INTERVALL SCHMACHTEN.
Wenn ich die Kürzel Kandidatin und ihre Funschaft so reden höre, ist es anscheinend völlig unmöglich schalkwegs gerechte, sinnvolle und vor allen Dingen notwendige Entscheidungen zu treffen. Nur weil der neoliberale Zwergenkönig im Bruderland eine komplett fehlgesteuerte CO2 Steuer einführte, ist diese Steuer nicht falsch, es wurden nur die Falschen damit belastet. So wie jedes Bußgeld, dass pauschal gezahlt werden muss und nicht nach Einkommen und Vermögen, ungerecht und außerdem vielfach völlig wirkungslos ist, ist jede Steuer, die die einkommensschwachen Schichten überproportional belastet, ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Nicht Arbeit muss besteuert werden, Vermögen muss besteuert werden und wo das Vermögen wirklich besteuert wird, erübrigt sich jegliche Erbschaftssteuer und das man Schulden vererben kann, ergibt sich ja sowieso von selbst.
Mit Frederic war ich in der Disko verabredet, in der wir uns kennen gelernt hatten, was mir nur recht war, denn Henry und ich hatten den Laden bisher noch nicht besucht und ich ging davon aus, dass er mir dort nicht über den Weg laufen würde. Diesmal war Federic allein unterwegs, wahrscheinlich hatten seine Begleiterinnen jede Hoffnung auf romantische Annäherung begraben. Nach einer stürmischen Begrüßung, beschlossen wir nicht in der Disko zu bleiben, sondern lieber eine Runde spazieren zu gehen. Unter der Unterführung, in der wir uns näher gekommen waren, nestelte Frederic wieder eine Tüte hervor und wir knutschten leidenschaftlich, bis wir von einer heftigen Heißhungerattacke überfallen wurden. Den allseits beliebten Burgerimbiss an der Promenade wollte ich auf keinen Fall aufsuchen, die Gefahr Henry dort über den Weg zu laufen, war viel zu groß und so landeten wir denn an einer Fisch und Chips Bude in einer ruhigen Seitenstraße. Nachdem wir uns mit dem fettigen Zeug gestärkt hatten, machten wir uns Händchen haltend auf zum Strand. Obwohl es nicht besonders warm war, froren wir beide kein bisschen und immer wieder unterbrochen von leidenschaftlichen Küssen, erzählte Frederic mir vom Weingut seines Vaters, dass er später mal übernehmen sollte. Von Bier hielt er im übrigen nur sehr wenig und von den Weinkenntnissen der Engländer noch weniger. Seinem nicht so einfach zu entschlüsselndem Englisch entnahm ich, dass obwohl er etliche Meinungsverschiedenheiten mit seinem Vater hatte, er sehr stolz auf das Weingut bei Bordeaux war, dass sich anscheinend schon seit etlichen Generationen in der Hand seiner Familie befand. Es war auch sein Vater, der ihm diese dreimonatige Reise geschenkt hatte, die mit dem Sprachkurs in Brighton beendet sein würde, danach sollte er seine Ausbildung zum Winzer beginnen. Über zwei Monate war er durch Spanien und Frankreich getrampt, in England war es nicht mehr so flüssig vorangegangen und der Kursus würde in ein paar Tagen zu Ende sein. Ich war etwas entsetzt, als ich hörte, dass Frederic schon so bald abreisen würde, aber er versprach mir hoch und heilig mich in Deutschland zu besuchen. Mittlerweile war es wieder viel zu spät geworden und Frederic brachte mich noch zum Nachtbus, denn ich war dahinter gekommen, dass es diese sehr viel billigere Möglichkeit gab zum Haus meiner Gasteltern zurück zu kehren. An der Küche mit den Keksen schlich ich vorbei, vermied die knarrende Treppenstufe, nur um eine andere, nicht weniger knarrende Stufe zu erwischen und fiel ins Bett. Als ich wieder aufwachte war der Bus schon los gefahren, in Windeseile wässerte ich den Teppich rund um die Duschkabine und fuhr zur Promenade runter. Nicht nach London zu fahren war keine Option, zumal der Ausflug nach London zum gebuchten Reisepaket gehörte. Kurz entschlossen entschied ich mich, auf eigene Faust nach London zu fahren und erkundigte mich im Tourist Information Center nach dem nächsten Zug Richtung London und wann der letzte Zug von London nach Brighton zurück gehen würde. Als ich im Zug saß wurde mir ein wenig mulmig zu Mute, aber dann steckte ich mir eine Gauloise an und fühlte mich unter meinem breitkrempigen Hut sehr erwachsen. Draußen glitt die Landschaft vorbei und je mehr wir uns London näherten, umso dichter rückten die bebauten Gebiete an die Gleise heran. So etwas hatte ich im aufgeräumten Deutschland noch nie gesehen, mindestens eine halbe Stunde bevor wir London erreichten, fuhr der Zug durch slumartig herunter gekommene Wohnviertel.
In einer kalten Küche, holt man sich kalte Füße.
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TROLL ANSICHT.
Wer nun denkt, dass Kevin ewig allein zu hause sein wird, ist möglicherweise schief gewickelt, den mittlerweile ist zu viel schief gegangen und es drängt sich der Eindruck auf, das Mogelsoftware schon lange kein Einzelfall mehr ist. Warum flunkerdrücken omsere Polytrickster ständig Informationen, die nicht in irr Konzept passen, warum wurde der Armutsbericht um wesentliche und für irr Handeln unangenehmen Passagen gekürzt. Armut verschwindet nicht, weil man sie totschweigt und maßloser Reichtum ist und bleibt obszön und beides schadet dem Klima. Doch wer ein gut dotiertes, öffentliches Mandat errungen hat, tauscht Moral gegen Moneten und schadet dem Planeten. Es ist wie eine Schadsoftware, die von den Köpfen omserer Poly Trickster Bähsitz ergriffen hat und wenn nichts mehr hilft, hilft vielleicht nur noch künstliche Intelligenz.
Drei Stunden später quälte ich mich aus dem Bett, schließlich hatte ich meiner Gastmutter ja zugesagt, dass Zimmer zeitig frei zu geben, damit sie ihre Putz und Aufräumroutine einhalten konnte. Nach einer kurzen Katzenwäsche mit sehr viel kaltem Wasser, stolperte ich die Treppe im Halbschlaf hinunter, an deren Ende meine Gastmutter bereits auf mich wartete. Ihre üble Laune war unübersehbar und wie sich nach kürzester Zeit herausstellte auf meine nächtliche Plünderung der Keksdose des Ehegatten zurück zu führen. Anscheinend war ihr Angetrauter, während meiner kurzen Tiefschlafphase, von der Schicht heimgekehrt und hatte nur noch einen Keks in seiner Dose vorgefunden, Nachschub war nicht vorhanden, was er dann erst mal seiner Gattin vorgeworfen hatte. Mein Gastvater lag mittlerweile im Tiefschlaf, der mir ja nicht mehr gegönnt war und ich musste ein heftiges Donnerwetter über mich ergehen lassen, dessen Tenor darauf hinaus lief, wie viel wohl erzogener und braver als ich Katrin doch sein würde. Ich entschuldigte mich so gut es ging und versprach hoch und heilig, mich nie wieder an der Keksdose zu vergreifen. Auf Tee und Toast verzichtete ich und fuhr sofort mit dem Bus zur Promenade runter und ging zum Strand, wo ich mir ein ruhiges Plätzchen suchte und noch ein paar Stunden weiter schlief. Als ich am späten Nachmittag wieder zurück kam, saß mein Gastvater rauchend in der Küche und vor ihm stand eine wieder gut gefüllte Dose mit Keksen. Er drohte mir schelmisch mit dem Finger und dann bot er mir eine Tasse Tee und Kekse an. Anscheinend hatte er mehr Verständnis als meine Gastmutter dafür, dass der Inhalt der Dose durchaus auch andere Liebhaber fand. Wir rauchten noch ein paar Zigaretten und dann machte mich wieder an die tägliche Überschwemmung des Badezimmers. Beim Dinner erfuhr ich von Katrin, die sich freundlicherweise erkundigt hatte, dass die obligatorische Londonfahrt meines Kurses am nächsten Tag statt finden sollte und das es in aller Frühe los gehen sollte. Da ich schon zwei Verabredungen für den Abend hatte, konnte ich unmöglich zu Hause bleiben, aber ich nahm mir fest vor, diesmal nicht so lange unterwegs zu sein. Mit Henry traf ich mich vor seinem Stammpub und erfuhr als erstes, dass er die Prüfung bestanden hatte. Drinnen warteten schon seine ziemlich angeheiterten Kommilitonen auf ihn und auch Henry war nicht mehr ganz nüchtern. Im Gegensatz zu den voran gegangenen Abenden, war er richtig draufgängerisch und legte den Arm um mich. Dem lautstarken Gespräch seiner Freunde konnte ich entnehmen, dass lange nicht alle Teilnehmer die Prüfung bestanden hatten, aber alle um den Tisch versammelten schon. Außerdem hatten sie jetzt erst mal Ferien und die meisten von ihnen, wie auch Henry, hatten vor nach Schottland zu ihren Familien zu fahren. Nach dem ersten Bier erzählte ich Henry von dem am nächsten Morgen anstehenden Ausflug nach London und das ich deswegen heute früh aufbrechen müsste. Ich musste mir nicht mal eine Ausrede einfallen lassen, Henry war zwar etwas enttäuscht, zumal er nicht wusste, wie lange er noch in Brighton bleiben würde, aber er brachte mich noch bis zur Bushaltestelle, denn zu dieser frühen Stunde fuhr der Bus noch. Da ich nicht wusste, wann wir am nächsten Tag aus London zurück sein würden und auch nicht besonders viel Wert darauf legte, verabredete ich mich für den übernächsten Abend mit ihm. Henry wartete noch mit mir bis ich im Bus saß. An der nächsten Haltestelle stieg ich aus und ging zu Fuß zur Promenade zurück.
Wer Haare spaltet hat selber schuld.
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HOHL STAND.
Letztendlich ist es wahrscheinlich ein Grund therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn man denn Wonnemonat genannt wird. Wer will schon wirklich ein Wonneproppen sein, in Bowle baden und mit Käfern assoziiert werden, mal ganz zu schweigen vom militanten Grünzeug. So eine grüne Grenze ist schließlich auch eine rote Linie und das kleine, grüne Männchen mit roten Tüchern hausieren gehen, wurde bisher nicht bewiesen. Ungelöst ist auch der Konflikt zwischen grauen Eminenzen und roten Frauen, die nicht im Näseln der Geschichte untergehen wollen. Das blaue Augen außer Konkurrenz spielen und blonde Haare ein Geschenk der Götter sind, ist zwar nicht besonders gerecht, aber doch immer wieder Stoff für tränenreiche Dramen und unendliche Geschichten, die sich keinesfalls grün sein müssen.
Ein bisschen frustriert tanzte ich unter der Diskokugel und dann sah ich den dunkellockigen Franzosen endlich, wie schon beim letzten Mal, umgeben von mehreren Frauen. In einer Ecke des recht großen, unübersichtlichen Raumes, die nur von einer Seite einsehbar war, saßen sie zusammen um einen Tisch und ich war mir nicht sicher, ob sie gerade erst gekommen waren, oder ob ich sie wegen der schummerigen Beleuchtung einfach übersehen hatte. Einfach hinzugehen kam natürlich nicht in Frage, also gab ich mir alle Mühe beim Tanzen aufzufallen, was auch nicht besonders schwer war, denn die Tanzfläche war schon ziemlich leer. Als dann so ein Schmusesong kam, nachdem man eigentlich nur zur zweit tanzen konnte, schlenderte ich betont lässig zum Tresen und gönnte mir noch eine schwer angesagte Mischung aus Granini Kirsch und Bananensaft. Mit meinem zweifarbigen Saft in der Hand, lehnte ich am Tresen und tat total desinteressiert, aber irgendwann begegneten unsere Blicke sich dann doch und das Objekt meiner Begierde, löste sich aus seiner Gruppe und kam auf mich zu. Ich wurde ziemlich nervös, aber einen Rückzieher wollte ich mir nun auch nicht mehr leisten. Er hieß Frederic und sein Englisch, diesmal mit französischem Akzent, war mindestens genauso schwer verständlich, wie das von Henry. Wie sich heraus stellte, handelte es sich bei den Frauen mit denen er unterwegs war, um Mitschülerinnen aus seinem Sprachkurs, den er auf Wunsch seines Vaters, eines Weinbauern aus Bordeaux, besuchte. Wir redeten viel, verstanden wenig, lachten viel, rauchten eine Gauloise nach der anderen und Frederic war sehr charmant und lange nicht so zurück haltend wie Henry. Die Disko wurde immer leerer, Frederics Mitschülerinnen verabschiedeten sich, wobei ich den Eindruck hatte, dass sie gar nicht so begeistert waren. Auf dem Weg zum Taxistand kramte Frederic, aus einer der unzähligen Taschen seiner bestickten Hippieweste eine etwas zerknitterte Tüte. Ich fand das sehr aufregend, denn bisher hatte ich nur in Hannover, mit Heidi und ihrem Freund Larry zusammen geraucht. Im Schatten einer Unterführung rauchten wir die Tüte und dann küsste Frederic mich. Mittlerweile war es schon fast hell geworden, wir küssten uns auf dem Weg zum Taxistand und am Taxistand und verabredeten uns für den nächsten Abend, allerdings erst zu späterer Stunde, denn ich musste mir ja noch eine Ausrede für Henry einfallen lassen, mit dem ich schon am frühen Abend verabredet war. Hochgestimmt und sehr hungrig kam ich im Haus meiner Gasteltern an. Als ich so leise wie möglich die Treppe hoch schleichen wollte, lange konnte es ja nicht mehr dauern, bis Katrin und meine Gastmutter aufstehen würden, kamen mir mit einmal die leckeren Kekse meines Gastvaters in den Sinn und außerdem war ich furchtbar durstig. Anstatt die Treppe hoch zu schleichen, schlich ich in die Küche, goss mir ein Glas Wasser ein und klaubte die Dose mit den Keksen aus dem Regal. Eigentlich hatte ich ja nur einen Keks essen wollen, aber die Kekse dufteten ganz wunderbar, waren verführerisch knusprig und noch köstlicher, als ich sie in Erinnerung hatte und so blieb es nicht bei einem Keks, stattdessen blieb nur ein Keks in der Dose zurück. Ein bisschen mulmig war mir schon zumute, aber ich ging davon aus, dass irgendwo in der Küche noch eine Tüte mit Keksen stand, aus der die Dose befüllt wurde und ganz leer war die Dose ja auch nicht.
Blaue Augen kann man sich holen, grüne nicht.
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