoden genannt, befinden sich tatsächlich sehr viele Pagoden und prächtige Tempel etlicher Religionen, denn der Buddhismus verbreitete sich in unzähligen Spielarten über die Welt und ihnen allen ist Buddhas Geburtsort natürlich heilig. Viel Gold glitzerte dort unter der Sonne und wenn auch nicht alle Pagoden und Tempel Dächer so umfassend vergoldet waren, wie die der dem Buddhismus Myanmars zugehörigen Lokamani Cula Pagode, so waren sie doch alle ziemlich beeindruckend. Sie ließen sich Zeit und verbrachten mehrere Tage damit nicht nur die Lokamani Cula Pagode, sondern auch den Maitreya Tempel des tibetischen Buddhismus, den Nepal Tempel, die außen schneeweiße und innen psychedelisch bunte Shanti Stupa mit dem Lotusblütenteich und die noch farbenprächtigere Drigung Kagyud Lotus Stupa zu besichtigen. Sie sahen die Flamme des ewigen Lebens und die Säule des Ashoka, die König Ashoka ungefähr zweihundertundfünfzig Jahre nach Buddhas Geburt in Lumbini errichten ließ. Die Säule steht nahe des Mayadevi Tempels, dem Haupttempel Lumbins, zu dem ein heiliger Teich und ein heiliger Garten gehören und natürlich gibt es auch immer noch einen heiligen Boddhi Baum samt dazugehörigem Teich. Zwischendurch entspannten sie sich angemessen. Sie leistete sich sogar einen Vortrag, der ihnen die verwirrende Vielfalt der buddhistischen Strömungen, die sich in Lumbini mit ihren religiösen Bauten präsentierten, ein wenig entwirren sollte und erfuhren nebenbei von dem etwas unrühmlichen Treiben eines deutschen Indologen. Alois Anton Führer unternahm 1896 eine Forschungsreise nach Nepal, in deren Verlauf er in Lumbini eine Ashoka Säule ausgrub. Durch die Inschrift auf der Säule, wurde Lumbini als Geburtsort Buddahs ausgewiesen. Leider stellte sich später heraus, das Alois Anton Führer ein begnadeter Fälscher war, was die Ashoka Säule nicht glaubwürdiger machte. Glücklicherweise war Existenz der Säule samt Inschrift, aber schon durch zwei chinesische Mönche aus dem vierten Jahrhundert nach Christus bezeugt worden. Von Lumbini fuhren sie in einem Rutsch nach Kathmandu und gaben den Kleinbus ab. Wie schon in Lumbini, nahmen sie sich wieder zwei Zimmer in einem kleinen Hotel und auch hier gab es für Subash Probleme an der Rezeption. Die Nepalis taten sich schwer einen der ihren, wie einen westlichen Touristen zu behandeln, aber nach ein paar klaren Worten von Hasy, Stefan und Mark, sahen sie Subash zwar weiterhin schräg an, aber sie machten ihm wenigstens keine Schwierigkeiten mehr. Kathmandu war voller Touristen und am schlimmsten war es in Thamel, dem alten Hippieviertel, das mittlerweile total kommerzialisiert worden war. Grell gewandte junge Menschen mit riesigen Hütten, torkelten nach dem Genuss magischer Pilze durch die Straßen und fielen unangenehm auf. Wie schon im Zuge ihrer ersten Nepalreise, stiegen sie die Stufen zur Tempelanlage von Swayambhunath empor, bewunderten die riesigen Gebetsmühlen, Buddhas Augen auf der großen Stupa, all die bunten Götterbilder und nicht zuletzt die Horden der heiligen Affen. Aus sicherer Entfernung filmten sie die Verbrennung der Toten an den Gaths, die Affen, die ein Stück weiter Flussabwärts nach verzehrbaren Leichenteilen fischten und die Frauen, die dort Wäsche wuschen. Sie bewunderten die phantastische, fast wie aus einem Science Fiction Film gefallene Architektur der alten Königsstädte Patan und Bhaktapur und all die echten und falschen heiligen Männer. Sie genossen aber auch die Erzeugnisse der German Bakery, die mittlerweile so erfolgreich geworden war, dass sie mehrere Dependancen in Kathmandu eröffnet hatte, nur Milch für Stefans Müsli gab es auch in Kathmandu nicht.
Locker bleiben heißt nicht locker machen.
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FUNKEL ZIFFER.
Am erstaunlichsten sind all die freien Parkplätze. Selbst vor über vierzig Jahren, als ich in ein schlecht riechendes, schlecht beleumundetes und unterprivilegiertes Viertel zog, gab es nicht so viele freie Parkplätze. Das gibt Anlass zu Spekulationen. Die erste Spekulation ist, dass etliche Parkplätze von Ortsfremden Autofahrern besetzt wurden. Nervig aber normal. Die zweite Spekulation ist wesentlich brisanter und geht davon aus, dass wer es sich leisten konnte, das Viertel verlassen hat und beweist, dass vor dem Virus keineswegs alle gleich sind, wie einige verblendete oder skrupellose Kommentatoren behaupten. Die dritte Spekulation aber weist in die Zukunft und sagt, dass all die Parkplätze die jetzt frei geworden sind, nicht wirklich benötigt werden und deswegen können sie auch in Zukunft frei bleiben. Ansonsten ist die Stille in der Stadt ganz wunderbar.
Mitten im Terriorium des Chitwan Natur Reservat lagen mehrere Dörfer der Ureinwohner des Terai, vom Volk der Tharu und diese Dörfer konnten im Rahmen eines Tagesausflugs auf dem Fluss Rapti besucht werden. Jahrhundert lang war das, hauptsächlich mit Monsumregenwald und Elefantengras bewachsene Terai, eine extrem von Malariamücken verseuchte Region und entsprechend dünn besiedelt. In den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, wurden dann etwa siebzig Prozent des Urwaldes im Terai, unter großzügiger Zuhilfenahme von DDT gerodet und mit verarmten Bauern aus anderen Teilen des Landes besiedelt. Das darauf folgende große Artensterben, ganz besonders der bengalischen Tiger und der Nashörner, aber auch vieler anderer Tiere, führte zu einem Umdenken und zur Gründung des Chitwan Naturreservat, dass im Laufe der Jahre deutlich wuchs. Es kommt allerdings immer wieder zu Konflikten, zwischen den Interessen der Bauern rund um das Reservat und den Tieren, die sich so erfolgreich vermehren, wie die Nashörner. Auf die Dörfer im Reservat trifft das nicht zu, zwar bewirtschaften ihre Bewohner auch Felder im Reservat, aber sie müssen die regelmäßigen Übergriffe der Nashörner tolerieren und erhalten dafür Ausgleichszahlungen. Wahrscheinlich im sechzehnten Jahrhundert ließen sich Untergruppen des Volkes der Tharu im Terai nieder und entwickelten eine gewisse Toleranz gegen die Malaria. Im Kampf gegen die Malaria verfielen sie außerdem auf eine sehr eigenwillige Strategie, die darin bestand, bereits frühzeitig am Tag selbstgebrauten Schnaps zu trinken, eine Sitte, an der die Touristen, die sie besuchen natürlich gerne teilhaben können. Trotzdem war der Anblick von Dorfbewohnern, die schon um die Mittagszeit oder am frühen Nachmittag deutlich betrunken waren, doch etwas befremdlich. Noch befremdlicher fanden sie allerdings, dass die mit Elefantengras gedeckten Hütten der Schnaps trinkenden Ureinwohner, komplett aus einer Mischungen aus Lehm und Rinderdung gebaut waren. Die Rinderdung Wände waren im Zuge ihrer Umwandlung zu Baumaterial völlig Geruchsneutral geworden und was noch viel wichtiger war, sie hielten die Malariamücken fern. Obwohl die meisten Dörfler eher freundlich waren, war ihre Armut und ihr schlechter Gesundheitszustand doch unübersehbar. Einige Kinder hatten rote Haare und Blähbäuche, ein sicheres Zeichen von Mangelernährung. Insgesamt war der Besuch der Dörfer dann doch ein wenig bedrückend und sie waren froh, als sie wieder auf dem Fluss waren und die langen Streifen des goldenen Licht der untergehenden Sonne auf den Wasser genießen konnten. Nach zehn Tagen im Chiwan Natur Reservat mieteten sie sich einen Kleinbus und starteten zu einer Besichtigungstour. Ihr ersten Ziel war Buddhas Geburtsort Lumbini, nur ein paar Kilometer von der Grenze zu Indien entfernt. In einem komfortablen Hotel nahmen sie sich zwei Zimmer, eins für Hasy und Mark und eins für Stefan und Subash. Die Lodge im Chitwan Reservat war nicht besonders komfortabel gewesen, umso mehr fuhr Subash auf den, für ihn völlig ungewohnten Komfort im Hotel ab und genehmigte sich erst mal ein ausgedehntes Schaumbad. Als Subash dann das erste Mal allein in sein Hotelzimmer zurück kehren wollte, kam es unten an der Rezeption des Hotels zum Eklat. Gewöhnlicherweise schliefen die einheimischen Guides der Touristen nicht im Hotel, sondern wesentlich unkomfortabler in einem Nebengebäude und das ebenfalls einheimische Personal an der Rezeption, verweigerte Subash den Zutritt zum Hotel. Erst als Hasy, Mark und Stefan auch auftauchten, Subash als zu ihnen gehörig erklärten und darauf bestanden, dass Subash, die von ihnen gemieteten Zimmer betreten könnte, wann immer er wolle und auch ganz allein, gaben die Rezeptionisten Zähne knirschend nach und ließen Subash passieren.
In See kann man stechen, in den See nicht.
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MUND SCHMUTZ.
Das die Party vorbei ist, haben wahrscheinlich noch nicht alle notorischen Partygänger begriffen, aber mittlerweile geht nichts mehr. Die fetten Jahre sind vorbei und werden auch nicht wieder kommen, die Kugel hat sich ausgerollt und wer den Film, „Die Tage, die kommen“ gesehen hat, hat zumindest eine Ahnung davon, worum es wirklich geht. Vielleicht sollten wir sogar dankbar sein, für diese Lösung völlig unvorhergesehene unseres Dilemmas. Ohne Krieg, ohne sichtbaren Feind. So wird uns denn, durch ein hüllenloses und unsichtbares Virus, ganz einfach aufgezwungen, dass wir unsere Lebensweise ändern müssen und ganz nebenbei steigt schon mal die Luftqualität. Schön wird es sein, endlich wieder raus zu gehen, auf die Straße, in den Park, an den Strand, in den Wald, ohne Angst zu haben. Vergesst die Ferne und entdeckt die Nähe, die das wertvollste ist, was uns jetzt erst mal verboten ist.
Die Parkverwaltung konnte ihnen mit der Spinne auch nicht wirklich weiter helfen, sie empfahlen die Schublade regelmäßig zu kontrollieren und die Spinne wieder raus zu tragen, was sie dann auch taten. Die Dschungelführungen fanden in kleinen Gruppen statt und immer war ein Elefant, oder mehrere dabei. Manchmal wurde ein Teil der Gruppe von den Elefanten getragen und der andere Teil ging zu Fuß, was Hasy, Stefan und Mark bevorzugten, zwar war die Aussicht oben auf dem Elefantenrücken besser, aber die Sitze schwankten wie ein Schiff auf hoher See, wovon Marks Videoaufnahmen, bei deren Betrachten einem ganz schwindlig werden kann, Zeugnis ablegen. Die wichtigste Aufgabe der Elefanten aber war, sie vor den Panzernashörnern, für das Chitwan Reservat genauso berühmt ist, wie für seine bengalischen Tiger, zu beschützen. Nashörner können zwar nicht besonders gut sehen, aber dafür ausgezeichnet riechen und sie sind ziemlich aggressiv. Elefanten sind nun allerdings groß genug, als das auch Nashörner sie sehen können und im Gegensatz zu Menschen, nicht unbedingt die geeigneten Objekte angriffslustiger und missgelaunter Nashörner. Ihre Führer achteten immer peinlich darauf, dass sich mindestens ein Elefant zwischen den Touristen und den Nashörnern befand. Das Chitwan Reservat ist aber nicht nur für seine bengalischen Tiger und seine Panzernashörner, die sich im Gegensatz zu den schwer bedrohten Tigern, so erfolgreich vermehren, dass sie mittlerweile in anderen Naturschutzreservaten ausgewildert werden, sondern auch für seine ganz besonders große Artenvielfalt berühmt. Der Dschungel mit seinen wild wuchernden Pflanzen, seinen Farben und Geräuschen überwältigte sie. Sie sahen riesige Schmetterlinge, die wie fliegende Blumen durch ein grünes Meer segelten, Affen und Antilopen mit vier Hörnern, Axishirsche, Sambarhirsche, Schweinshirsche und indische Muntjaks, Mangusten, Fischotter, Marabus, Schreiadler, Wildschweine und etliche andere Säugetiere und Vögel, aber vom König des Dschungels, dem Tiger, nur seine Spuren. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde die Geräuschkulisse des Dschungels noch überwältigender und sie hörten den unsichtbaren Tiger schreien. Von der Parkverwaltung waren sie eindringlich dazu aufgefordert worden, ihre Schlafquartiere nach Einbruch der Dunkelheit nicht zu verlassen, was Mark als tollkühner Spinnenbändiger und Fänger natürlich doch tat. Wenn sie vor Einbruch der Dämmerung ins Camp und zu ihren Hütten zurück kehrten, gingen die Elefanten, die sie auf ihren Ausflügen begleitet und getragen hatten, mit den Mahuts im Fluss beim Camp baden und immer wieder gesellten sich wilde Elefanten dazu. Liebevoll von ihren Mahuts gepflegt, die Beziehung zwischen einem Mahut und seinem Elefanten ist lebenslang, genossen die Arbeitselefanten ihr allabendliches Bad und die Touristen genossen den Anblick des Spektakels, beim Feierabendbier auf der Terrasse der Hauptlodge. Ganz besonders mutige Touristen, die sich gut mit dem Mahut des betreffenden Elefanten verstanden, durften zusammen mit dem Elefanten und dem Mahut baden gehen. Stefan hatte das Glück und den Mut und so filmten sie denn, wie Stefan auf dem Rücken eines Elefanten erst im Fluss baden geht und dann immer wieder eine kräftige Dusche aus dem Rüssel des Elefanten erhält. Es macht fast den Eindruck, als wenn der Elefant Spaß daran hat, den Touristen auf seinem Rücken mal ordentlich nass zu spritzen. Warum diese gewaltigen Tiere es sich bieten lassen, von Menschen versklavt zu werden, bleibt insbesondere beim Anblick ihrer wilden Artgenossen, die sich dem Badespektakel zu gesellen, einfach rätselhaft. Letztendlich dürfte es nicht wirklich das Problem eines erwachsenen und gesunden Elefanten sein, seine Ketten und seien sie unsichtbar, zu sprengen. Jedes Video von einem Polo oder Tempelelefanten, der einfach genug hat, durchdreht und mal eben ein paar tonnenschwere Autos demoliert, zeigt wozu diese Tiere instande sind.
Was man flach hält, bleibt flach.
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BRABBEL KISTE.
Mit Agatha Christie fragen wir, „Wem nützt es?“. Erste Siegerin vor allen anderen, ist die Umwelt und damit auch wir. Das die meisten zu ihrem Glück gezwungen werden müssen, ist ja nicht neu und bestätigt sich immer wieder. Zweiter Sieger ist das Soziale, das nun im Vordergrund steht und dort wahrscheinlich auch noch lange stehen bleiben wird. Der Feind ist in die Welt gekommen und wird nicht mehr gehen und packt uns da, wo wir am verwundbarsten sind, bei unser Blödheit und der mangelnden Solidarität, denn was ist die neoliberale Marktwirtschaft denn anderes, als ein Model mangelnder gesellschaftlicher Solidarität. Das Virus kennt keine Aktien, keine Anteilsscheine, keine Altlasten, kein Wohneigentum, keine Ländereien, keine überlegene Waffentechnik, denn es ist unsichtbar und unangreifbar und wer denn nun denkt, dass es bald vorbei sein wird, irrt sehr.
Und stürzten und stürzten, bis sie in eine Luftströmung gerieten, die wieder aufwärts führte. Mark hatte die Kamera mitgenommen und nun sah und filmte er die Welt aus der Vogelperspektive, ein Erlebnis von dem er schon immer geträumt hatte. Frei wie ein Vogel und die Kamera nahm nicht nur auf was Mark sah, sondern auch was er in seiner grenzenlosen Begeisterung, in der sogar Gott vorkam, von sich gab. Nach einer viertel Stunde war der Rausch vorüber und sein Flugguide und er landeten wieder auf dem Boden der Tatsachen. Hasy hatte mehr Glück, sein Guide und er hatten eine Aufwärtsströmung erwischt, die sie steil in die Höhe führte und erst mal nicht abriss. Außerdem hatte sein Flugguide sich einen Lederbeutel voller Fleischbrocken umgehängt und als sie hoch genug flogen, kamen die Adler und der Guide fütterte die gewaltigen Vögel im Flug. Es war wie in einem Fantasyfilm. Sie waren fast eine dreiviertel Stunde unterwegs und Hasy hatte sich nie träumen lassen, dass er mal mit den Adlern des Himalaya fliegen würde. Wie jeden Abend wieder, aßen sie dann zusammen mit Onkel Erich auf dem Balkon ihres Hotelzimmers, schwärmten von ihrem Flugerlebnis, bestaunten den Sonnenuntergang und gönnten sich ein paar Biere, flankiert von feinsten Rauchwaren. Onkel Erich, der mittlerweile überall nach dem Rechten gesehen hatte und etliche Angelegenheiten, hauptsächlich finanzieller Natur geregelt hatte, musste nach Deutschland zurück, aber Hasy, Mark und Stefan hatten noch allerhand vor. Ihre nächste Tour sollte runter ins Terai gehen und diesmal wollten sie Subash, mit dem sie sich blendend verstanden und der gerade mit seiner Ausbildung zum Lehrer fertig geworden war und noch nicht so recht wusste, wie es weiter gehen sollte, als Führer und Dolmetscher mit nehmen. Die fruchtbare Tiefebene des Terai, mit seinem tropischen Klima, liegt auf etwa hundert Metern über dem Meeresspiegel, am Fuß des Himalaya. Der nepalische Teil des Terai zieht sich als langer, schmaler Streifen über achthundert Kilometer an der indischen Grenze entlang und ist zwischen fünfundzwanzig und hundert Kilometer breit. Das Terai ist ein schwer Malaria verseuchtes Gebiet und mitten im Terai befindet sich das für seine Tigerpopulation berühmte, fast tausend Quadratkilometer große, Chitwan Naturschutz Reservat. Schon die Könige von Nepal zogen Jahrhunderte lang, mit großem Gefolge, immer wieder zur Jagd auf den König des Dschungels, von den Bergen des Himalayas hinunter ins Terai und die englischen Kolonialherren machten es ihnen begeistert nach. Es ist mal gerade eben etwas über hundert Jahre her, das Mowgli den Tiger Shir Kahn, König des Dschungels, fürchten musste, mittlerweile müssen Shir Kahns wenige überlebende Nachfahren, sich vor den unzählig gewordenen Kindern Mowglis fürchten. Die Anzahl der Touristen, die den Chitwan Nationalpark besuchen können, ist begrenzt und die Unterkünfte sind nicht gerade luxuriös, aber mit dem nötigen Komfort ausgestattet. Zu viert bezogen sie eine Hütte und machten am nächsten Morgen Bekanntschaft, mit einer unerwarteten Mitbewohnerin. Die Spinne, die aus der Schublade des Nachtschränkchens kam, war größer, als jede andere Spinne, die sie je gesehen hatten und sie machte keine Anstalten zu fliehen. Beherzt halbierte Mark eine große Coca Cola Flasche aus Plastik der Länge nach und fing die Spinne ein. So in die Coca Cola Flasche eingesperrt, wurde die Spinne ziemlich wütend und randalierte wild in ihrem Gefängnis herum. Das Geräusch, das sie dabei machte, war Furcht erregend, aber Mark presste die beiden Flaschenhälften fest zusammen und trug die Spinne raus, um sie in sicherer Entfernung von ihrer Unterkunft, in die Freiheit zu entlassen. Am nächsten Tag saß die Spinne wieder in ihrer Schublade und beharrte auf ihrem angestammten Wohnraum.
Lieber Schwein haben, als Schwein sein.
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FEE KAMPAGNE.
Still und ruhig liegt mein geliebtes Reimartviertel, stiller und ruhiger, als ich es mir je hätte träumen lassen. Komplett befreit von den Müllsäcken der Imbisse, die Bodengitter zum Schutz der Bäume und nichts wurde mehr ausgekotzt. Wenn man die Krise irgendwo wirklich deutlich sehen kann, dann auf den Straßen eines großstädtischen Vergnügungsviertels. Der Sturm wird vorüber ziehen, aber nach dem Sturm wird nichts mehr so sein wie es mal war und vielleicht liegt darin unser aller Chance. Wer denn nun denkt, dass ganze Elend sei Ende April ausgestanden, sitzt einem wahrscheinlich Aprilscherz auf, denn der virale Wahnsinn wird erst halbwegs ausgestanden sein, wenn es ein Medikament gegen das listige Virus gibt, oder einen Impfstoff. Bemerkenswerterweise sind beide Themen immer mehr aus der öffentlichen Berichterstattung verschwunden und wer die Nachtigall immer noch nicht trapsen hört, hat selber schuld.
Damit der Wagen auch richtig voll wurde, quetschte sich außerdem noch Subash, der für sie dolmetschte, mit auf die Rückbank. Die Straßen waren schlecht, die kleine Blechkiste wurde ordentlich durchgeschüttelt und im nach herein fragte Hasy sich, wie sie es bloß geschafft hatten, sich alle zusammen in den Kleinwagen zu zwängen. Sie besuchten das Krankenhaus, in dem Sunita ihre Ausbildung zur Krankenschwester machte und die Schule für Zahntechniker, an der Sanju lernte. Überall wurden sie auf das freundlichste in Empfang genommen und voller Stolz führten die Direktoren ihnen die Ausbildungsstätten vor. Jeden Vormittag kam Onkel Erich, nachdem er sein morgendliches Trainingspensum absolviert hatte, Onkel Erich nahm schon seit über zwanzig Jahren mindestens an einen Halbmarathon und einem Marathon Lauf im Jahr teil, in ihr Hotel und holte sie ab. Obwohl er sein Frühstück schon im „Yak und Yeti“ zu sich genommen hatte, ließ er es sich nicht nehmen, noch eine Runde mit ihnen auf der Hotel eigenen Terrasse zu entspannen und den Blick auf die Nebel verhangenen Berge zu genießen. Da sie diese Mal während der Regenzeit unterwegs waren, war es gut wie unmöglich, die Gipfel der Himalaya Riesen und insbesondere die markante Bergspitze von Fishtail, Pokharas Hausberg, zu sehen. Problematisch war nur die Sache mit Stefans Müsli, das er jeden Tag wieder mit Milch bestellte und mit Joghurt bekam, obwohl ihm jedes mal aufs neue versichert wurde, dass ihm das Müsli mit Milch serviert werden würde. Irgendwann begriff Stefan dann, dass die Antwort auf seine Frage, ob es Milch geben würde, sowieso immer „Yes“ sein würde, denn ein „No“ hätten die Nepalis als unhöflich empfunden. Eines Vormittags tauchte Govinda auf einen Motorrad auf, dass er anscheinend gerade neu erworben hatte, aber Onkel Erich kam sehr schnell dahinter, dass Govinda das Motorrad vom Schulgeld der Kinder gekauft hatte. Es kam zu einem heftigen Streit zwischen Onkel Erich und Govinda, der damit endete, dass Govinda das Motorrad wieder zurück bringen musste. Auch mit Govindas sehr traditionellem, aber durchaus landestypischem Verhältnis, zur Arbeit auf dem Reisfeld der Familie, hatte Onkel Erich immer wieder Schwierigkeiten. Für Govinda war es total normal, seiner Frau die schwere Feldarbeit und die Hausarbeit, ganz alleine zu überlassen. Als Führer für Touristen arbeitete er schon lange nicht mehr, stattdessen ließ er sich seit Kasimans Tod und nun neues Familienoberhaupt, von vorne bis hinten bedienen und verbrachte seine Tage damit, mit seinen Freunden ausgiebig zu palavern, oder mit einem neu erworbenen Motorrad anzugeben. Onkel Erich, der in großen Teilen für den Unterhalt der Familie aufkam, gefiel das gar nicht und wenn ihm der Kragen platzte, nötigte er Govinda manchmal dazu, seiner Frau bei der Feldarbeit zu helfen. In Pokhara gab es mittlerweile erheblich mehr touristische Angebote und zu den absoluten Highlights gehörte Paragliding im Huckepack System. Onkel Erichs Ding war das nicht und auch Stefan zeigte keine Ambitionen, sich wie ein Adler in die Lüfte zu erheben, aber Mark hatte schon immer vom Fliegen geträumt und überredete Hasy, zusammen mit ihm in den Himmel des Himalaya zu fliegen. Hasy machte da gerne mit. Die Jungs von der Paragliding Station in Pokhara waren Profis aus Österreich und außerdem kümmerten sie sich um den Schutz der ortsansässigen Adlerpopulation. Der Spaß war nicht ganz billig, aber eben auch etwas ganz besonderes und bevor sie loslegten, überredete Mark Hasy noch zu einer fetten Tüte und dann ging es los. Es gab eine kurze Einweisung auf Englisch, danach wurden ihnen Helme auf den Kopf und sie selbst ihren Piloten vor die Brust geschnallt und dann rannten gemeinsam, so schnell es ging auf den Rand, eines mindesten tausend Meter tiefen Abgrunds zu. Bevor sie sprangen, verfluchte Hasy die letzte Tüte und dann stürzten sie erst mal in die Tiefe.
Hinterher ist man auch nicht klüger.
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